Das Flüstern des Tornados. Sindy Sea Turtle

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Das Flüstern des Tornados - Sindy Sea Turtle

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als attraktiv. Aber Angst? Nein, Angst hatte sie nicht. Das konnte der Neue ruhig wissen. Deshalb zuckte sie betont lässig mit den Schultern und ging zum Gegenangriff über.

      „Wenn, dann bist ja wohl du die attraktivere Beute. An dir ist viel mehr dran. Da werde wohl eher ich dich beschützen müssen.“

      Das saß. Nathan war für einen aus dem B-Sektor tatsächlich sehr groß gewachsen und auch kräftig. Fast so, als hätte er als Kind das besonders nahrhafte Gesundheitsplus-Essen bekommen. Das konnte aber eigentlich nicht sein. Ihre verbale Attacke schien Nathan keinesfalls einzuschüchtern. Er war zwar kurz verblüfft, aber dann breitete sich wieder ein Grinsen auf seinem Gesicht aus.

      „So, du findest mich attraktiv? Na, danke für das Kompliment. Hab‘ ich mir gleich gedacht, dass wir uns gut verstehen.“

      Oh, das war also ein Test gewesen. Immerhin, sie hatte ihn bestanden. Aber komisch war die ganze Sache schon. So ungern sie es sich eingestand, Nathan hatte, verdammt nochmal, Recht. Was für ein seltsamer Zufall, dass sie ausgerechnet kurz vor dieser Hausarbeit Nathan als neuen Teampartner zugewiesen bekam. Während der beiden folgenden Engineering-Stunden grübelte Anna noch etwas über dieses seltsame Zusammentreffen von Patenschaft und Aufgabenstellung nach. Aber letztlich spielte es keine große Rolle. Sie würde mit oder ohne Nathan ihr Bestes geben und Bestnoten bekommen, so wie immer. Mit dieser Feststellung schob sie alle weiteren Gedanken beiseite und wandte sich wieder dem Unterricht zu. Ihre Unaufmerksamkeit war nicht weiter schlimm gewesen. Den Stoff, ein Vergleich der Energieausbeute von Fotovoltaik-Anlagen bei Smogstufe 8 mit den neuen, Tornado-resistenten Windkrafträdern, kannte sie schon zur Genüge. Er wurde nur zur Vorbereitung auf die Halbjahresprüfung wiederholt.

      Kapitel 3: Das Erbe

      Dass Anna mit Nathan wider Erwarten einen Hauptgewinn gezogen hatte, sahen auch die anderen so. Nicht jedem gefiel das. Als es zur Pause klingelte und alle nach draußen gingen, rempelte der bullige Lorenz Anna mit Absicht an.

      „Da hat unsere Elite-Prinzessin ja mal wieder verdammtes Glück gehabt. Oder ist das vielleicht gar kein Zufall?“, zischte er ihr zu.

      Anna tat so, als hätte sie die Bemerkung nicht gehört. Da Nathan direkt neben ihr herlief, hatte er jedes Wort mitbekommen und sprach sie direkt darauf an.

      „Was hat er damit gemeint, warum bist du eine Elite-Prinzessin? Ich dachte, mehr als Elite geht nicht.“

      „Ach, das ist nur so ein Familiending“, versuchte Anna das Ganze runterzuspielen.

      „Moment, dein Nachname ist doch Baum. Bist du etwa verwandt mit Marie Baum? Mit der Marie Baum?“

      Mist, Volltreffer. Dieser Nathan war nicht blöd. Aber es war ja auch nicht so schwer, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

      „Ja, das ist meine Großmutter.“

      „Ah, verstehe.“

      Eigentlich erwartete Anna jetzt das, was immer an dieser Stelle einsetzte: Ehrfürchtiges Staunen, gefolgt von Neid. Sie war die Enkelin einer der ersten Klima-Aktivistinnen Deutschlands. Einer Frau, die sich noch selbst an die Tore der Autokonzerne gekettet hatte, die die Partei des Wandels mitgegründet hatte und die nach dem Tipping-Point im Klima-Rat die Gesellschaftsreform mitgestaltet hatte. Jedes Kind kannte Ihren Namen. Denn ihre Großmutter gehörte zur ersten Generation der Klima-Elite. Sie hatte schon vor der großen Umstellung ein klimaneutrales Leben geführt – keine Flugreisen, kein Plastik, keine neue Kleidung, eine rein vegane Ernährung und Trinkwassernutzung ausschließlich zum Durststillen und nicht für so profane Dinge wie Körperhygiene, Wäsche waschen oder gar Toilettenspülungen. Für solche Bedürfnisse wurde ausschließlich gereinigtes Sekundärwasser verwendet. Annas Mutter, Marie Baums Tochter, hatte diese freiwillige Selbstbeschränkung gehasst. Denn diese Vorgaben – das Kosmetikverbot, die hässliche Ökokleidung und die eingeschränkte Mobilität ohne Auto – hatten Annas Mutter zur Außenseiterin gemacht. Jahrzehnte später jedoch sicherte Marie Baums Vorreiterrolle der ganzen Familie das privilegierte Leben im A-Sektor. Davon profitierte auch Anna, denn die Zuteilung des Wohnortes galt für alle folgenden Generationen. Das alles war natürlich lange vor Annas Geburt. Für sie war ihre Großmutter einfach nur ein großes, aber eben auch ein sehr fernes Vorbild gewesen. Während Marie Baums Tätigkeit im Klima-Rat hatte Anna ihre Oma öfter im Fernsehen gesehen als zu Hause. Erst nach ihrer aktiven Zeit war sie häufiger zu Besuch gekommen und hatte ihrer Enkelin spannende Geschichten aus ihrem Leben erzählt. Das hatte bei Anna natürlich den Wunsch geweckt, selbst auch eine Klima-Aktivistin zu werden.

      Normalerweise stellten alle sofort Fragen, wenn sie erfuhren, dass Anna eine so bekannte Großmutter hatte. Wie es denn gewesen sei, mit einer berühmten Oma aufzuwachsen und so weiter. Anna mochte das nicht. Es war ihr einfach unangenehm. Und sie hatte keine Lust, mit Fremden über ihre Großmutter zu sprechen. Zu kostbar waren die wenigen private Momente, die sie mit ihr erlebt hatte, bis sie vor drei Jahren gestorben war. Seltsamerweise schien Nathan das zu spüren. Er hakte nicht nach, sondern fragte stattdessen:

      „Das ist doch toll, warum zieht dich dieser Lorenz denn damit auf? Warum hasst er dich?“

      Ja, das war es: Hass. Bisher hatte Anna es sich nie so richtig eingestanden. Sie versuchte einfach, ihn komplett zu ignorieren. Dieser Idiot ließ keine Gelegenheit aus, sich über ihren schulischen Ehrgeiz lustig zu machen. Klar, er strebte ja auch kein Studium an, dafür war er viel zu tumb. Aber seine verbalen Attacken gingen eigentlich schon über das normale Maß hinaus. Und sie trafen Anna mitten ins Herz. Denn jedes Mal machte er spitze Bemerkungen über ihre Familie. Lorenz hasste sie wirklich.

      „Er ist einfach ziemlich doof. Er schafft es in der Schule nicht. Und er gehört eben nicht zur erblichen Elite.“

      „Erbliche Elite? Wow, ich wusste gar nicht, dass es das noch gibt. Okay, da kann schon mal Neid aufkommen. Aber eigentlich muss er sich doch keine Sorgen machen. Er hat ja ziemlich viele Muskeln. Da will er wohl zur Schutztruppe.“

      Nathan hatte es sofort erfasst. Genau das war der Plan, um sich einen lebenslangen Aufenthalt im A-Sektor zu sichern. Lorenz würde der Familientradition folgen und wie sein Vater und seine Mutter zur Sektoren-Schutztruppe gehen. Das erforderte eigentlich nur eins: Körperliche Fitness. Die schulischen Leistungen mussten nur halbwegs okay sein, was zählte, waren Bestnoten im Sportunterricht. Damit konnte sich jeder lebenslang für die Arbeit bei der Schutztruppe verpflichten. Mit Schutzanzug, Atemmaske und schwerer Bewaffnung sorgten die Truppler dafür, dass der Verhaltenskodex im B- und C-Sektor durchgesetzt wurde. Diese Jobs waren A-lern vorbehalten. Nicht, weil die allermeisten B-ler die harten Eignungstests nicht bestehen würden. Vielmehr hatte sich in der Vergangenheit gezeigt, dass B-ler die Gesetze nicht konsequent genug angewandt hatten. Freunde, Kinder, Alte – die Schutzwächter aus dem B-Sektor machten zu viele Ausnahmen, Ausnahmen, die nicht erlaubt waren. Solche Interessenkonflikte kannten A-lern nicht. Und Anna war sich sicher, dass Lorenz auch nie in Versuchung geraten würde, aus Mitleid etwas Unerlaubtes zu tun. Die Sektoren-Schutztruppe war ein Sammelbecken für alle A-ler, die keine Klima-relevanten Jobs ergattern konnten. Einige, wie die Eltern von Lorenz, waren aber auch aus Überzeugung dabei. Einen Nachteil gab es allerdings: Trotz der guten Ausrüstung wurden viele Schutzkräfte nicht alt. Zu oft waren sie schädlichen Umwelteinflüssen im B- und vor allem im C-Sektor ausgesetzt. Aber wer es schaffte, sechzig zu werden, durfte den Rest seiner Dienstzeit im A-Sektor verbringen, um einfache Polizeiarbeit zu verrichten. Anna kannte Schutzkräfte eigentlich nur als nette ältere Herren, die darauf achteten, dass kleine Kinder ihre Atemmasken richtig aufsetzten und mit den dazugehörigen Müttern über die neuesten Filtertechniken plauderten. So einer würde Lorenz hoffentlich nie werden.

      Sie nickte Nathan zu und meinte

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