Lady Hamilton. Alexandre Dumas

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Lady Hamilton - Alexandre Dumas

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so erwartete ich ihn, denn ich war überzeugt, daß er sein Wort halten würde. Ich fühlte jedoch, daß die Nacht für das Geständnis, welches ich ihm abzulegen hatte, niemals dunkel genug sein würde, und deshalb löschte ich alle Lichter aus, selbst das Nachtlicht. Es verging ziemlich lange Zeit, während welcher meine Zofe und die andern Dienstleute sich zu Bett begaben. Ich hörte die Uhr eins, dann zwei schlagen, ohne daß es mir in der Ungeduld des Wartens und bei den vielen Gedanken, die mich beschäftigten, gelungen wäre, einzuschlafen. Es hatte eben halb drei geschlagen, als es mir war, als hörte ich das Geräusch eines sich behutsam bewegenden Trittes auf dem Fußboden, dann hörte ich wie die Tür des an mein Schlafzimmer stoßenden Toilettekabinetts sich leise öffnete, dann trat ein Augenblick Schweigen ein. Ich zweifelte nicht, daß es Sir John wäre, welcher wieder nach Hause käme. Er hatte den Schlüssel zu dem äußern Tor des Hotels, um zu jeder Stunde ins Haus gelangen zu können, und er überraschte mich auf diese Weise sehr oft. Einen Augenblick lang schien der Entschluß, den ich gefaßt, nahe daran, wieder in den Hintergrund zu treten; ich raffte jedoch alle meine Willenskraft und, wenn ich so sagen darf, meine ganze Redlichkeit zusammen. Endlich öffnete sich die Tür. Das Kabinett war ebenso finster wie mein Schlafzimmer. Er näherte sich daher tastend und durch meine Stimme geleitet, meinem Bett. Er schloß mich in seine Arme, ich drängte ihn aber sanft zurück, indem ich ihm sagte, ich hätte ihm ein Geständnis zu tun. Hierauf erzählte ich ihm alle meine Empfindungen vom vorigen Abend ebenso wie von den früheren, von dem Augenblick an, wo ich Sir Harry nennen gehört, bis zu dem, wo ich die Gewißheit erlangt, daß Sir Harry Featherson und mein junger Student aus dem Garten eine und dieselbe Person seien. Ich verhehlte ihm nichts von dem, was ich empfunden, als der falsche Romeo mich mit seinem Arme umschlungen, als sein Mund den meinigen berührt, als er mir endlich jenen Abschiedsgruß zugeworfen, der mir alle Fassung geraubt, und ich ging sogar so weit, ihm zu sagen, daß selbst in diesem Augenblicke, wo ich in seiner Nähe wäre, wo ich in seinen Armen, an seinem Herzen ruhte, Sir Harry es wäre, an den ich dächte und nach dem ich mich sehnte.

      Zu meinem großen Erstaunen ward dieses Geständnis durch einen Freudenschrei beantwortet. Der Mann, welchem ich dieses Geständnis getan, war nämlich nicht Sir John Payne, sondern Sir Harry Featherson. Ich erkannte ihn an diesem Rufe, an meinem in seinem Delirium tausendmal wiederholten Namen, an dieser Stimme, die mir bis in die Seele drang. Nach dem Geständnisse, welches ich getan, konnte für mich von Widerstand keine Rede mehr sein, und ich gab mich dem Schicksale hin, welches einmal über mich verhängt war. Mit zwei Worten erklärte Sir Harry mir die seltsame Verwechselung, welche dem Wunsche meines Herzens so wohl entsprach. Der Admiral hatte in dem Augenblicke, wo er mit dem Geschwader, welches er kommandierte, nach Amerika abging, meine Liebe zu Sir Harry und Sir Harrys Liebe zu mir recht wohl bemerkt. Man hat seine Fragen und meine Antworten gesehen. Ohne Zweifel hat er sich überzeugen wollen, daß ich ihm die Wahrheit gesagt. Er hatte, als er das Gewächshaus verlassen, Sir Harry beim Arm genommen, ihn mit in seinen Wagen steigen lassen und die Frage sofort mit den Worten zur Sprache gebracht: »Sie lieben Emma, und Emma liebt Sie?« Sir Harry hatte ihm hierauf mit derselben Einfachheit wie ich alles gesagt. Sir John hatte einen Augenblick nachgedacht, dann Harrys Hand ergriffen, ihm einen Schlüssel hineingedrückt und dabei bloß die vier Worte gesagt: »Machen Sie sie glücklich.« Dann hatte er ihn umarmt und Abschied von ihm genommen. Dieser Schlüssel, den er ihm gegeben, war der zu dem kleinen Hause in Piccadilly. In dem Augenblicke, wo Sir Harry mir diese Geschichte erzählte, war der Admiral bereits in See gegangen und steuerte mit vollen Segeln nach Amerika.

      18. Kapitel.

      So verfügte das Schicksal abermals über mich, ohne mir zwischen dem Guten oder dem Schlimmen freie Wahl zu lassen. Das Haus, welches ich bewohnte, war von Sir John Payne in meinem Namen auf ein Jahr gemietet. Alles, was es enthielt, war deshalb mein, dennoch aber widerstrebte es mir, diese Gemächer, wo mich alles an Sir John Payne erinnerte, mit einem anderen Manne zu bewohnen. Ich verlor keine Zeit, dies Sir Harry zu sagen, Er sah es ebenso ein als ich, und am nächsten Tage übergab ich, indem ich bloß den Türkis, welchen der Admiral am ersten Tage, wo ich ihn gesehen, mir an den Finger gesteckt und die wenigen Guineen, die sich noch in meiner Börse vorfanden, mitnahm, die Schlüssel des Hauses Sir Johns Intendanten und ging mit Sir Harry in die Wohnung, welche dieser in Brook Street an der Ecke von Grosvenor Square inne hatte. Sir Harry war kaum dreiundzwanzig Jahre alt. Er war deshalb von dem ganzen Feuer der Jugend beseelt, und da er keine der Rücksichten zu nehmen hatte, welche dem Admirale Sir John Payne durch seine offizielle Stellung geboten wurden, so riß er mich mit sich in den heitern, glänzenden Strudel hinein, welchem er in seiner Eigenschaft als reicher, eleganter Gentleman angehörte. Das Leben, welches Sir John Payne mit mir nur in Paris führen konnte, weil er in Paris volle Freiheit genoß, führte Sir Harry in London.

      Bis jetzt hatte er, da er niemanden hatte, der die Honneurs seines Hauses gemacht hätte, keine Gesellschaften empfangen, sobald ich jedoch bei ihm war, versammelte er seine Freunde dreimal wöchentlich. Man legte an diesen Abenden Bank und verlor oder gewann ungeheure Summen. Ich lernte dadurch Geschmack am Spiele finden, eine verderbliche Gewohnheit, von der ich mich niemals wieder vollständig freimachen konnte.

      Der Frühling kam und mit ihm die Wettrennen. Das in Epsom war damals noch etwas Neues und folglich in großer Aufnahme. Ich brauchte Sir Harry nicht erst zu bitten, mich hinzuführen, denn jede Gelegenheit, Ausgaben zu machen, war ihm willkommen. Er kaufte einen Wagen und prachtvolle Pferde und an dem bestimmten Tage machten mir uns mitten in dem fürchterlichen Tumult, welcher sich bei dergleichen Gelegenheiten entwickelt, auf den Weg zum Wettrennen.

      Ich werde nicht versuchen das Schauspiel zu schildern, welches zweimalhunderttausend Menschen darbieten, die von allen Gattungen Wagen, Chaisen, Landaus, Kaleschen, Phaëtons usw. nach dem betreffenden Schauplatz befördert wurden. Wer es gesehen hat, bedarf einer solchen Schilderung nicht, denn hätte er es auch nur einmal gesehen, so wird doch dieser Anblick ewig in seiner Erinnerung bleiben, und denen die es nicht gesehen haben, würde doch eine selbst noch so ausführliche Beschreibung kein angemessenes Bild davon gewähren. Die Eleganz seiner Equipage, die Livree seiner Diener und sein Name verschafften Harry, sobald er sich nannte, einen Platz in den ersten reservierten Reihen. Wir kamen hier zufällig neben eine Equipage, die nicht weniger elegant war als die unsrige. Zwei Damen nahmen die Hintersitze dieses Wagens ein oder sie standen vielmehr, wie dies bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich ist, darauf und bedienten sich des niedergeschlagenen Verdecks zum Sitzen. Ich warf die Augen auf sie und zuckte zusammen. Es waren zwei Pensionärinnen aus Mistreß Colmans Institut, welche mich zweimal beleidigt hatten, einmal auf dem Pachthofe, wo sie Milch essen wollten, und das zweitemal auf der Wiese, wo ich Mr. Thomas Hawardens Kinder spazieren führte.

      Die Leser dieser Memoiren werden jedenfalls die Namen dieser beiden Personen längst vergessen haben, ich jedoch erinnerte mich derselben sofort. Die eine war Clarisse Dandy, die andere Clara Sutton.

      Ein sehr eleganter Gentleman, der ohne Zweifel der Gatte der einen oder der anderen dieser Damen war, stand auf dem Kutschbock. In demselben Augenblicke, wo ich sie erkannte, erkannten sie mich ebenfalls und nachdem sie eine Weile mich angesehen und miteinander geflüstert, stieg Clara Sutton auf den Vordersitz und sagte dem Herrn einige Worte ins Ohr. Der Herr drehte sich nach mir herum, sah mich aufmerksam an und befahl dann seinem Kutscher, diese Wagenreihe zu verlassen und anderswo Halt zu machen. Der Kutscher gehorchte sofort und der Wagen entfernte sich, so daß ein leerer Raum entstand. Sir Harry hatte von dem, was soeben geschehen, nichts gesehen, weil er aufmerksam nach den Rennpferden ausschaute. Als er sich nach mir herumdrehte, sah er, daß mir große Tränen über die Wangen herabrollten. Es war dies seit langer Zeit das erstemal, daß ich weinte. Ich hatte es beinahe verlernt. Dieser Schimpf lehrte mich es wieder.

      Sir Harry liebte mich wahrhaft und aufrichtig. Mit großer Beharrlichkeit fragte er, was die Ursache meines Kummers sei. Ich verhehlte ihm denselben so lange ich konnte, endlich aber gab ich seinen Bitten nach und zeigte ihm den leeren Raum.

      Er verstand nicht sogleich, was ich damit sagen wollte, und ich mußte ihm daher das Geschehene näher auseinandersetzen.

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