Halbzeitland. Gordon Müllenbach
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Er konzentriert sich und balanciert die Bedeutungen der verschiedenen Stationen aus. Als er für jeden der Punkte eine Vorstellung entwickelt, verschwindet das Bild.
Öjwind sitzt im Imbiss.
Das Licht hat sich verändert und scheint nur noch aus Farben zu bestehen und Öjwind sieht eine Gestalt hereinkommen, die er sehr gut kennt, ihr Gesicht ist fohlenhaft und mit langem, rotem Haar, das als Zopf aus dem Hinterkopf wächst. Ein glühendes Horn steht auf der Stirn. Die Schultern sind mit einem in divers gelben Mustern gefärbten Tuch bedeckt, der Kopf mit einer alltäglich anmutenden Bedeckung, wie Öjwind diese nur aus Nepal kennt.
Ari Hekmek ist auch verwandelt, ist preußisch blauer Körper in flimmernder Bewegung und garnelengleich, mit Rüssel und Fühlern, die ihm aus dem Kopf gewachsen scheinen.
„Sie wünschen?“, schnaubelt Ari Hekmek hinter dem Tresen.
Das Einhorn bestellt aus dem Gedächtnis, „Zweimal Paranoia mit Orientierungslosigkeit, dazu eine schöne Ladung Selbsterkenntnis! Und die Rechnung ohne die Wirtin, bitte!“
Ari Hekmek wendet sich um und geht flink zu Werke.
Von hinten nähert sich ein alter Mann dem Tresen, wie eine Schildkröte streckt er den Hals hervor. Sein Kopf scheint zu qualmen, jedenfalls ist alles schwadenerfüllt,
„Erdnusscreme, bitte.“, sagt die Schildkröte und schlackert mit den Halsfalten.
„Sie sollen doch nicht so viel davon speisen.“, ermahnt Ari Hekmek ihn.
„Erdnusscreme, bitte.“, sagt die Schildkröte erneut, blickt zu dem einhornigen Wesen und sagt, „Der beste Stoff, der zurzeit auf dem Markt ist.“
Ari Hekmek kommt aus der Küche hervor und bringt der Schildkröte eine Portion Erdnusscreme, mit welcher sie an ihren Tisch zurückkehrt. Ein genüssliches Stöhnen hallt durch den Laden, als sie davon kostet.
„Sie sitzt bei mir, Stunden! An einer Portion Erdnusscreme.“, sagt Ari Hekmek.
Das Einhorn wendet sich Richtung Öjwind und wünscht einen, „Guten Abend!“, ein grünlicher Schatten reflektiert auf in gelben Farben gemustertem Tuch.
Öjwind, am Glück entdeckt, antwortet nicht und ringt nach Luft, ist fast so beklemmt, dass er sich nicht traut, die Stimme zu erheben oder gar an sich herunterzusehen.
Das Einhorn tritt an ihn heran, immer näher kommt dessen glühendes Horn. Öjwind, den mit einmal wohlig warm und lichthell Kraft durchströmt, findet sich zu seiner Surprise vor dem alten Mann mit der Zeitung stehend wieder.
Übertyre durch das Oberstübchen
Eine Mitarbeiterin von der Nachbardiakonie ein Haus weiter kommt zu Besuch in die Redaktion, „Das Kreuz ist jedoch aus ganz schlichtem Holz: Natur und ohne Leiche.“, bekräftigt die, „Das mag doch jedermann sehen, ein derart gutes Symbol.“, und so lehnt das naturfarbene Gestell halb an der Wand, die noch kein kommensurables Pendant hat, „Ich bin nicht in Gänze fertig geworden, das große Kreuz direkt neben dem Hauptcomputer an der Wand zu befestigen. Aber das macht ja nichts. Ich komme gleich nochmal wieder. Daran hätte ich selber denken müssen!“
„Und ich bin jetzt auf vierundzwanziganhalb Wochenstunden runter,“ ruft der Chefredakteur, „und in ein paar Monaten werde ich nur noch in H.“, betont er, „eine kleine Stelle haben.“
Freibeuterisch mobbt der Chefredakteur den Kopf eines Mitarbeiters und frisst die Kekse aus den Händen Öjwinds, deutet dann dem nächsten an, ihm die Hände an den Hals legen zu wollen, „Und in wenigen Minuten,“ er dreht Öjwind die Schreibtischleuchte in Verhörmanier in das Gesicht, „habe ich Feierabend.“
„Die Initiatorin der Initiative hier ist neulich angezeigt worden,“, sagt der Chefredakteur warnend, „weil sie auf dem Motorrad Fahrradfahrer erschreckt hat, von denen sie vermutete, dass sie zur Mafia gehören. Bevor wir uns einen Job bei der Amtskirche kaufen und so losweiden, na ја. Jedenfalls, christo-zentrisch wirkt dieses leichenlose Mordinstrument bei der Höhe nicht! Es geht ja fast bis unter die Decke. Wieso will diese Motorradklerikerin uns tatsächlich die Leitkultur-Nischen plattfahren? Sagt einmal die Gratispriesterin Marke Aureole Universaldilettantin deponiert Spendengefäße in dem Café? ۔Also, wir wollen hier keine von den eisernen Alraunen á la mode Stauffenberg junior zum Altar. Ich sage euch, Jetflieger, Hockenheimringer, Rennbootfahrer und vornehmlich die Distanz-Kleinkaliber-Gewehrschützen, aber auch diese Jagdschein- und Sarganfertiger, diese ´Mission erfüllt` - Visagen bei abgenommenem Helm, die den Wumm abgehen lassen und originales Material verlangen: frische Libido-Burnouts, wirkliche Midlife-Krisen und unolympische Kühlschrank-Disziplinen. Ah! Der Volontär Öjwind, nimmt keiner mehr den Hörer ab zurzeit bei den Anthroposophinnen von ihrem nicht-technisch, gehobenen oder haben die nur noch drei Tage die Woche Publikumsverkehr seit ihrer Palastrevolution per Ausleseprüfung - Platz Zweiundzwanzig von zweihundert geprüften Bewerberinnen bei vierundzwanzig Lehrstellen? Ja, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem sozialistischen Sekretariat! Wie bitte? Ich soll noch eine Nummer ziehen: klicker, klicker, ssst, ratsch, oh! Die Nummer Siebenhundertzweiundsechzig und dazu, synchron auf der schleppendsten Lotterie-Uhr der digitalen Arbeiter- und Amtsgeschichte: Sechshundertelf, und nebenan im Gerichtsgebäude entfernen sie gerade die Rentnerin, die mit der Handgranate in der Vorhalle steht, weil ihre Sache nicht gut lief oder angeblich schon abgeblasen ist. Zwei Arten der reinen Buttermilch-Hoffnung, entweder ein Ticket mit dem kleineren solidarischen Nenner zu finden, oder in einem berauschenden Klangkonzert die Tonverabreichung von der Sechshundertachtundsiebzig bis zu der Sechshundertdreiundneunzig, die phänomenal tonale Hymne in derselben Klangart, ein achtzehnfaches Gongen von der Siebenhundertvierundvierzig bis zu der Siebenhundertzweiundsechzig, zig schon vorher geflohenen zu Dank verpflichtet für dieses berauschende Vereinzelungserlebnis, Ding-Dong, Ding-Dong, Platz Elf und los, dawai-dawai zu der rabotei, vorbei an dem dritten Sicherheitsbeamten, den mit eingerechnet, der oben bei dem Arbeitsberater im vierten die Fenster geschlossen und auf Kipp gestellt hat: `Kann ich nicht kontrollieren, ob Sie die nochmals öffnen, wenn ich weg bin´, zu Platz Elf: Bitte! Einen Termin für die Sozialbearbeiterin, die schon den ganzen Tag am Einbürgerungstest feilt! Und zum ..., bitte? Ach, in Büro Vierzehn bei den Herren Zivilbeamten von der Kripo-Ausländerbehörde vielleicht? Der kleine, elektrokalorische Volontär Öjwind für den Chefposten auf dem technologischen Rechnersessel, offenbar für gar nichts zu haben heute? Früher ist alles besser gewesen, da haben die Leute nämlich noch quelle-idee-rouge Zeitungen gehabt, um etwas von dem Bauernhof von nebenan zu erfahren oder den Kollektiven einer anderen Metropole, die denkbar genauso anlief wie der eigene rote Schal um den Hals!“
Der Chefredakteur springt vor den Augen der Anwesenden auf den Versammlungstisch und fängt, stehend, an zu singen:
DIE DREIZEHNTE GERION-KALIFATRIE
„Hola, ich bin noch nie in einem KZ gewesen, Mister Lao Dse-Junior!
Gieß uns die frohe Neuro-Tat in den Kolben
Die uns gestern schon in das Neuro getreten hat!
Wir sind polytoxikoman in Shivas Tempel
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