Fräulein Rosa Herz. Eduard Graf von Keyserling

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Fräulein Rosa Herz - Eduard Graf von Keyserling

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– ganz ernst: ›Ist es auch vorüber?‹«

      »Sehr gut!« schaltete Rosa ein.

      »Also ist es auch vorüber? Da lächelte er – weißt du – so tief melancholisch und sagte: ›Ja nun, wie eben so etwas vorüber sein kann.‹ Auch sehr gut, nicht wahr?«

      »Ja, ja«, meinte Rosa, »er glaubt, solche Wunden heilen nie ganz.«

      »Natürlich! – Nun – ich nickte und fragte kurz und sanft: ›Der Name?‹ – Da seufzte er tief und sagte: – ›Rosina.‹ Aber wie er das Wort ›Rosina‹ sagte – das kannst du dir nicht denken.«

      »Ich kann es mir denken«, versetzte Rosa gerührt.

      »Nein – nein! Das kannst du dir nicht denken! – Rosina – Rosina.« Fräulein Sally legte in diesen Namen alle Andacht, über die sie gebot, daß er wie ein Gebet klang; es war aber doch nicht das Rechte: »Ich kann es dir eben nicht wiedergeben. ›Sprechen wir von etwas anderem‹, sagte er dann. Oh, er ist so sanguinisch, fast leichtfertig. So brach ich denn ab.«

      Rosa ward nachdenklich. Dieser Ambrosius mit der Liebe zur schlechten Rosina erschien ihr anziehend. Das hübsche Gesicht, die schwungvollen Bewegungen; gewiß! Er hatte viel Einnehmendes. »Ich wüßte gern mehr hierüber«, sagte sie sinnend.

      »Ja!« erwiderte Fräulein Sally und zuckte die Achseln: »Es läßt sich auch nicht alles weitersagen, was er seinen Verwandten anvertraut.« Dabei machte sie eine geheimnisvolle Miene und kniff die Lippen zusammen, um ostentativ zu schweigen.

      Ambrosius hatte sich, wie er es den Damen gesagt hatte, in das Geschäft begeben. Dieses war jedoch so unerträglich heiß und voll starker, dumpfer Gerüche, daß es ihn im höchsten Grade verstimmte. Er setzte sich mitten auf den Ladentisch, trommelte mit den Absätzen auf die morschen Bretter und schaukelte träumerisch mit seinem Stöckchen eine Wurst, die über ihm an der Decke hing. Hinter ihm stand Conrad Lurch, maßloses Staunen in den Mienen. Er hatte es nie versucht, sich auf den Ladentisch zu setzen; nie war ihm der Gedanke gekommen, man könne das tun. Sein Kollege beachtete ihn jedoch gar nicht, schaukelte die Wurst, gähnte und starrte auf die trüben Fensterscheiben. Eine große, unklare Mißstimmung hatte sich seiner bemächtigt. Noch war es kein ganzer Tag, daß er sich in der Stellung eines ersten Kommis der Firma Lanin befand, und doch war ihm diese Stellung schon gänzlich zuwider. Er langweilte sich, und Langeweile hielt er für ein Unglück. Ein unüberwindlicher Durst nach lauten, ungeordneten Vergnügungen erfüllte diesen jungen Mann. Von jeher hatte er ohne zu zaudern nach allem gegriffen, was ihn reizte, was nur im Entferntesten einen Genuß versprach. Als sechsjähriger Bube bemächtigte er sich jedes Kuchens, dessen er habhaft werden konnte, war es auch noch so streng verboten. War der Kuchen verzehrt, dann erst gedachte der kleine Ambrosius der Strafe und weinte. Als zwanzigähriger Junge war er ebenso achtlos und gedankenlos seinen Eltern davongelaufen, um einer Kunstreitertruppe zu folgen, nur weil ihm diese Welt der Tressen und Flitter in die Augen stach und weil eine alternde Kunstreiterin für vieles Geld sich herabließ, ihn zu lieben. Um einen Wunsch zu erfüllen konnte er Entschlossenheit und Tatkraft zeigen, wuchsen aber aus seinem Leichtsinne Schwierigkeiten und Mühsal, dann war er ohnmächtig.

      Sein weiches, nervöses Gemüt ließ sich von dem geringsten Unfall, von der kleinsten Widerwärtigkeit niederdrücken. Ja, fehlte es seiner Umgebung auch nur an besonderer Heiterkeit, umgab ihn ein gewöhnliches ruhiges Leben, so fühlte er sich schon melancholisch und klagte über Weltschmerz. Der enge Laden, die schwere Luft und die trüben Fensterscheiben waren denn auch nicht geeignet, gegen diesen Weltschmerz anzukämpfen. So versank Ambrosius immer tiefer in sein übellauniges Brüten. Plötzlich ließ sich Lurchs sanfte Stimme vernehmen: »Dieses ist eine Pariser Wurst.«

      »Wie?« fuhr Ambrosius auf, der vergessen hatte, daß er nicht allein sei.

      »Ich meinte, Herr Tellerat...« wiederholte Lurch. –

      »Von Tellerat«, unterbrach ihn Ambrosius. »Von – es ist italienischer Adel; di – heißt es – eigentlich di Tellarda, daraus Tellerardo, und so...«

      »So hat sich das herausgebildet«, ergänzte Lurch aufmerksam.

      »Natürlich«, entgegnete Ambrosius und begann leise vor sich hin zu pfeifen, bis Lurch wieder das Wort nahm: »Ich meinte vorhin, Herr von Tellerat, daß diese Wurst eine sogenannte Pariser Wurst sei.«

      »He, diese?« Ambrosius schlug mit dem Stöckchen auf die Wurst und bemerkte dann: »Hart.«

      Lurch folgte mit besorgtem Blick den Schwingungen der Wurst: »Glauben Sie nicht«, fragte er und errötete, »daß es ihr schaden kann, wenn man sie schlägt und schaukelt?«

      »Die da?« Ambrosius holte wieder mit dem Stöckchen aus, aber Lurch rief angstvoll: »Schlagen Sie sie nicht! Es kann ihr nicht gut sein.« Er blickte innig zur Wurst auf; er hatte um sie gelitten; die alte, ehrwürdige Wurst, die ganze Familie liebte sie. War sie nicht schon lange im Geschäft? Natürlich kaufte sie niemand; sie war zu gut für das Städtchen. Aber ein großes Geschäft muß eine echte Pariser Wurst haben. Sie repräsentierte die Firma und war fast ein Glied der Familie. Nein, es war Sünde, sie zu schlagen.

      Endlich brach Ambrosius sein düsteres Schweigen und bemerkte, daß er noch keinen Kunden im Laden gesehen habe.

      »Am Nachmittag kommen sie nicht«, erklärte Lurch. »Am Abend pflegen die Herrschaften die Dienstmägde herzuschicken, um Kerzen, Käse, Petroleum...«

      »Hübsche?« unterbrach ihn Ambrosius.

      »Je nun, mein Gott! Hübsch sind sie nicht besonders. Eine vielleicht. Ja, die Käthe – die ist hübsch. Oh, ja! Die hat eine hübsche Nase, eine hübsche große Nase.«

      »Ah! Aber womit vertreibt man sich hier denn die Zeit? An so etwas denkt hier niemand.«

      »Doch«, erwiderte Lurch verlegen, obgleich er es nicht scheinen wollte. »Man unterhält sich hier recht gut. Ich – ja sehen Sie – an den Wochentagen bin ich hier beschäftigt. Aber Samstagabend – dann geh ich aus.«

      »Wohin denn?«

      »Wir haben nämlich«, Lurch dämpfte seine Stimme, »wir haben nämlich ein Kränzchen.«

      »Kränzchen? Was für ein Kränzchen? Es gibt vielerlei Kränzchen!« rief Ambrosius.

      »O bitte, sprechen Sie nicht so laut!« flehte Lurch. »Es ist eigentlich ein Geheimnis, obgleich nichts Böses daran ist.«

      »Gut, gut! Ich sag's nicht weiter.«

      »Also bei Steining, dem Konditor.« Lurch sprach dieses Wort sehr gepflegt und die Anfangssilbe ganz französisch aus. »Dort versammeln wir uns im hintern Zimmer. Kennen Sie dieses Zimmer? Nicht? – Oh, ein wunderbares, einziges Zimmer! So traulich! Grüne Tapeten hat es und einen Kronleuchter. Recht elegant ist es. Alle möglichen Bequemlichkeiten finden Sie dort – drei Spucknäpfe, massiv von Messing.«

      »Wer versammelt sich dort?«

      »Wir sind unserer sechs. Da ist der Tomascher vom Advokaten Krug, dann Silt, Apfelbaum...«

      »Was trinken Sie?«

      »Bier, sehr feines Bier.«

      »Hm –« warf Ambrosius vornehm und kühl hin, »Sie führen mich dort einmal ein.« – Lurch floß über von Dankbarkeit und

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