Zärtlich ist die Nacht. F. Scott Fitzgerald

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Zärtlich ist die Nacht - F. Scott Fitzgerald

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eine niedrige Mauer – vor sich endlos wogende Nacht.

      Sie waren jetzt in Amerika; selbst Franz, der Dick für einen unwiderstehlichen Schürzenjäger hielt, wäre nie darauf gekommen, daß sie so weit weg waren. Es tat ihnen so leid, Liebling; sie gingen hinunter, um sich in einem Taxi zu treffen, Honey; sie hatten eine Vorliebe für Lächeln und hatten sich in Hindostan kennengelernt, und bald danach mußten sie sich gezankt haben, denn niemand wußte Näheres, und niemand schien sich etwas daraus zu machen – schließlich aber hatte einer von ihnen den anderen weinend zurückgelassen, nur um selbst schwermütig und traurig zu sein.

      Die dünnen Klänge, die entschwundene Zeiten und künftige Hoffnungen miteinander verbanden, rankten sich an der wallisischen Nacht empor. Wenn das Grammophon schwieg, ließ sich das eintönige Zirpen einer Grille vernehmen. Nach und nach hörte Nicole auf, den Apparat spielen zu lassen, und sang für Dick.

      »Leg einen Silberdollar

       auf den Grund,

       sieh, wie er rollt,

       denn er ist rund –«

      Ihren leicht geöffneten Lippen entschwebte kein Atem mehr. Dick stand unvermittelt auf.

      »Was ist? Gefällt es Ihnen nicht?«

      »Natürlich gefällt es mir.«

      »Dieses hab' ich von unserer Köchin zu Hause gelernt:

      ›Eine Frau hat erst dann

       einen wirklich guten Mann,

       wenn sie ihn ausschilt dann und wann ... ‹

      Gefällt es Ihnen?«

      Sie lächelte ihn an und bemühte sich, in ihr Lächeln alles zu legen, was in ihr war, und es auf ihn zu übertragen und brachte sich ihm damit zum Geschenk dar und wollte selbst so wenig dafür, nur einen kleinen Widerhall, nur die Gewißheit, daß auch er innerlich erbebte. Langsam und sacht strömte die Süße der Weidenbäume, die Süße der dunklen Welt in sie ein.

      Sie erhob sich ebenfalls, stolperte über das Grammophon und wurde von Dick aufgefangen, wobei sie sich einen Augenblick lang in seine runde Schulterhöhlung schmiegte.

      »Ich habe noch eine Platte«, sagte sie. »Haben sie ›So long, Letty‹ gehört? Sicher doch.«

      »Nein, wirklich, glauben Sie mir. Ich habe überhaupt nichts gehört.«

      Noch gewußt, noch gerochen, noch gespürt, hätte er hinzufügen können; nur Mädchen mit heißen Wangen in heißen, verschwiegenen Zimmern. Die Mädchen, die er 1914 in New Haven gekannt hatte, küßten einen Mann, indem sie »So!« sagten und die Hände gegen seine Brust stemmten, um ihn wegzustoßen. Und hier nun war dieses kaum erst dem Verderben entrissene heimatlose Kind und verkörperte ihm den Inbegriff einer Welt ...

      Als er sie das nächstemal sah, war es Mai. Der Lunch in Zürich war eine Vorsichtsmaßnahme; offensichtlich strebte die folgerichtige Entwicklung seines Lebens von dem Mädchen fort; doch als ein Fremder vom Nebentisch sie mit Augen anstarrte, die wie ein unerlaubtes Licht beunruhigend glühten, wandte er sich dem Mann in weltmännisch einschüchternder Weise zu und durchkreuzte seinen Blick.

      »Er war nur neugierig«, erklärte er munter. »Er hat sich nur Ihre Kleider angesehen. Warum haben Sie so viele verschiedene Kleider?«

      »Meine Schwester sagt, wir wären sehr reich«, versetzte sie bescheiden, »seit Großmutter tot ist.«

      »Ich verzeihe Ihnen.«

      Er war um so viel älter als Nicole, daß ihm ihre jugendlichen Eitelkeiten und Vergnügungen Spaß machten, die Art zum Beispiel, wie sie beim Verlassen des Lokals ganz beiläufig vor dem Spiegel in der Halle stehenblieb, so daß sie sich in dem unbestechlichen Quecksilber wiederfinden konnte. Er war entzückt, wenn sie mit ihren Händen neue Oktaven zu greifen suchte, jetzt, da sie wußte, daß sie schön und reich war. Er gab sich redliche Mühe, in ihr nicht die fixe Idee aufkommen zu lassen, er habe sie wieder zusammengeflickt, und er war froh zu sehen, wie sie Glück und Zuversicht unabhängig von ihm wiedererlangte. Die Schwierigkeit lag darin, daß Nicole möglicherweise mit allen Dingen zu ihm kommen und sie ihm als köstliche Opfergaben, als Zeichen ihrer Anbetung zu Füßen legen könnte.

      In der ersten Sommerwoche hatte sich Dick wieder in Zürich eingerichtet. Er hatte seine Broschüren und was er während seiner Dienstzeit geschrieben hatte, so zusammengestellt, daß es ihm bei seiner Durchsicht von »Eine Psychologie für Psychiater« als Vorlage dienen konnte. Er hatte bereits einen Verleger dafür und stand in Beziehung zu einem armen Studenten, der seine deutschen Sprachfehler ausmerzen wollte. Franz hielt die Sache für übereilt, aber Dick wies auf die entwaffnende Anspruchslosigkeit des Themas hin.

      »Das ist ein Stoff, den ich nie wieder so gut beherrschen werde«, beharrte er. »Ich habe so eine Ahnung, als sei dies ein Thema, das nur darum nicht grundlegend ist, weil ihm niemals wesentliche Anerkennung zuteil wurde. Die Schwäche dieses Berufs liegt in seiner Anziehungskraft für den etwas bresthaften und schwächlichen Menschen. Innerhalb der Grenzen des Berufs findet er eine Entschädigung darin, daß er sich dem Klinischen, dem Praktischen zuwendet – er hat seine Schlacht kampflos gewonnen. Du hingegen bist ein tüchtiger Mann, Franz, weil das Schicksal dich, bevor du geboren wurdest, für deinen Beruf bestimmt hat. Du kannst Gott danken, daß du keine ›Anfechtung‹ gehabt hast. Ich bin Psychiater geworden, weil in St. Hilda in Oxford ein Mädchen war, das dieselben Vorlesungen hörte wie ich. Vielleicht klingt es banal, aber ich will nicht, daß mir meine gegenwärtigen Gedanken von ein paar Dutzend Glas Bier weggeschwemmt werden.«

      »Schon richtig«, versetzte Franz. »Du bist Amerikaner. Du kannst so etwas ohne berufliche Schädigung tun. Ich mag diese Verallgemeinerungen nicht. Bald wirst du kleine Bücher schreiben, betitelt ›Tiefe Gedanken für den Laien‹, die alles so vereinfachen, daß sie garantiert keinerlei Nachdenken verursachen. Wenn mein Vater noch am Leben wäre, Dick, würde er dich ansehen und brummen. Er würde seine Serviette so zusammenfalten und seinen Serviettenring hochhalten, diesen hier«, – er hielt ihn hoch, ein Wildschweinkopf war in das braune Holz geschnitzt, – »und er würde sagen: ›Also, meiner Ansicht nach‹ – dann würde er dich ansehen und denken: ›Was hat es für einen Zweck?‹, würde abbrechen und wieder brummen, und dann wären wir beim Ende des Essens angelangt.«

      »Heute bin ich allein«, sagte Dick gereizt. »Vielleicht bin ich es morgen nicht mehr. Und dann werde ich meine Serviette so zusammenfalten wie dein Vater – und brummen.«

      Franz wartete einen Moment.

      »Was macht unsere Patientin?« fragte er dann.

      »Ich weiß nicht.«

      »Na, allmählich solltest du über sie Bescheid wissen.«

      »Ich habe sie gern. Sie ist anziehend. Was willst du, daß ich mit ihr anfange – Edelweiß suchen gehen?«

      »Nein. Da du dich auf wissenschaftliche Bücher legst, dachte ich, daß dir vielleicht ein Gedanke kommen würde.«

      »– ihr mein Leben weihen?«

      »Du lieber Gott!« Er rief seiner Frau in der Küche zu: »Bitte, bring Dick noch ein Glas Bier.«

      »Ich

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