Das Geschlecht der Zukunft. Edward Bulwer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Geschlecht der Zukunft - Edward Bulwer страница 3
Eine Gestalt, in ähnlicher, jedoch einfacherer Tracht als mein Führer, stand regungslos an der Schwelle. Als mein Führer sie zweimal mit seinem Stabe berührte, setzte sie sich in rasche Bewegung und glitt lautlos über den Fußboden hin. Ich blickte sie an und bemerkte, daß es keine lebende Gestalt, sondern ein Automat war. Kaum zwei Minuten, nachdem er durch eine halb von Gardinen verborgene Öffnung ohne Tür am anderen Ende der Halle verschwunden war, näherte sich uns durch dieselbe Öffnung ein Knabe von ungefähr zwölf Jahren. Seine Gesichtszüge waren denen meines Begleiters so ähnlich, daß ich sie sofort als Vater und Sohn erkannte. Als das Kind mich sah, stieß es einen Schrei aus und erhob wie zur Drohung einen Stab, der dem meines Begleiters glich. Auf ein Wort des Älteren ließ es ihn wieder sinken. Darauf sprachen die zwei eine Zeit lang miteinander, während sie mich forschend ansahen. Der Knabe berührte meine Kleider und strich mit sichtlicher Neugier über mein Gesicht, indem er einen Laut hören ließ, der einem heiteren Gelächter von uns glich, nur etwas gedämpfter erklang. In demselben Augenblicke tat sich das Dach der Halle auf, und eine Platte kam herab, die anscheinend nach dem Prinzipe der Aufzüge angefertigt war, wie man sie in Hotels und Warenhäusern benutzt, um von einer Etage in die andere zu gelangen.
Der Fremde trat mit dem Knaben auf die Platte und gab mir ein Zeichen, dasselbe zu tun. Ich folgte. Rasch und sicher stiegen wir aufwärts und gelangten in einen Flur mit Gängen zu beiden Seiten. Durch einen dieser Gänge führte man mich in ein Zimmer, das mit orientalischem Luxus ausgestattet war. Die Wände waren mit Metall und ungeschnittenen Juwelen getäfelt. Kissen und Divane waren im Überfluß da. Statt der Fenster hatte das Zimmer Öffnungen ohne Glas, die nach dem Korridor führten. Im Weitergehen sah ich, daß man von denselben auf geräumige Balkone gelangte, die einen weiten Blick über die erleuchtete Landschaft draußen gestatteten. An der Decke hingen Bauer mit Vögeln von seltsamer Form und prächtigem Gefieder. Bei unserem Eintritt stimmten sie im Chore einen Gesang an, dessen Ton so zart war, wie das Zwitschern eines Buchfinken. Ein köstlicher Duft, der kunstvoll gearbeiteten goldenen Räuchergefäßen entströmte, erfüllte die Luft. Mehrere Automaten, gleich dem einen, den ich gesehen hatte, standen stumm und regungslos an den Wänden. Der Fremde nötigte mich neben sich auf den Divan und sprach wieder zu mir. Ich redete ihn ebenfalls an, wir konnten uns aber nicht besser verstehen wie vorhin.
Ich empfand jetzt die Folgen des Schlages, den ich bei dem Herabfallen der Felsstücke erhalten hatte, stärker wie bisher.
Ein Gefühl krankhafter Schwäche, von einem heftigen, stechenden Schmerze im Kopf und Nacken begleitet, befiel mich. Ich sank in die Kissen zurück und bemühte mich vergebens ein Stöhnen zu unterdrücken. Da kniete der Knabe, der mich bis dahin mit Mißtrauen und Widerwillen zu betrachten schien, neben mir nieder, mich zu unterstützen. Er nahm eine meiner Hände und berührte meine Stirn mit einem leichten Hauche seiner Lippen. In wenigen Augenblicken ließen die Schmerzen nach. Eine einschläfernde glückliche Ruhe überkam mich. Ich versank in Schlaf.
Ich weiß nicht, wie lange ich in diesem Zustande verweilte, aber als ich erwachte, war ich vollständig wiederhergestellt. Als ich die Augen wieder aufschlug, fiel mein Blick auf eine Gruppe stummer Gestalten, die ernst und würdig um mich herumsaßen. Sie glichen mehr oder weniger dem ersten Fremden: dieselben mantelartigen Flügel, derselbe Schnitt der Kleidung, dieselben sphynxähnlichen Gesichter mit den tiefen dunklen Augen und der roten Gesichtsfarbe; derselbe Typus einer Rasse, die wohl an die menschliche Rasse erinnerte, doch weit stärker und größer von Gestalt und Ansehen war. Sie flößten mir alle dasselbe unerklärliche Gefühl der Furcht ein wie mein erster Begleiter, und doch waren ihre Züge mild und ruhig, ja selbst gütig im Ausdruck. Seltsamerweise war es mir, als flößten mir gerade die Ruhe und Güte dieser Gesichter die rätselhafte Furcht ein.
Sie schienen von den Linien und Schatten, die Furcht und Sorge, Leidenschaft und Sünde auf des Menschen Antlitz zurücklassen, so frei zu sein wie die Gesichter steinerner Götter. Sie schienen denselben friedlichen Ausdruck zu haben, wie nach christlicher Auffassung, der Tod den Gesichtern einprägt.
Ich fühlte eine warme Berührung auf meiner Schulter - es war die Hand des Knaben. In seinen Augen lag Mitleid und ein Ausdruck herablassender Zärtlichkeit, wie wir sie für einen kranken Vogel oder Schmetterling empfinden. Ich wich vor dieser Berührung und vor diesem Blicke zurück. Ich hatte ein unbestimmtes Gefühl, als ob dieses Kind, wenn es wollte, mich so leicht töten könnte wie der Mensch einen Vogel oder Schmetterling. Das Kind schien von meinem Widerwillen schmerzlich berührt zu sein. Es verließ mich und setzte sich an eines der Fenster. Die Anderen fuhren fort, sich in gedämpftem Tone mit einander zu unterhalten. An ihren Blicken, die sich auf mich richteten, konnte ich sehen, daß ich der Gegenstand ihres Gespräches war. Einer besonders schien dem Wesen, dem ich zuerst begegnet war, einen sehr dringlichen Vorschlag in bezug auf mich zu machen. Letzterer ging anscheinend darauf ein, als das Kind plötzlich seinen Platz am Fenster verließ und lebhaft sprechend sich wie zum Schutze zwischen mich und die Anderen stellte. Irgend eine Ahnung, ein Instinkt sagte mir, daß dieser Knabe, den ich vorher so gefürchtet hatte, zu meinen Gunsten rede. Während er noch sprach, betrat ein anderer Fremder das Zimmer. Er erschien, wenn auch nicht alt, so doch älter als die Übrigen. Sein Gesicht war weniger sanft und heiter als das der Anderen, obgleich es ebenso regelmäßige Züge hatte. Es schien mir dem menschlichen Ausdrucke näher zu kommen als das der Übrigen. Ruhig hörte er den Worten, die erst mein Begleiter, dann zwei aus der Gruppe und zuletzt der Knabe an ihn richteten, zu, dann wandte er sich zu mir und sprach mich nicht mit Worten, sondern mit Gesten und Zeichen an. Diese glaubte ich völlig zu verstehen, und ich irrte mich nicht. Ich begriff, daß er mich fragte, woher ich sei. Ich streckte die Hand aus und deutete auf den Weg, den ich von der Kluft im Felsen aus verfolgt hatte. Dann kam mir ein Gedanke. Ich zog mein Notizbuch hervor und entwarf auf einem unbeschriebenen Blatte eine leichte Skizze von dem Felsenriffe und dem Tau, an dem ich mich herabließ, von dem höhlenartigen Felsen unten, dem Kopfe des Ungetümes und dem leblosen Körper meines Freundes. Diese uranfängliche Art von Hieroglyphen gab ich dem Fragenden. Er reichte sie, nachdem er sie selbst ernst betrachtet hatte, seinem nächsten Nachbar und so machten sie die Runde unter den Anwesenden. Der, dem ich zuerst begegnete, sagte ein paar Worte, woraufhin der Knabe näher trat und meine Zeichnung ansah. Er schien ihren Sinn zu verstehen, nickte, kehrte an das Fenster zurück, breitete seine Flügel aus, schüttelte sie ein paarmal und schwebte dann hinaus ins Freie. Verwundert fuhr ich in die Höhe und eilte an das Fenster. Der Knabe schwebte schon in den Lüften. Seine Flügel bewegten sich nicht wie die eines Vogels, sondern sie erhoben sich über seinem Kopfe und trugen ihn ohne sein eigenes Zutun sanft durch die Lüfte. Der Flug war so rasch, wie der eines Adlers, und ich bemerkte, daß er dem Felsen zueilte, von dem ich herabgekommen war und dessen Umrisse deutlich zu erkennen waren.
In wenigen Minuten kehrte er zurück. Er schwebte zu der Öffnung herein, durch die er uns verlassen hatte, und ließ das Tau und die Enterhaken, die ich bei der Kluft zurückgelassen hatte, auf den Boden fallen. Einige leise geflüsterte Worte wurden unter den Anwesenden gewechselt. Einer aus der Gruppe berührte den Automaten. Dieser schritt vorwärts und glitt aus dem Zimmer. Darauf erhob sich der Zuletztgekommene, der mich durch Zeichen angesprochen hatte, faßte mich an der Hand und führte mich in den Korridor. Hier erwartete uns die Platte, auf der ich heraufgekommen