Lady Hamilton. Alexandre Dumas

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Lady Hamilton - Alexandre Dumas

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da sie mich erkannt und ohne Zweifel gewußt, mit welchem Rechte ich mich in Sir Harrys Wagen befände, sich geschämt, in meiner Nachbarschaft zu bleiben. »Das ist nicht möglich!« rief Sir Harry erbleichend. – »Ach,« entgegnete ich, »leider ist es nur allzu wahr.« – »Das werden wir sogleich sehen,« sagte er. Mit diesen Worten setzte er sich auf den Kutschbock, nahm dem Kutscher die Zügel ab und fuhr unsern Wagen wieder dicht neben den, in welchem sich die beiden Damen befanden. Kaum aber hatten wir diesen Platz eingenommen, als auf Befehl des Gentleman, welcher diese Damen begleitete, ihr Wagen sich abermals in Bewegung setzte und wieder den Platz wechselte.

      Sir Harry ward leichenblaß. Er zog sein Notizenbuch aus der Tasche, riß ein Blatt heraus, schrieb auf dasselbe einige Worte mit Bleistift, rief einen seiner Diener und sagte: »An Mylord Camberwell.« Ich ahnte, daß diese mit Bleistift geschriebenen wenigen Worte nichts anderes als eine Herausforderung seien, und ich bat Sir Harry, das Blatt nicht abzusenden. »Liebe Emma,« sagte er zu mir, »haben Sie die Güte, sich nicht in diese Angelegenheit zu mischen. Nicht Sie hat man beleidigt, sondern mich.« Er sprach diese Worte in so festem Tone, daß ich einsah, es würde vergeblich sein, auf meinem Verlangen zu beharren.

      Fünf Minuten später brachte der Diener die Antwort. »Sehr schön,« sagte Harry, nachdem er gelesen. Dann steckte er das Blatt in die Westentasche. Ich bat ihn, das Wettrennen zu verlassen und mich nach London zurückzubringen. »Nach den ersten drei Rennen soll es geschehen, liebe Emma,« entgegnete er. »Ich habe mit Lord Greenville um zweitausend Guineen gewettet und will wissen, ob ich verloren oder gewonnen habe.« Ich ahnte, daß dies nicht der eigentliche Grund von Sir Harrys Weigerung sei. Als das erste Rennen beendet war, ging er allerdings nach der Rennbahn; dies tat er aber bloß, um zwei seiner Freunde, von welchen der eine Sir George war, beiseite zu nehmen. Er sprach eine Weile mit ihnen, dann kehrte er mit lächelndem, obschon immer noch ein wenig bleichem Gesicht zu mir zurück und sagte:

      »Nun, das erste Rennen habe ich gewonnen. Sie bringen mir Glück, liebe Emma.« Mit diesen Worten nahm er seinen Platz neben mir wieder ein. Beim zweiten Rennen verlor er, gewann aber beim dritten wieder, und dies war der Hauptgewinn. Zwischen dem zweiten und dritten Rennen hatten seine Freunde sich ihm genähert, um mit ihm zu sprechen. Er hatte rasch einige Worte mit ihnen gewechselt und damit war alles gesagt. Als das dritte Rennen vorüber war, befahl Sir Harry seinem Kutscher, uns nach London zurückzufahren.

      Bei der zu diesem Zwecke erforderlichen Bewegung kreuzte Sir Harrys Wagen sich mit dem des Lord Camberwell, und die beiden Herren begrüßten einander mit der ausgesuchtesten Höflichkeit und mit lächelndem Munde. Bangen Herzens kehrte ich nach London zurück. Am Abend fanden sich Sir Harrys beide Sekundanten bei ihm ein. Die drei Herren begaben sich in ein Zimmer und hatten bei verschlossenen Türen eine Konferenz, welche beinahe eine Stunde dauerte. Als sie fort waren, wollte ich etwas Näheres wissen, Sir Harry aber weigerte sich, mir irgendwelche Aufklärung zu geben. Gegen neun Uhr abends schickte ihm Lord Greenville den Betrag der verlorenen Wette – zweitausend Guineen, wie Sir Harry mir gesagt hatte. »Hier,« sagte er zu mir, »ich habe in Ihrem Namen gewettet und diese Summe gehört daher Ihnen.« Und er warf das Geld in das Schubfach meiner Toilette. Ich achtete kaum auf das, was Sir Harry zu mir sagte, so sehr waren meine Gedanken mit dem Vorfalle in bezug auf Lord Camberwell beschäftigt. Ein Uhr morgens zog Sir Harry sich in sein Zimmer zurück, indem er mich in dem meinigen ließ. Ich sah ein, daß er der Einsamkeit und des Schlafes bedurfte, da er den nächstfolgenden Tag eine Ehrensache auszumachen hatte.

      Was mich betraf, so machte ich mich darauf gefaßt, die ganze Nacht kein Auge zuzutun. Sir Harry hatte die Verbindungstür, welche unsere beiden Zimmer trennte, verschlossen. Ich stand auf und lugte durch das Schlüsselloch. Er saß an seinem Sekretär und schrieb. Er war ein wenig bleich, schien aber vollkommen ruhig zu sein. Ich legte mich wieder zu Bett. Ich hörte der Reihe nach alle Stunden der Nacht schlagen. Gegen sechs Uhr morgens schloß ich, von der Müdigkeit überwältigt, die Augen und schlief wider Willen ein. Als ich wieder erwachte, war es heller Tag. Ich hatte zwar unruhig, aber doch drei Stunden lang geschlafen. Ich sprang aus dem Bett und öffnete die Tür von Sir Harrys Zimmer. Dieses Zimmer war leer. Ich warf ein Negligé über, klingelte dem Diener und befragte ihn. Sein Herr hatte am Abend vorher befohlen, daß der Wagen früh dreiviertel auf Sieben angespannt sein solle. Schlag sieben Uhr hatten Sir Harrys Sekundanten ihn abgeholt und alle drei waren dann zusammen fortgefahren. Es stand nicht zu bezweifeln – Sir Harry war fort, um sich zu schlagen.

      Über zwei Stunden lang war ich eine Beute der furchtbarsten Angst und Unruhe. Gegen elf Uhr hörte ich endlich das Geräusch eines in den Hof hereinrollenden Wagens. Ich eilte an das Fenster und sah Sir Harry mit seinen Freunden aussteigen. Ich stieß einen Freudenschrei aus und eilte nach der Treppe. Sir Harry hatte sich auf Pistolen geschlagen, sein Gegner hatte eine Kugel in den Schenkel bekommen; er selbst war unversehrt geblieben. Dieses Duell machte in der eleganten Welt von London großes Aufsehen. Natürlich stellte man die Sache in dem Lichte dar, welches mir am ungünstigsten war. Man behauptete, ich hätte Sir Harry erst aufgefordert, dem Wagen, der sich von uns entfernt, nachzufahren, während ich doch im Gegenteil in der Überzeugung, daß ich abermals beleidigt werden würde, alles mögliche getan, um Sir Harry abzuhalten, unsern ersten Platz zu verlassen. Während der ganzen Zeit, welche Lord Camberwells Wiederherstellung in Anspruch nahm, schickte Sir Harry jeden Tag zu ihm, und ließ sich nach seinem Befinden erkundigen.

      Der Sommer nahte heran. Sir Harry besaß ein prächtiges Landgut in Up-Park in der Grafschaft Sussex. Dorthin fühlte er mich nun und gewährte mir alle Rechte einer Frau vom Hause. Der usurpierte Titel Mylady, welchen mir Sir Harrys Freunde, die Tischgenossen seines Schlosses und die Schmarotzer seines Reichtums gaben, genügte meiner Eigenliebe, so lange wir unter uns blieben. Sobald wir aber einmal die Mauern der prachtvollen Villa im Rücken hatten, war Mylady Featherson weiter nichts als die Abenteurerin Emma Lyonna, das heißt eine »Unterhaltene«, die vielleicht ein wenig schöner war als die andern, keinesfalls aber achtbarer als diese. Die Folge hiervon war von seiten unserer in gesetzlichen Verhältnissen lebenden Nachbarn eine Kundgebung von Verachtung, welche bei jeder Gelegenheit zu Tage trat und mich im tiefsten Herzen verwundete. Allerdings, über den kleinen Hof, welchen Sir Harry mir bereitet, herrschte ich als Königin, ich war Königin der Wettrennen, der Feste und der Jagden. Während der drei oder vier Monate, welche wir in Up-Park verbrachten, lernte ich reiten und erlangte hierin einen hohen Grad von Eleganz und Sicherheit. Abends fuhr ich fort Szenen aus Dramen vorzuführen und durch plastische Attitüden die berühmtesten Frauen des Altertums nachzuahmen. Mit Hilfe der außerordentlichen Beweglichkeit meiner Züge und der prachtvollen Kostüms, die ich nach den besten Zeichnungen, welche man von jenen berühmten Persönlichkeiten auftreiben konnte, fertigen ließ, gelang es mir, eine genaue Vorstellung von denselben zu geben, und oft hatte ich nicht einmal nötig zu sagen, wer die Heldin aus der griechischen, jüdischen oder römischen Geschichte, die ich vorstellen wollte, war, denn die Zuschauer errieten es sofort von selbst.

      Es möchte schwierig sein, zu sagen, auf welche Summe sich die täglichen Ausgaben für diese königliche Villegiatur beliefen. Zwei- oder dreimal reiste Sir Harry selbst nach London, um das zur Fortführung dieses Luxus notwendige Geld zu holen. Der Intendant, welcher für die ersten Bedürfnisse gesorgt, hatte endlich geschrieben, daß, da Sir Harrys Einkünfte schon auf zwei Jahre im voraus erschöpft wären, es schwierig sein würde, eher wieder Geld aufzutreiben, als bis Sir Harry, nachdem er sein fünfundzwanzigstes Jahr zurückgelegt, die Verwaltung seines Vermögens selbst in die Hände bekäme, welches dann allerdings ein ungeheures sein würde. Gegen Ende des Monats Juli sah er sich in großer Geldverlegenheit, daß er, um nach London reisen und eines seiner gewohnten Anlehen dort aufnehmen zu können, sich wegen Bestreitung der Reisekosten an mich wendete. Seine Freunde, welche diesen unvermeidlichen Ruin schon von weitem kommen gesehen, waren einer nach dem andern verschwunden. Die beiden letzten reisten mit ihm zugleich nach London ab und versprachen mit ihm wiederzukommen. Ich allein, ich sah nichts, ich ahnte nichts, sondern glaubte, Sir Harrys Börse sei eben so unerschöpflich wie die des Fortunatus. Drei Tage wartete ich, ohne mich sonderlich zu beunruhigen. Noch zwei Tage vergingen, ohne daß Nachricht kam – erst am Morgen des sechsten, seitdem Sir Harry Up-Park verlassen, empfing ich einen

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