Vater Goriot. Honore de Balzac

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Vater Goriot - Honore de Balzac

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style="font-size:15px;">      »Wenn ich hier gewesen wäre,« sagte Vautrin zu ihr, »so wäre Ihnen das Unglück nicht zugestoßen. Ich hätte Ihnen die Schurkin schon entlarvt. Ich verstehe mich auf solche Fratzen.«

      Wie alle beschränkten Geister hatte Frau Vauquer die Gewohnheit, aus dem engen Kreise der Ereignisse nicht herauszutreten und nicht nach ihren Ursachen zu forschen. Sie liebte es, für ihre eigenen Fehler andere verantwortlich zu machen. Als dieser Verlust sie traf, betrachtete sie den biederen Nudelfabrikanten als die Ursache ihres Unglücks und begann von da an, wie sie sagte, sich an ihm ›schadlos zu halten‹. Als sie die Nutzlosigkeit ihrer Verführungskünste und Putzsucht eingesehen hatte, zögerte sie nicht, einen Grund für die Zurückhaltung des Alten aufzustellen. Sie sagte sich also, daß ihr Pensionär wahrscheinlich schon ›seine Schliche‹ habe. Sie gewann die Überzeugung, daß ihre so zärtlich genährten Hoffnungen nichts als Luftschlösser waren und daß sie, wie die Gräfin, die ihr nun wie eine Kennerin schien, so richtig gesagt hatte, ›aus dem Manne da niemals etwas herausholen würde‹. Naturgemäß ging sie in ihrer Abneigung weiter, als sie in ihrer Freundschaft gegangen war. Ihr Haß entsprang nicht enttäuschter Liebe, sondern enttäuschter Erwartung. Wenn das menschliche Herz Ruhe findet, sobald es den Gipfel der Zuneigung erklommen hat, so hält es doch selten im steilen Abstieg des Hasses inne. Aber Herr Goriot war ihr Pensionär; die Witwe sah sich also genötigt, die Ausbrüche verwundeter Eigenliebe zu ersticken, die Seufzer der Enttäuschung zurückzuhalten und ihre Rachegefühle zu bezähmen, wie ein Mönch, den sein Prior geärgert hat. Kleine Geister befriedigen ihre Gefühle, seien sie gut oder schlecht, durch endlose Kleinlichkeiten. Die Witwe entfaltete die ganze Bosheit ihrer Frauenseele, um gegen ihr Opfer geheime Ränke zu spinnen. Sie begann damit, den in letzter Zeit eingeführten Überfluß in der Beköstigung der Pensionäre wieder abzuschaffen.

      »Keine Gurken mehr, keine Sardellen; das sind Dummheiten«, sagte sie zu Sylvia an dem Morgen, da sie ihr ehemaliges Programm wieder aufnahm.

      Herr Goriot war ein einfacher Mann, dem die Sparsamkeit eines Menschen, der sich mühsam hatte emporarbeiten müssen, zur Gewohnheit geworden war. Suppe, gekochtes Fleisch und Gemüse, mehr beanspruchte er nicht. Es war also für Frau Vauquer nicht leicht, ihren Pensionär zu quälen, da sie ihm mit ihrem vereinfachten Küchenzettel nichts anhaben konnte. Sie beschloß daher, ihm auf andere Weise zu schaden: sie behandelte ihn verächtlich und suchte ihn in den Augen seiner Mitpensionäre herabzusetzen, sie verstand es, eine allgemeine Abneigung gegen Goriot zu erwecken und sich auf diesem Umweg an ihm zu rächen. Gegen Ende des ersten Jahres war das Mißtrauen der Witwe so groß geworden, daß sie sich fragte, weshalb der Kaufmann, der sieben- bis achttausend Franken Rente, einen kostbaren Silberschatz und Schmuck und Wertsachen besaß wie eine Buhlerin, sich bei ihr eingemietet habe und ihr nur ein zu seinem Vermögen in gar keinem Verhältnis stehendes bescheidenes Pensionsgeld bezahle. Während des größten Teiles dieses ersten Jahres hatte Goriot häufig ein- oder zweimal wöchentlich außerhalb gespeist; dann war es allmählich dahin gekommen, daß er höchstens zweimal im Monat in der Stadt speiste. Die kleinen Vergnügungsfahrten Goriots waren für Frau Vauquer viel zu einträglich, als daß sie nicht über die zunehmende Regelmäßigkeit, mit der ihr Pensionär die Mahlzeiten im Hause einnahm, unzufrieden gewesen wäre. Sie schrieb diese Veränderung sowohl einer langsamen Abnahme seines Vermögens als auch seiner Absicht zu, seine Wirtin zu ärgern. Eine der widerlichsten Eigenschaften der kleinen Seelen ist es, ihre eigene Kleinlichkeit bei den anderen vorauszusetzen. Unglücklicherweise rechtfertigte Goriot gegen Ende des zweiten Jahres die Verdächtigungen, die man über ihn äußerte, indem er Frau Vauquer ersuchte, seine Wohnung in den zweiten Stock zu verlegen und seine Pension auf neunhundert Franken herabzusetzen. Er mußte sogar so sparsam sein, sich während des Winters die Heizung zu versagen. Die Witwe Vauquer wünschte Vorauszahlung, womit Herr Goriot, den sie von nun an ›Vater Goriot‹ nannte, einverstanden war. Wo lag nun die Ursache dieses Niederganges? Das war schwer herauszubekommen; denn wie die falsche Gräfin gesagt hatte, so war es: Vater Goriot war ein Duckmäuser, ein Schweiger. Nach der Logik der Hohlköpfe, die alle Schwätzer sind, weil sie nichts zu sagen haben, müssen alle, die nicht von ihren Geschäften sprechen, schlechte Geschäfte machen. Der früher so geschätzte Kaufmann wurde also ein Schurke, der ›galante Geck‹ ein alter Narr. Bald galt Vater Goriot nach Vautrins Ansicht, der sich zu jener Zeit im Hause Vauquer einmietete, als ein Mann, der an der Börse spekulierte. Bald hieß es, er sei ein Spieler, einer von den kleinen, die am Abend nicht mehr als zehn Franken verlieren oder gewinnen. Bald machte man ihn zu einem Polizeispion; aber Vautrin behauptete, daß er dazu nicht schlau genug sei. Auch für einen Wucherer hielt man den Vater Goriot und sagte, er leihe kleine Summen für hohe Zinsen aus, und ganz gewiß gehöre er zu jenen Leuten, die ihr Leben lang auf eine Lotterienummer setzen. Man traute ihm jede Schwäche und jedes Laster zu. Dennoch, wie empörend man sein Betragen und seine Lasterhaftigkeit auch fand, ging die Abneigung gegen ihn nicht so weit, ihn zu verbannen; er bezahlte ja immerhin seine Pension. Und dann war er ja auch dazu brauchbar, daß jeder seine gute oder schlechte Laune an ihm auslassen konnte, sei es durch leichten Witz oder bissigen Spott. Die einzig richtige Ansicht über ihn schien Frau Vauquer sich gebildet zu haben, und die wurde dann auch allgemein angenommen. Wenn man sie hörte, so war dieser wohlerhaltene und gesunde Mann – ›gesund wie mein Auge, ein Mann, an dem man noch viel Freude haben könnte‹ – ein lockerer Vogel, der gar seltsame Neigungen hatte. Auf welche Tatsachen stützte die Witwe Vauquer ihre Verleumdungen? Einige Monate nach dem Weggang jener niederträchtigen Gräfin, die sechs Monate auf ihre Kosten gelebt hatte, hörte sie eines Morgens vor dem Aufstehen das Rascheln eines Seidenkleides und den zierlichen Schritt einer jungen und zarten Frau, die zu Goriot hineinschlüpfte, dessen Tür sich verständnisvoll geöffnet hatte. Gleich darauf kam die dicke Sylvia, um ihrer Herrin zu melden, daß ein Mädchen, viel zu hübsch, um anständig zu sein, und gekleidet wie eine Fee, mit entzückenden hellen Stiefelchen, die nicht den geringsten Schmutzfleck aufwiesen, wie ein Aal ins Haus und an die Küchentür geschlüpft sei und sich nach der Wohnung des Herrn Goriot erkundigt habe. Frau Vauquer und ihre Köchin verlegten sich aufs Horchen und fingen einige zärtlich betonte Worte auf. Der Besuch währte geraume Zeit. Als Herr Goriot ›seine Dame‹ hinausgeleitete, nahm die dicke Sylvia sogleich ihren Korb und tat, als ginge sie zum Markt; sie folgte dem Liebespaar.

      »Frau Vauquer,« sagte sie nach ihrer Rückkehr, »Herr Goriot muß verteufelt reich sein, um sie so auszustatten. Stellen Sie sich vor, daß an der Ecke der Estrapade ein wundervoller Wagen hielt, in den sie eingestiegen ist.«

      Während des Essens zog Frau Vauquer an einem der Fenster einen Vorhang zu, um Goriot vor der Sonne zu schützen, die ihm gerade in die Augen schien.

      »Das Schöne liebt Sie, Herr Goriot, die Sonne geht Ihnen nach«, sagte sie mit Beziehung auf den Besuch, den er empfangen hatte. »Seht, seht! Sie haben einen guten Geschmack; sie war auffallend hübsch.« »Es war meine Tochter«, sagte er mit einem gewissen Stolz, – eine Äußerung, in der die Pensionäre nur ein greisenhaftes Bemühen, den Schein zu wahren, erblicken wollten.

      Einen Monat nach diesem Besuch erhielt Herr Goriot wieder einen. Seine Tochter, die das erste Mal im Straßenkleid gekommen war, kam diesmal nach Tisch in Besuchstoilette. Die Pensionäre, die plaudernd im Salon saßen, konnten in ihr eine zarte, anmutige Blondine bewundern, viel zu vornehm, Vater Goriots Tochter zu sein.

      »Da die zweite!« sagte die dicke Sylvia, die sie nicht wiedererkannte.

      Einige Tage danach fragte wieder ein anderes Mädchen, groß und schön gewachsen, mit braunem Teint, schwarzen Haaren und lebhaften Augen, nach Herrn Goriot.

      »Da die dritte!« sagte Sylvia.

      Diese zweite Tochter, die ihren Vater das erste Mal ebenso des Morgens besucht hatte, kam einige Tage später am Abend in Balltoilette und zu Wagen.

      »Da die vierte!« sagten Frau Vauquer und die dicke Sylvia, die in dieser strahlenden Dame keine Spur des einfach gekleideten Fräuleins wiedererkannten.

      Goriot bezahlte

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