Vorm Mast. Wolfgang Bendick

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Vorm Mast - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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es nur so von grünen Glühwürmchen. Das sind die großen. Die aus Metall. Die aus Holz sieht man nicht, ebenso wenig die aus Polyester, es sei denn, sie besitzen einen Radarreflektor. Die Natal ist ein ganz normales Stückgutschiff, aber zugleich auch Ausbildungsschiff. Wir Junggrade gehen Wache. Dabei kommen wir mit vielen Dingen in Berührung, die einem Decksjungen sonst lange unbekannt bleiben. Oft ist es auch unsere Neugier, die bewirkt, dass man uns Dinge zeigt, die selbst einem Matrosen fremd sind. Die Nächte auf der Brücke können lang sein, vor allem, wenn man müde ist. Und um sich gegenseitig wach zu halten, spricht man mit dem anderen.

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      In der Biskaya

      Am gefährlichsten sind die Fähren, die Fischer (beim Fang) und die Segler. Die haben immer Vorfahrt. Da heißt es, deren Geschwindigkeit abschätzen, deren Kurs, um früh genug das Ausweichmanöver einzuleiten. Klar, dass dies nicht meine Sache ist. Ich leihe nur meine Augen aus. Manchmal ist ganz schön Hektik auf der Brücke. Dann bleibe ich besser in der Nock. Oder kümmre mich um den Kaffee, damit die Stimmung entspannter wird. Ich bin zur Abendwache eingeteilt, die 8/12 Wache. Um 6 Uhr ist Feierabend an Deck. Um 8 Uhr muss ich auf der Brücke sein, bis Mitternacht. Mit Schmidchen und Fiete, einem Matrosen. Und Teuber dem Dritten Offizier. 20 Minuten vor Mitternacht wecke ich die neue Wache, die vom Deck und den Offizier. 10 vor 12 nachsehen, ob alle auf sind, Kaffee in der Messe bereitstellen und wieder auf die Brücke. In der Maschine tut sich dasselbe. Nur, dass dort der Assistent die anderen weckt. Langsam lebe ich mich ein.

      Einmal die Häfen und das Land hinter uns, wird alles ruhiger. Im Englischen Kanal und der Biskaya verbringe ich die Ausguckzeit hinter den Windabweisern auf der Nock, die Hände fest um eine Mug mit heißem Tee, gemäß unserer Devise, immer etwas in der Hand zu halten. Ich habe schnell gemerkt, dass Kaffee nicht meine Sache ist. Ich ziehe Schwarztee vor. Solange der zu heiß ist, atme ich den aromatischen Duft ein. „Gehört in Tee nun auch eine Prise Salz?“, geht es mir durch den Kopf. Müsste ich mal versuchen. Mit dem Risiko, dass man mir das Gesöff ins Gesicht schüttet. Oder doch lieber nicht. Die Engländer haben das bestimmt schon versucht... Dann schlürfe ich ihn genüsslich in kleinen Zügen. Um zu genießen, muss man Zeit haben. Da, an Backbord ein Licht. Ich melde es und hole zugleich das Fernglas aus der Brücke. Es ist ein grünes Licht, und dahinter, etwas höher, ein weißes. „Das ist ein Mitläufer“, klärt mich der Wachhabende auf. „Man sieht seine Steuerbordlaterne und darüber das Topplicht. Ein einziges Topplicht heißt, dass es ein Schiff mit unter 45 Metern Länge ist. Also ein Kümo (Küstenmotorschiff) oder ein Fischer. Auf jeden Fall maschinengetrieben. Segler haben kein Topplicht. Nur Seiten- und Heckleuchte. Keine Gefahr im Augenblick. Trotzdem im Auge behalten, und beobachten, ob er sich nähert oder den Kurs ändert. Nach einer Stunde haben wir ihn weit hinter uns zurückgelassen. Die Offiziere sind bessere Lehrer als die Matrosen...

      Finisterre querab. Nur noch zwei Decksleute auf Wache, Junggrade. Die Matrosen nützen das, um in der Messe einen loszumachen. Jetzt, wo sie keine Wache mehr gehen, brauchen sie auch nicht mehr nüchtern zu sein. Der Backschafter schafft es kaum, den Nachschub an Flaschen von mittschiffs (vom Stewart) nach achtern zu bringen. In der Früh ist die Messe oft übersät von rollenden Flaschen, wenn nicht gar Scherben, wenn die Flaschen vom Seegang von den Tischen fallen. Es riecht nach Alkohol, Rauch und manchmal draußen nach Kotze. Der Backschafter ist von der Wache befreit. Nachdem wir die ersten Stundenzettel mit den Arbeitszeiten abgegeben haben, findet der Erste, dass wir Junggrade zu viele Überstunden machen und hat uns als Erstes die Hälfte unserer Überstunden gestrichen und das Zutörnen (Arbeiten außerhalb der Wache) eingeschränkt. Somit habe ich jetzt oft nachmittags frei. Der Scheich und die Matrosen sind stocksauer, wenn sie uns in der Freiwache beim Lesen oder Nichtstun sehen. Aber auf einem Schiff sind so viele Orte, wo man sich verkriechen kann, um in Ruhe das Meer anzuschauen oder sich zu unterhalten. Und wie oft erwischen wir die Vollgrade in irgendeinem Eck bei einer Flasche Bier.

      Das Decksjungeneuer (Gehalt) ist 95 DM monatlich, für die Überstunde zahlt man uns 75 Pfennig. Ein Matrose hat 5 DM in der Stunde. Klar, dass die Schiffsleitung eher an Matrosenstunden sparen will. Aber da ist auch das Jugendschutzgesetz. Da wird halt jongliert... Als wir unsere erste Abrechnung bekommen und die Streichung feststellen, sind wir empört. Das ist ja Betrug! Die Matrosen kriegen das mit. Sie lachen. „Das ist doch ganz einfach“, sagen sie. „Jetzt wisst ihr, dass die euch die Hälfte eurer Stunden wieder streichen. Schreibt einfach das Doppelte, und so stimmt die Rechnung wieder!“ Logisch. Gesagt, getan.

      Die Arbeitsstunden tragen wir jeden Tag auf einem mit 24 Kästchen (24 Stunden) pro Reihe versehenen Blatt ein. Dieses Blatt hat 31 Linien. In diese Kästchen markieren wir bei der entsprechenden Uhrzeit mit einem X die volle Arbeitsstunde, mit einem / die halbe oder angefangene. Am Monatsende gibt man das dem Bootsmann, der das Ganze mit einem „Stimmt ja hinten und vorne nicht!“ zur Überprüfung entgegennimmt und dann dem Ersten übergibt. Dieser hantiert dann, je nach wirtschaftlicher Lage der Reederei oder eigenem Ermessen mit dem Rotstift und gibt es dann an den Funker weiter, der dann die Abrechnung macht.

      Im Ausland bekam man beim Funker nur einen Vorschuss in Landeswährung. Die Endabrechnung dann in Hamburg. Manche konnten dort nicht einmal abmustern, weil sie zu viele Schulden hatten, bedingt durch Vorschüsse und Konsum an Bord... Da wir gerade beim Geld sind: Es gab an Bord ein inoffizielles Zahlungsmittel, die Kantinentickets. In jeder Messe lag ein Block aus, in dem sich perforierte, herausreißbare Zettelchen befanden, und eine feste Seite, der Durchschlag (das Doppel). Darauf schrieb man das gewünschte, z. B. 1 Holsten, 1 Lucky Strike, 2 Johnny Walker, Datum und Unterschrift, und gab es dem Backschafter. Der brachte das so gegen 17 Uhr dem Chief Steward. Dieser wusste mit den Jahren, dass das nicht 1 Flasche Holsten hieß, sondern 1 Kiste. Bei Zigaretten war das natürlich 1 Stange. Beim Whisky bedeutete das aber nur Flasche. Man musste schon fast studiert haben, um Steward zu sein. Zumindest einen klaren Kopf behalten, bei all dem Stoff, den er verwaltete. Diese Tickets wurden bei der Monatsabrechnung berücksichtigt. Geschenkt wurde uns nichts an Bord. Hatte einer eine Wette verloren oder jemanden Geld geliehen oder was abgekauft, dann zahlte man mit einem Ticket, das der andere dann einlöste. Manchmal glich unsere Mannschaftsmesse vorm Abendessen einem Gabentisch an Weihnachten! Leider führte das bei so manchem zu einem Überkonsum, so dass bisweilen nichts von der Heuer (Lohn) übrig blieb. Diesen ließ der Funker ein anderes Papier unterschreiben, den Ziehschein. So wurde ein Teil der Heuer bei der Reederei zurückbehalten und der Steward informiert, der rechtzeitig einen Kantinenstopp durchführte, eine Maßnahme, die so manchen, zumindest zeitweise, vorm „Ertrinken“ rettete...

      Der zweite Tag auf See. Ouessant lag achteraus, wir waren im Golf von Biskaya. Der Engpass des Englischen Kanals lag zurück, die andern Schiffe hatten ihre definitiven Kurse eingeschlagen, wir auch, und so löst sich der Pulk fast in Nichts auf. Es sind drei Mitläufer zu sehen, weit genug entfernt. Der wachhabende Offizier ruft mich von der Nock ins Ruderhaus. Dort steht Schmidchen am Steuer. „Übernimm du mal das Ruder“, sagt er. Ich zögere. „Ich denke, das ist für Junggrade nicht erlaubt“, antworte ich. „Hier oben bestimme ich! Los, übernimm!“ Ich versuche, mich an das zu erinnern, was ich in der Seemannschule gelernt hatte. Aber mein Hirn setzte aus. Nur eines fällt mir ein: „Wiederhole!“ Ich gehe zum Steuer. Schmidchen rückt zur Seite, ich stelle mich an seinen Platz und ergreife das halboffene Steuerrad. „230“, sagt Schmidchen. „230“, wiederhole ich. Der Kompass zeigt 230 an. Eine schwarze Linie durchzieht die Glasabdeckung, das muss die Schiffsachse bedeuten. Langsam kommt mir das Gelernte ins Gedächtnis zurück. Man steuert entweder nach Kompass oder nach Ruderlage. 230 klingt eher nach Kompass, denn der hat 360 Grad, das Ruder legt sich bis maximal 45 Grad. Das sehe ich vor mir auf dem Ruderlagenanzeiger stehen. 230, nicht vergessen. Ich bewege das Steuerrad nicht. So wird der Kahn wohl seinen Kurs beibehalten. Doch der Kompass ist anderer Meinung. Langsam bewegt sich die Scheibe auf 225°. Ich muss also was tun. Die andern grinsen und schauen auf mich. Ich drehe also das Ruder etwas nach links, wundere mich, dass das so leicht geht. Hoffentlich ist

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