Der Frauenkrieg. Alexandre Dumas
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»Fräulein von Lartigues, Vicomte, kann nicht zugleich zu Hause bei Herrn von Epernon und im Goldenen Kalbe bei mir sein. Man muß von den Frauen nicht zu viel verlangen.«
»Das ist keine Antwort, Baron; ich frage Euch, wie Ihr Euch, bei Eurer Liebe zu Fräulein von Lartigues, von ihr trennen konntet?«
Canolles hätte gern dem Vicomte, den er jetzt im Tageslicht klar sehen konnte, seiner Herzensneigung nach geantwortet, aber da er trotz des kleinen Handschuhes und der kleinen Hand seiner Sache doch nicht völlig sicher war, so zügelte er sich noch und erwiderte die Frage des Vicomte mit jenem Lächeln, womit man alles beantwortet.
Man hielt in Barbezieux an, um zu frühstücken und die Pferde ausschnaufen zu lassen. Canolles frühstückte diesmal mit dem Vicomte, und bei dem Frühstück bewunderte er diese Hand, deren nach Bisam duftende Hülle eine so große Aufregung in ihm hervorgebracht hatte. In dem Augenblick, wo man sich zu Tische setzte, war der Vicomte überdies genötigt, seinen Hut abzunehmen und seine glatten, schönen, einer so zarten Haut entsprießenden Haare zu entblößen, und jeder andere, wie ein verliebter und darum blinder Mensch, wäre von seiner Ungewißheit befreit gewesen. Aber Canolles fürchtete das Erwachen zu sehr, um nicht die Dauer seines Traumes auszudehnen. Auch fand er etwas Reizendes in diesem Inkognito des Vicomte, das ihm eine Menge kleiner Vertraulichkeiten gestattete, die ein gänzliches Erkennen oder ein volles Geständnis ihm untersagt hätte. Er sprach also kein Wort, das den Vicomte auf den Verdacht bringen konnte, sein Inkognito sei verraten.
Nach dem Frühstück begab man sich wieder auf den Weg und ritt dann bis zum Mittagessen. Von Zeit zu Zeit brachte eine Müdigkeit, die er nicht verbergen konnte, auf das Gesicht des Vicomte eine bleichere Farbe oder in seinen Körper ein leichtes Beben, nach dessen Ursache ihn Canolles freundschaftlich fragte. Herr von Cambes lächelte dann und schien nicht mehr zu leiden. Er schlug sogar vor, noch stärker zu reiten, was aber Canolles mit der Bemerkung zurückwies, man habe einen weiten Weg zu machen, und es sei folglich wesentlich, die Pferde zu schonen.
Nach dem Mittagessen fiel es dem Vicomte etwas schwer, aufzustehen. Canolles erhob sich und unterstützte ihn.
»Ihr bedürft der Ruhe, mein junger Freund,« sagte er zu ihm; »eine derartige Reise würde Euch auf der dritten Etappe töten. Wir reiten in dieser Nacht nicht, sondern schlafen im Gegenteil. Ihr sollt Euch eines guten Schlummers erfreuen, und das beste Zimmer des Gasthofs soll das Eurige sein, oder ich will sterben.«
Der Vicomte schaute Pompée mit so verblüffter Miene an, daß Canolles seine Lachlust nicht unterdrücken konnte.
»Wenn man eine große Reise unternimmt, wie wir,« sagte Pompée, »so müßte jeder sein Zelt haben.«
»Oder ein Zelt für zwei,« versetzte Canolles mit der natürlichsten Miene der Welt »das würde genügen.«
Ein Schauer durchlief sichtlich den Körper des Vicomte.
Der Schlag war getan, und seine Wirkung entging Canolles nicht; aus einem Augenwinkel sah er, daß der Vicomte dem Alten ein Zeichen machte, Pompée näherte sich seinem Herrn, dieser sagte ihm leise einige Worte, und bald ritt Pompée unter irgend einem Vorwande voraus und verschwand.
Anderthalb Stunden nach diesem Vorfall, über den Canolles nicht einmal eine Erklärung forderte, erblickten die Reisenden, als sie in einen großen Flecken einritten, den Reitknecht auf der Schwelle eines Gasthauses von ziemlich gutem Aussehen.
»Ah, ah!« sagte Canolles, »es scheint, wir werden die Nacht hier zubringen, Vicomte?« – »Ja, wenn Ihr wollt, Baron.«
»Ich will alles, was Ihr wollt, denn, wie gesagt, ich reise für mein Vergnügen, während Ihr Eurer Äußerung nach in Geschäften reist. Nur befürchte ich, es wird Euch in diesem Neste an Bequemlichkeit fehlen.«
»Oh!« erwiderte der Vicomte, »eine Nacht ist bald vorüber.«
»Rasch mein Zimmer,« fuhr er, zu Pompée fort, der ihm den Steigbügel hielt. »In der Tat, Ihr habt recht, Herr von Canolles,« fügte er, sich nach seinem Gefährten umwendend, hinzu, »ich bin wirklich sehr müde.«
»Hier, gnädiger Herr,« sagte die Wirtin und deutete auf ein ziemlich großes Zimmer; es ging nach dem Hofe, seine Fenster waren vergittert und darüber lagen die Speicher des Hauses.
»Wo ist mein Zimmer?« rief Canolles.
Und er warf seine Augen lüstern auf eine Tür, die an die des Vicomte stieß und deren schwache Wand einen sehr gebrechlichen Wall gegen eine so geschärfte Neugierde, wie die seinige, bildete.
»Das Eurige?« sagte die Wirtin, »folgt mir, gnädiger Herr, ich werde Euch führen, worauf sie ihn an das Ende eines ganz mit Türen besetzten und vom Zimmer des Vicomte durch die volle Breite des Hofes getrennten Hausflurs führte.
»Nun bin ich meiner Sache gewiß,« sagte sich Canolles; »aber ich habe wie ein Dummkopf gehandelt; wollte ich jedoch böse Miene machen, so würde ich mein Spiel unwiederbringlich verlieren; nehmen wir also unser freundlichstes Gesicht an.«
Er kehrte also zurück und rief seinem Reisegefährten zu: »Gute Nacht, lieber Vicomte, Ihr bedürft in der Tat der Ruhe; soll ich Euch morgen wecken? Nein. Nun, so werdet Ihr mich vielleicht wecken, wenn Ihr aufgestanden seid. Gute Nacht!«
»Gute Nacht, Baron,« erwiderte der Vicomte.
»Gut, gut, Vicomte,« murmelte Canolles, »morgen ist die Reihe an mir, die Wohnungen zu bestellen, und ich werde mich zu entschädigen wissen. Schön, er schließt alles bis auf die doppelten Vorhänge; er breitet ein Tuch davor aus, damit sogar sein Schatten unsichtbar wird. Beim Teufel, es ist ein sehr schamhafter Junge, dieser kleine Edelmann, aber gleichviel. Morgen!«
Und Canolles ging brummend in sein Zimmer zurück, kleidete sich in sehr übler Laune aus, legte sich verdrießlich nieder und träumte, Nanon finde in seiner Tasche den perlgrauen Handschuh des Vicomte.
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