GEGEN UNENDLICH. Phantastische Geschichten – Nr. 11. Monika Niehaus

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GEGEN UNENDLICH. Phantastische Geschichten – Nr. 11 - Monika Niehaus GEGEN UNENDLICH. Phantastische Geschichten

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hat es schon wieder getan«, murmelte Frank mit auffällig ruhiger Stimme, dass Ralf vom Spielbrett aufblickte. »Waren wir uns nicht darüber einig, dass wir auf derlei verzichten. Wir sind auf der Erde, wir sehen aus wie Menschen, wie leben wie Menschen und wir sollten uns auch wie Menschen verhalten.« Christian wollte etwas sagen, doch Frank hob seinen langen Finger. »Dass Benutzen eines Querks fällt garantiert nicht unter menschliche Verhaltensweisen! Wir haben ihn nur für den Notfall aufgehoben. Für den Notfall. Ich glaube kaum, dass das Rausbringen eines Müllbeutels als Notfall zählt. Oder bist du da anderer Meinung?«

      Christian, dessen Glatze eine rötliche Farbe angenommen hatte, winkte ab. »Ich verstehe noch immer nicht, was daran schlimm sein soll. Wozu haben wir den Querk denn, wenn wir davon nicht ein wenig Gebrauch machen. Schließlich schadet es doch niemandem.«

      »Aber es ist nicht richtig!«, fuhr Frank auf. »Der Querk passt weder in diese Zeit noch in diese Welt. Du kommst mir vor wie ein Schauspieler, der den Hamlet gibt und eine Jeanshose trägt. Es ist einfach falsch.«

      Ralf konzentrierte sich wieder auf die Stellung der Spielsteine und ließ die beiden ihren Disput ausfechten. Seit ihrer Ankunft war die Verwendung des Querk ein Streitpunkt zwischen Frank und Christian und es sah nicht so aus, als würden sie irgendwann zu einer Lösung kommen. Er hatte sogar den Eindruck, dass ihre Streitgespräche ein Zeichen von Wohlbefinden darstellten, dem sie mit Genuss nachgingen. Und da es gleichzeitig niemals zu ernsthaften Verstimmungen kam, nahm Ralf es gelassen hin.

      Er erhob sich, während die beiden weiter disputierten, und ging langsam über den Rasen. Das Gras unter seinen Sohlen war weich und glitzerte noch vom nächtlichen Tau. In der Mitte des Gartens stand ein alter Apfelbaum, dessen Äste voller Früchte hingen. Der Baum trug so viel, dass sie drei gar nicht mit dem Essen hinterherkamen. Von einer Nachbarin hatte sich Ralf daher im letzten Herbst in das Geheimnis des Einkochens einweihen lassen, bevor die eingelagerten Äpfel im Keller überhandnahmen. Nun stand im Keller ein Regal mit frischen Einmachgläsern, die er dachte, alle nach und nach zu füllen. Apfelkompott, dachte er, noch so eine feine Erfindung der Menschen.

      Er nahm einen der Äpfel auf, putzte ihn an seinem Pullover ab und biss hinein. Kauend stand er eine Weile da und sah die Straße hinunter. In der Ferne bog der Müllwagen um die Ecke und fuhr klappernd die Straße hinunter. Schon von weitem schien er den Geruch seiner Fracht mit sich zu bringen. Ralf hob die Hand zum Gruß, als einer der Müllmänner vom Wagen sprang und ihre Tonne ergriff, und machte sich dann daran, die restlichen Äpfel vom Boden aufzulesen. Als er sich wieder erhob, erstarrte er.

      Der Ankömmling, der in ihrem Gartentor stand, hatte die Gestalt eines jungen Mannes angenommen, aber Ralf erkannte ihn sofort. Der Mann betrat den gepflasterten Weg und kam mit etwas unbeholfenen Bewegungen auf sie zu, als würde er sich nicht wohl in seiner Haut fühlen. Obwohl die Kleidung der aktuellen Mode entsprach und ihm wie angegossen saß, wirkte er wie verkleidet.

      Ralf presste die aufgelesenen Äpfel an seinen Bauch. Er warf einen Blick zu den anderen herüber, die ebenfalls erstarrt waren und den Ankömmling betrachteten.

      Langsam überquerte Ralf die Wiese und ließ den anderen nicht aus den Augen. Es war so lange her, dass er einen der ihren gesehen hatte. Nie hätte er gedacht, jemals wieder einen Sternenfahrer wiederzusehen. Damit hatte er abgeschlossen, als sie sich damals auf diesem Planeten materialisiert und einen Blick zum Himmel geworfen hatten, wo sich ihr Schiff befinden musste, bevor es wieder den Orbit verließ.

      Soweit er wusste, war so etwas noch nie vorgekommen.

      Eine Weile standen sie sich schweigend gegenüber und sahen sich an.

      Schließlich atmete der Ankömmling hörbar aus und vollführte eine Geste des Grußes ersten Grades, soweit er dazu mit den eingeschränkten Möglichkeiten seiner neuen Gliedmaßen imstande war. »Wir grüßen die, die wir zurückgelassen haben …«

      Tatsächlich, fiel es Ralf ein, gab es auch für diese Situation eine entsprechende rituelle Formel. Er legte die Äpfel auf den Tisch und vollführte eine ebenso unbeholfene Geste. »Setz dich!«, murmelte er und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Die anderen schwiegen.

      Der junge Mann zögerte, sah sich eine Weile um und setzte sich dann umständlich auf die Bank neben Christian. Man sah ihm an, dass er sich das erste Mal in seinem Leben setzte.

      Als der Besucher lächelte und schwieg, erinnerte sich Ralf daran, dass es jetzt an ihm war, einige Höflichkeitsfloskeln auszutauschen. Was macht er hier?, dachte Ralf. Die plötzliche Ankunft des Sternenfahrers hatte ihn regelrecht vor den Kopf geschlagen.

      »Ich nehme an«, sagte Ralf langsam, »ihr wart grad in der Nähe?«

      Der Sternenfahrer rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Unser Schiff befindet sich im Orbit des Planeten.«

      Automatisch blickten sie alle zum Himmel auf, als ob sie das riesige Sternenschiff dort mit bloßem Auge sehen könnten. Franks Pfeife war mittlerweile ausgegangen und in Christians Gesicht glomm ein merkwürdiger Ausdruck, während er mechanisch mit dem Querk auf der Tischplatte spielte.

      »Nein«, sagte der Sternenfahrer nach einem kurzen Zögern. »Ihr versteht nicht. Unser Schiff wird den Orbit nicht mehr verlassen können. Nicht, wenn ihr uns nicht helft.«

      Frank zündete sich seine Pfeife an, was ihm erst beim dritten Versuch gelang. Seine Finger zitterten merklich. Für einen Moment gingen Ralf die unmöglichsten Bilder durch den Kopf; sie alle wieder vereint an Bord eines Sternenschiffes, die vertrauten Körper, der Rhythmus des Reisens und das ewige Dunkel des Alls.

      Der Sternenfahrer rutschte auf der Bank nach vorne und berichtete ihnen von einem schweren Unglück, das ihr Schiff unweit ihres Sonnensystems befallen hatte. Erst betraf es nur einige wenige der Schiffsbesatzung; sie wurden immer schwächer, klagten über Bewegungsstörungen, konnten sich irgendwann nicht mehr erheben, verfielen im Laufe von relativ kurzer Zeit in eine Lähmung, aus der sie nicht mehr befreit werden konnten. Bald schon waren sie nicht mehr ansprechbar und die Redex-Flüssigkeit, die sie permanent wie eine zweite Haut umgab, färbte sich bläulich. Binnen kurzem war die Hälfte der Besatzung davon betroffen, ohne dass man eine Lösung für das Problem hatte finden können. Als nur noch drei Sternenfahrer übrig waren, setzten sie Kurs auf die Erde.

      »Wir mussten umkehren«, sagte der Sternenfahrer. »Uns blieb keine andere Wahl.«

      »Und nun«, sagte Christian und rieb sich nachdenklich über die Glatze, »wollt ihr, dass wir euch helfen?«

      »Mit eurer Hilfe können wir weiterfliegen. Ihr seid die Älteren, ihr verfügt über das nötige Wissen. Die Vorälteren sind an Bord des Schiffes der Krankheit erlegen, bevor sie uns helfen konnten. Wir wissen nicht, was zu tun ist.«

      »Weiterfliegen …«, murmelte Frank nachdenklich, der in eine Rauchwolke gehüllt war.

      Ralf schüttelte den Kopf. »Aber für wie lange? Ich meine, wir sind vor Kurzem ausgemustert worden, um den Jüngeren an Bord Platz zu machen, wie es bei uns Brauch ist. Was wird also passieren, wenn wir mit dir kommen? Wir reisen einige Zeit, bis wieder jüngere Sternenfahrer nachrücken, und dann ist wieder kein Platz an Bord. Wir werden erneut auf einen Planeten in der Nähe ausgesetzt werde, von dem wir nicht wissen, wie er sein wird.«

      »So ist es schon immer gewesen!«, bestätigte der Sternenfahrer.

      »Hört sich nach einem tollen Angebot an«, sagte Ralf und steckte sich eine Mozartkugel in den Mund. »Bevor wir hier alle einen Sonnenbrand kriegen, flitzen wir doch lieber an Bord eines Sternenkreuzers durch das All, um weiter Richtung Unendlichkeit

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