INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Eins. Eberhard Weidner

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INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Eins - Eberhard Weidner Inquisitor Michael Institoris 1

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es angesichts der vorherigen Kriegslust der Parteien vorstellbar war – wurden sämtliche Kampfhandlungen eingestellt, sodass der Krieg, der ansonsten sicherlich länger gedauert und bedeutend mehr Opfer gefordert hätte, noch vor Ablauf der ersten Hälfte des Jahres 1916 offiziell für beendet erklärt werden konnte. Den Kriegsparteien auf beiden Seiten der Front war noch rechtzeitig bewusst geworden, dass der gefährlichste Feind nicht länger jenseits der Landesgrenzen, sondern mitten unter ihnen im Herzen ihres eigenen Staatsgebietes lauerte.

      In einer Neuauflage der historischen Allianz aus kirchlicher und staatlicher Gewalt war man nicht nur bemüht, die frühere Bedeutung und Schlagkraft des Sanctum Officium wiederherzustellen, sondern angesichts der Bedrohungslage sogar noch beträchtlich auszuweiten. Diese nationalen Inquisitionsabteilungen erhielten Status und Befugnisse oberster staatlicher Behörden – vergleichbar mit einer Bundespolizei oder einem Geheimdienst – und wurden nach dem Vorbild der Heiligen Römischen Inquisition aufgebaut. Ihre Aufgabe beschränkte sich auf die Bekämpfung der Folgen der Luziferisierung. In großer Eile wurde sodann eine große Zahl an mehr oder minder geeignetem Personal rekrutiert und von päpstlichen Inquisitoren ausgebildet. Zur Leitung der jeweiligen Inquisitionsabteilungen wurden aus Rom frisch ernannte Kardinäle entsandt, die unmittelbar dem Papst unterstanden – ein weiterer Beweis, wie ernst der Vatikan die Bedrohung nahm.

      Während dieser Phase des Aufbaus in den ersten Jahren waren die Inquisitionsabteilungen von der Situation zunächst noch in jeder Hinsicht überfordert. Die frischgebackenen Inquisitoren konnten in der Kürze der Zeit nur unzureichend ausgebildet werden und waren kaum in der Lage, der ständig wachsenden Zahl von Gegnern Herr zu werden. Doch im Lauf der Zeit erhöhte sich nicht nur die Zahl besser ausgebildeter Kräfte, sondern es kamen mit wachsender Erfahrung die ersten großen Erfolge. Und so entwickelten sich allmählich immer schlagkräftigere Organisationen, die in den folgenden Jahrzehnten die weitere Ausbreitung der Luziferisierung zunächst verlangsamen, anschließend stoppen und letzten Endes zurückdrängen konnten. Als erste Konsequenz dieser Entwicklung traten die Luziferianer nicht länger ungeniert in aller Öffentlichkeit in Erscheinung, sondern verschwanden im Untergrund, um von nun an von dort ihre unheilvollen Aktivitäten zu entfalten. Doch selbst wenn es mittlerweile gelungen war, ihr Wachstum einzudämmen, war die Zahl der Luziferianer noch immer groß. Der Kampf ging unvermindert weiter, wurde nun aber vorwiegend im Verborgenen geführt. Die Kräfte auf beiden Seiten hielten sich zahlenmäßig in etwa die Waage. Mal trug die eine Seite den Sieg davon, mal konnte die andere Seite einen Erfolg verbuchen.

      Die Sektion der deutschen Inquisitionsabteilung, die für das Gebiet des Freistaates Bayern zuständig war, hatte sich in letzter Zeit in mehreren aufsehenerregenden Fällen ebenfalls als außerordentlich erfolgreich erwiesen. Die Zentrale der bayerischen Inquisition lag in der Prinzregentenstraße 1 am Rand des Englischen Gartens in der Nähe der Staatskanzlei, wo Ministerpräsident Ottfried Fischer regierte. Über dem Haupteingang zum Glaspalast, wie das klotzige, palastartige Gebäude genannt wurde, war das Wappen der Inquisition angebracht: In einem aufrechten Oval befand sich ein schlichtes Holzkreuz, das links von einem Olivenzweig und rechts von einem Schwert flankiert wurde. Zweig und Schwert hielten sich die Waage und symbolisierten das Gleichgewicht zwischen Gnade und Strafe.

      Über einhundert Beschäftigte waren in diesem Gebäude Tag für Tag mit der Eindämmung der Luziferisierungsfolgen auf dem Gebiet des Freistaats beschäftigt, wobei die Mitarbeiter in den Außenstellen der sieben Regierungsbezirke nicht eingerechnet waren. Zusätzlich unterstanden dem Direktor, Generalinquisitor Maximilian Brunner, gut zwei Dutzend ausgebildete Inquisitoren, die Speerspitze im Kampf gegen die Luziferianer.

      Einer dieser Männer war Michael Institoris.

      Der 32-Jährige stand am Fenster seines Büros im dritten Stock des Glaspalastes und starrte mit ausdruckslosem Blick nach draußen. An schönen Tagen konnte er von hier die Aussicht auf den Englischen Garten genießen. Wenn die Bäume im Herbst ihr Laub verloren, war er sogar in der Lage, den Monopteros, einen Rundtempel mit ionischen Säulen und Kuppeldach auf einem künstlichen Hügel, und den entfernteren Chinesischen Turm, eine fünfstöckige Pagode im Mittelpunkt des Parks, zu sehen. Doch nicht nur das dichte Blätterwerk der Bäume, sondern auch die Finsternis und der heftige Regen erschwerten eine ungehinderte Sicht. Vor dem dunklen Hintergrund der Nacht hätte der Inquisitor in der regennassen Scheibe allenfalls das gespiegelte Innere seines Büros und seine eigene leicht verwaschene Gestalt sehen können, wäre sein Blick nicht ohnehin nach innen gerichtet gewesen.

      Michael Institoris war ein Meter fünfundachtzig groß und schlank. Sein braunes Haar war so dunkel, dass es fast schwarz aussah, und stets kurz geschnitten. Den dichten Vollbart trimmte er täglich und passte ihn der Länge seines Haupthaars an. Er war komplett in Schwarz gekleidet, trug enge Jeans, Rollkragenpullover und halbhohe, stiefelartige Lederschuhe – ein Outfit, das er bevorzugte und insgeheim als seine Arbeitsmontur ansah.

      Er war vor sieben Jahren zum Inquisitor ernannt worden, nachdem er die langwierige und umfangreiche Ausbildung erfolgreich absolviert und mit ausgezeichneten Prüfungsergebnissen abgeschlossen hatte. Seine Vorgesetzten schätzten nicht nur seine Zuverlässigkeit, Sorgfalt und Eigeninitiative, sondern darüber hinaus seine effiziente und selbstständige Arbeitsweise. Und auch wenn er kein Teamplayer, sondern Einzelgänger war, wurden seine gelegentlichen Alleingänge stillschweigend geduldet, da er am Ende meist erfolgreich war. Denn Michaels Erfolgsstatistik als Inquisitor, vor allem in den letzten drei Jahren, war herausragend und den Verantwortlichen in Rom nicht verborgen geblieben. Aus diesem Grund hatte der Generalinquisitor Michael am späten Nachmittag in sein Büro gebeten und ihm stolz verkündet, dass seine Beförderung zum Oberinquisitor unmittelbar bevorstehe.

      Da Seine Heiligkeit die Inquisition zur Chefsache erklärt hatte und ihr als Präfekt vorstand, wurden die Beförderungen der Inquisitoren im Vatikan vom Papst persönlich vorgenommen. Ein Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung für die harte und lebensgefährliche Arbeit dieser Männer in ihrem Kampf gegen das Böse. Michael würde deshalb am kommenden Sonntag, also schon in drei Tagen, mit einer Maschine der Alitalia nach Rom fliegen.

      Selbst jetzt, Stunden nach dem Gespräch mit dem Generalinquisitor – die Uhr an der Wand zeigte halb elf Uhr nachts –, konnte Michael nicht sagen, ob die Freude über die verdiente Beförderung oder eher die Angst vor den einschneidenden Veränderungen, die sie unweigerlich mit sich bringen würde, in ihm überwog. Seine neuen Aufgaben als Oberinquisitor würden den direkten Kampfeinsatz an der Front drastisch, wenn nicht komplett einschränken und vorwiegend langweilige, administrative Pflichten am Schreibtisch mit sich bringen. Er musste dann nicht nur seine bevorzugten Alleingänge aufgeben, sondern darüber hinaus seine bisher eher unterentwickelte Teamfähigkeit und seine Führungsstärke unter Beweis stellen, denn in der neuen Position waren ihm einfache Inquisitoren unterstellt.

      Michael seufzte laut, als er an seine Zukunft dachte, die er sich in diesem Moment düster und öde ausmalte. Doch bevor er länger darüber nachgrübeln konnte, klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch hinter ihm. Zunächst wollte er das Läuten ignorieren. Es war spät, und unter normalen Umständen wäre er längst in seiner kleinen Wohnung in Schwabing. Doch dann siegte sein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein. Denn wer seine Durchwahl kannte und zu so später Stunde hier anrief, musste einen absolut guten Grund dafür haben.

      Der Inquisitor nahm den Hörer ab.

      »Institoris.«

      Zunächst hörte Michael am anderen Ende der Leitung nur Rauschen und etwas, das mit einer gehörigen Portion Fantasie wie mühsames Atmen klang. Er glaubte, Halbwüchsige wollten sich einen Scherz erlauben und hätten aufs Geratewohl die Nummer der Inquisition gewählt, wahllos drei Ziffern angehängt und auf diese Weise zufällig seine Durchwahl erwischt. Er wollte daher schon auflegen, als der Anrufer sich doch noch meldete.

      »… Inquisitor? … Ich bin’s, … Kai …«

      »Kai?«

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