Hilfe für Rotkäppchen. Heinz Gellert

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Hilfe für Rotkäppchen - Heinz Gellert

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Eiszeit - verschwunden. Spurlos verschwunden, im wahrsten Sinne des Wortes.

      Das konnte nicht sein, dachte Jens. Niemand konnte so einfach verschwinden, der Park war umzäunt. Er musste sich getäuscht haben, obwohl der schwarzgekleidete Mann ihm bekannt vorkam. Als er dann ins Klassenzimmer zurückkam und der Platz neben ihm verwaist blieb, stand für ihn fest: Es musste etwas passiert sein! Auch wenn Frau Putzig erklärte, dass Anne von ihrem Onkel abgeholt wurde. Er fand Annes Schultasche unter der Bank. Nie hätte sie ihre Schulsachen zurückgelassen. Ratlos saß er auf seinem Platz.

      Die Musikstunde begann. Ein fröhliches Lied der Schüler erfüllte den Raum. Frau Sängerling, die Musiklehrerin, schlug dazu den Takt mit einem Lineal auf den Lehrertisch und ließ ihre schöne Stimme durch die geöffneten Fenster weit in den Schulhof hinaus schallen. Sie war früher Sängerin in einem Opernchor gewesen. Auch heute würde sie einen Ausschnitt aus einer Oper präsentieren; sie hatte dazu einen CD-Player mitgebracht. Wie stets konnten die Schüler auf einen Spaß hoffen. Denn wenn ihre gute Musiklehrerin vom Zauber der Musik gepackt wurde, konnte sie nicht anders, als kräftig mitzuträllern. Doch Jens rührte das wenig. Er überlegte, ob er es der Lehrerin und den Kindern erklären sollte, was er wegen Anne befürchtete.

      Als die Musikstunde fast zu Ende war, wurde Jens durch etwas von draußen von seinen Grübeleien abgelenkt. Er hörte einen Hund jaulen. Wahrscheinlich missfiel dem Tier der Gesang der Lehrerin. Jens schaute aus dem Fenster. Da saß der graue Hund des Mädchens mitten auf dem Schulhof und heulte jämmerlich. Das Mädchen selbst stand abseits und winkte jemandem. Aber niemand war weit und breit zu sehen.

      Jens konnte die Zeichen nicht sofort deuten. Als jedoch der Hund sich erhob, die Hand des Mädchens in sein Maul nahm und es hinter sich herzog, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ihm galten die Zeichen. Vielleicht wusste das Mädchen etwas von Annes Verschwinden? Er winkte ihnen zu. Der Hund und das Mädchen schauten zum Klassenfenster hinauf und warteten.

      „Es ist schon merkwürdig“, dachte Jens. „Hier zur Schule geht sie nicht und spaziert mit ihrem Hund herum. Noch dazu mit so einem großen, furchterregenden.“ Während er das Mädchen in seinem roten Kleid mit der weißen Schürze und der hübschen roten Kappe auf dem Kopf betrachtete, war ihm so, als kannten sie sich schon seit langer Zeit.

      Jens konnte das Ende des Unterrichts kaum abwarten. Gleich nach dem Ertönen des Pausenzeichens griff er seine Schulsachen, warf sie in seinen Rucksack und rannte mit dem Rucksack in der Hand zum Erstaunen der Lehrerin einfach aus dem Klassenraum. Zum Glück war es die letzte Stunde gewesen. Auf dem Schulhof ging er langsam auf das Mädchen und den Hund zu.

      „Komm nur näher, Jens!“, bat das Mädchen. „Du brauchst keine Angst zu haben.“

      Wie auf Befehl wich das Tier von der Seite des Mädchens und legte sich ein Stück entfernt auf den Erdboden. Doch seine Augen waren weiterhin auf den Jungen gerichtet.

      „Woher kennst du meinen Namen?“, fragte Jens verwundert und legte seinen Rucksack auf den Boden neben sich ab. „Wer bist du?“

      „Du kennst mich, du weißt es nur nicht“, antwortete das Mädchen. „Ich darf dir aber nicht sagen, wer ich bin. Du musst es raten. Es ist nicht schwer. Sieh genau hin! Ich habe auch ein Körbchen mit einer Flasche roten Wein und Kuchen dabei.“

      Jens blickte ratlos.

      „Etwas kann ich dir noch verraten: Meine Kappe, das Tier, der Korb und die Blumen hier“ - das Mädchen zeigte auf einen Strauß Waldblumen – „das alles gehört zusammen. Kann dir was über meinen Namen sagen. Und den musst du jetzt sofort sagen, sonst wirst du Anne nie wiedersehen!“

      Jens schwirrte es im Kopf. Ein Rätsel sollte er lösen. Noch dazu ein schweres, obwohl er schlecht im Raten war. Davon würde Annes Leben abhängen. Hilflos blickte er sich um. Noch immer war niemand anders auf dem Schulhof. Es hatte doch zur Pause geläutet? Wo blieben nur die anderen Mitschüler? Warum kamen sie nicht aus dem Schulgebäude, um nach Hause zu gehen? Warum war denn keiner da, der ihm half? Stand denn die Zeit still? Solche Gedanken kamen ihm in den Sinn. Er wurde nervös. Die Hände fingen an zu zittern. Sein Herz pochte wie ein Presslufthammer. Er sah den traurig fragenden Blick des Mädchens, die großen, lauernden Augen des Tieres. Ihm musste was einfallen.

      Da war auf einmal der Gedanke, die Frage, die zur Lösung führte: Warum war er überhaupt hier? - Annes wegen. Da wusste er, wer das Mädchen vor ihm war. Und er erschrak zugleich, weil er erkannte, dass der angebliche Hund, der böse, graue Wolf war. Unwillkürlich tat er einige Schritte zurück, was das Mädchen freudig bemerkte.

      Jubelnd stellte es den Korb beiseite, lief auf ihn zu und umarmte ihn. „Sag´ es laut, Jens! Schrei es raus, wer ich bin!“ Das Mädchen weinte vor Glück.

      „Du bist Rotkäppchen, und das …“, Jens versagte die Stimme vor Schreck, „das ... das ist der böse Wolf!“ Er schrie vor Entsetzen auf, denn der Wolf kam auf ihn zu. Jens versuchte, sich aus Rotkäppchens Umarmung zu lösen.

      „Hab´ keine Angst! Er tut dir ganz bestimmt nichts.“ Rotkäppchen wies das Tier auf seinen Platz zurück, und Jens beruhigte sich.

      „Wir sind gekommen, weil du unsere Hilfe brauchst“, sprach Rotkäppchen weiter. „Und wir brauchen deine. Anne ist von einem Zauberer ins Märchenland entführt worden. Derselbe, der uns daraus verjagt hat. Er hat es getan, weil alle mein Märchen kennen. Nur ihn kennt niemand. Mit der Hilfe der alten Märchenhexe hat er es geschafft, dass sich niemand mehr an mein Märchen erinnern kann. Er hat es weggezaubert. Es ist aus allen Büchern verschwunden. Nur im Großen Märchenbuch, das sich im Märchenschloss befindet, steht es noch geschrieben. Du bist jetzt der Einzige, der sich an mein Märchen erinnern kann ...“

      „Nein, auch Anne!“, unterbrach Jens das Rotkäppchen.

      „Oh nein! Anne kennt das Märchen auch nicht. Sie wollte dir nur helfen. Als deine Freundin hat sie gesagt, dass sie es kennt. Und nur weil sie es gesagt hat, hat der Zauberer sie entführt. Du kannst sie nur befreien, Jens, wenn du dich auch von ihm fangen lässt. Nur so kommst du ins Märchenland!“

      Jens erschrak.

      „Wenn du alles machst, was ich dir sage, dann wirst du sie befreien können. Aber du musst mutig sein und dich vor dem Zauberer und der Hexe in Acht nehmen.“

      „Ich werde Anne aus der Gewalt des Zauberers befreien!“, erklärte Jens entschlossen.

      „Dann pass jetzt auf, was ich dir sage! Gleich werden deine Mitschüler nach Hause gehen. Sie wurden von eurer Lehrerin noch aufgehalten. Du wirst zu ihnen gehen und erklären, dass dir mein Märchen wieder eingefallen ist. Und sage auch, dass du es morgen erzählen wirst. Sie werden vielleicht darüber lachen. Mach dir nichts draus! Wichtig ist, du sagst es laut, damit es alle hören können. Dann hört es auch der Zauberer. Er wird bestimmt zu dir kommen und dich mit seinem schwarzen Zaubermantel entführen. Glaub´ mir, einen anderen Weg gibt es nicht!

      Leider können wir nicht mit dir kommen. Der Wolf und ich, wir dürfen das Märchenland erst dann betreten, wenn unser Märchen wieder bekannt ist. Der Zauberer wird dich sicherlich in sein Zauberschloss bringen. Dort wird er auch Anne gefangen halten. Mit diesem Zauberring, den ich von der weisen Waldfee bekommen habe“ - Rotkäppchen zog einen goldenen Ring vom Finger – „mit seiner Hilfe kannst du dich unsichtbar machen. Du wirst ihn bestimmt bei Annes Befreiung gebrauchen können. Man muss ihn nur drehen!“

      Jens nahm den Ring und steckte ihn an den kleinen Finger seiner linken Hand.

      „Hast du´s geschafft, dann eile mit Anne in den Märchenwald! Auf einer Lichtung steht eine sehr

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