Düstere Märchen. Andrea Appelfelder
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Gret lachte nur noch mitfühlender, streifte sich durch sein ebenfalls blondes, etwas längeres Haar und setzte sich zu ihm auf den Rasen. „Ach Hensel, wenn sie schon so schnell miteinander leben wollen, ist es glaube ich Liebe. Du kennst das nicht, weil es hier niemanden in deinem Alter gibt. Aber hab keine Angst. Ich bin sicher, dass sie dich auch schon bald lieben wird, wenn sie dich nur besser kennt. Du bist einfach nur liebenswert, schließlich habe ich mich auch in dich verliebt.“
Hensel blickte den jungen Mann, der Mitte zwanzig war und ein wohlgeformtes Gesicht besaß, schüchtern und durchdringend an, hinterfragte aber nichts. „Vielleicht hast du recht, aber ich bin froh, dass du an meiner Seite bist und dass ich immer auf dich bauen kann.“
Nach einer kurzen Pause fand Hensel, der mit seinen fast achtzehn Jahren noch sehr jungenhafte Züge an sich hatte, seine Stimme wieder: „Darf ich dich etwas Persönliches fragen?“
Der 1.80 m große Mann blickte auf seinen zehn Zentimeter kleineren Freund. „Da ich schon seit so vielen Jahre hier bin, musst du mich doch nicht mehr fragen. Sag es einfach frei heraus.“
Hensel blickte wieder in den Himmel. „Wieso haben deine Eltern dir den Namen Gretel gegeben obwohl du doch ein Junge bist? Außerdem sagtest du doch einmal, dass deine Eltern und älteren Brüder alle Jäger seien, also warum bist du dann als Studierender und dann Hausvorstand hierhergekommen statt ihnen nachzueifern? Bitte versteh mich jetzt nicht falsch, ich bin nur neugierig. Ich habe dich nämlich sehr gern und wünsche mir, dass du für immer hier bleibst bei mir.....äh uns.“
Gret blickte nun auch in den mittlerweile wolkenverhangenen Himmel. „Keine Angst, ich verstehe dich nicht falsch. Der Grund, warum ich nicht zu einem Jäger geworden bin, liegt wohl daran, dass ich durch meine sieben älteren Brüder und meine Eltern bereits mitbekommen habe, dass dieser Job nicht mein Fall ist. Meine Familie begann zwar in den ersten siebzehn Jahren meines Lebens, mich auf diese Arbeit vorzubereiten und mich auszubilden, aber tatsächlich warf ich traumatisiert alles hin, nachdem eine unserer Jagden schiefgegangen ist.
Meine Eltern waren damals sehr enttäuscht als ich meinen eigenen Weg außerhalb der Gemeinschaft wählte, aber mittlerweile haben sie es akzeptiert und freuen sich, dass ich bei euch glücklich bin.“
Gret wirkte bedrückt, zeigte aber sofort wieder durch ein breites Lächeln, dass er mit seinem Leben zufrieden war. „Wie ich dann hierher gekommen bin, weißt du ja. Ich habe dich, als du neun warst, im Wald gefunden, als du dich völlig verlaufen hattest. Damals war ich auch siebzehn, so wie du heute, und irgendwie genauso verloren wie du. Ich war unterwegs um nach einer neuen Berufung zu suchen, nachdem ich damals von zu Hause weggegangen war. Ich habe dich dann nach Hause gebracht und da wir uns so gut verstanden und dein Vater den Haushalt, neben Arbeit und Kind nicht mehr alleine hinbekommen hatte, nach dem frühen Tod seiner Frau und da er alle Dienstboten gefeuert hatte, fragte er mich ob ich nicht dableiben wollte um euch etwas zu helfen und so war das dann auch.“
Einige beschämte, schweigende Minuten später begann er dann endlich weiter zu berichten wie er zu seinem ungewöhnlichen Namen gekommen war. „Zu meinen Namen bin ich gekommen, weil ich nur ältere Brüder habe und meine Mutter sich sehr sicher war, dass ihr letztes Kind ein Mädchen werden würde. Als dem dann nicht so war, war nur ein Mädchenname für mich ausgesucht. Meine Eltern fanden es damals wohl sehr lustig mich dann so zu nennen. Naja, ich habe mich daran gewöhnt und mit dem Rufnamen Gret bin ich doch auch irgendwie ganz glücklich.“
Der Zuhörer saß mit einem leichten Kichern neben ihm und merkte an: „Das haben sie gemacht um dich zu ärgern? Das ist voll gemein.“
Gretel erhob sich. „Naja, das glaube ich irgendwie nicht. Sie waren damals einfach nur enttäuscht, dass ihnen das ersehnte Mädchen nicht beschert wurde. Aber jetzt komm. Es ist schon spät. Lass uns hineingehen und uns etwas Schickeres anziehen, damit wir einen guten Eindruck machen. Ich bin ohnehin schon sehr gespannt wie die Frau, für die dein Vater sein Klosterdasein aufgegeben hat, aussieht.“
Hensel erhob sich nun auch. „Ich bin froh, wenn Vater glücklich ist, aber ich wollte eigentlich nie, dass sich etwas ändert. Ich liebe es, dass nur wir drei...“ Der Blonde überlegte kurz und presste hervor: “...hier sind.“ Zu mehr war er in diesem Moment nicht mehr fähig. Er blickte zu Boden und verstummte.
Gret konnte ihm nur zustimmen. „Ganz ehrlich, ich bin auch deiner Meinung. Ich habe in der Zeit, in der nur wir eine … Familie... waren, nie etwas vermisst, ganz im Gegenteil.“
Die beiden jungen Männer waren in das herrschaftliche Anwesen zurückgekehrt und sie warteten nun umgezogen im grün bewachsenen Garten vor dem Schloss auf den Ehrengast.
Nach einigen Minuten der stummen Zweisamkeit, in der die Beiden sich abwechselnd ansahen ohne dass der jeweils Andere es sah, gesellte sich nun auch der Hausherr zu ihnen. Er reichte Gret freundschaftlich die Hand und umarmte seinen Sohn kurz aber herzlich. „Du brauchst keine Angst zu haben. Sie ist eine gute Frau. Du wirst nach so langer Zeit wieder einmal eine liebe Mutter haben und du Gret, du kannst mit deinen Studien intensiver fortfahren, da sie nun einiges deiner Arbeit übernehmen wird. Ich hoffe aber, dass du auch weiterhin bei uns bleibst und Hensel ein guter Freund bist.“
Gret nickte lächelnd: „Ich will nichts anderes als hierbleiben. Ich liebe euch genauso wie meine eigene Familie.“
Nun mischte sich auch Hensel ein. „Dann sind wir uns ja einig. Alles andere als das wäre auch falsch. Ich liebe Gret wie einen großen Bruder.“
Einen Augenblick später fuhren vier bespannte, düstere Kutschen mit je vier schwarzen Pferden vor. Die erste hielt an und ein schwarz gekleideter, junger Kutscher half einer jungen Dame, die um die dreißig sein musste, in einem feinen dunkelblauen Rüschenkleid, von der Kutsche herab.
Die Frau spannte einen dunklen Sonnenschirm auf, der ihr Schutz vor der kaum scheinenden Sonne bieten sollte, und schritt langsam auf die Wartenden zu.
Sie küsste ihren neuen Mann ganz selbstverständlich auf dem Mund und hinterließ eine rote Spur von ihren geschminkten Lippen auf den seinen und dieser umarmte sie wiederum innig.
Nach dieser herzlichen Begrüßung stellte er die beiden Männer, die an seiner Seite standen und sich eigentlich fehl am Platz fühlten, vor. „Das ist mein geliebter Sohn und Stammhalter Hensel und dieser junge Mann ist unserer Hausvorstand, beziehungsweise großartige Stütze, seit dem Tod meiner ersten Frau. Gret. Er ist ein Studierender der Volksgeschichte.“
Während der stolze Vater von einen auf den anderen wies, musterte die neue Frau beide von Kopf bis Fuß. „Ich dachte, nach deinen Erzählungen, dein Sohn wäre jünger. Ich habe ihn ja nur einmal gesehen, er ist doch eigentlich schon alt genug um das bequeme Leben im Haus seines Vaters aufzugeben. Vielleicht sollten wir ihn zum Militär schicken, dort werden immer Männer benötigt. Außerdem ist ein Angestellter, der noch einen Nebenerwerb hat etwas wenig, der schafft doch die ganze Arbeit gar nicht. Wir sollten...“
Hensels Vater sah seine Frau etwas ungläubig an: „Aber Schatz, mein Sohn ist erst siebzehn und mein ein und alles. Außerdem hat er seine schulische Ausbildung noch lange nicht beendet, schließlich soll er einmal mein Gewerbe leiten und sie für weitere Generationen erhalten. Außerdem ist er nicht an Töten und Krieg interessiert. Ich denke, selbst wenn er es wäre, ich würde