Vorm Mast. Wolfgang Bendick

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Vorm Mast - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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Ein Schiff auf Zigarettenlänge reduziert, hat ungefähr eine Rumpfstärke wie das Zigarettenpapier. Und ich schwimme da in dem Zigarettenpapierröllchenschiff und wiege mich in Sicherheit. Alles ist relativ.

      Eines nachts durchfuhren wir ein riesiges Gebiet mit Leuchtplankton. Dort, wo die Bugwelle sich überschlug, leuchtete es hellgrün auf. Bis weit hinaus leuchtete das Meer in hellen Streifen. Nach der Wache schleiche ich mich auf die Back, lehne mich über die Verschanzung überm Steven, dem Wasserpflug und versenke meinen Blick in das weiß-grünlich sich teilende Wasser der entstehenden Bugwelle. Die See ist still. Wie ein weiter, riesiger Fächer sieht das Meer aus, hier von der Back betrachtet. Die Luft ist warm. Es geht kein Hauch. Die Maschine hört man hier vorne nicht. Ich spüre nur den leichten Herzschlag des Schiffes, bedingt durch die Drehung der Schraube am Heck. Ich erlebe einen Augenblick, der mich alle Mühen der letzten Wochen vergessen lässt. Am liebsten würde ich die anderen wecken und ihnen das zeigen. Doch die würden nur sagen: „Schmeiß deinen Geheimsender über Bord und besauf' dich mal richtig...“

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      Schiffsglocke auf der Back

      ACHTERKANTE LUKE 2

      Das Deck war wie neu. Jetzt müssen nur noch die Deckshäuser gestrichen werden, in Weiß. Das ist Matrosenarbeit. Grau und Schwarz ist für uns Junggrade. Meine Wache ist halb vorbei. Es ist 10 Uhr abends. Ich gehe nach achtern, um Kaffee für die Brücke zu kochen. Dort hinten ist noch ganz schön was los. Ein paar Matrosen und ein paar Junggrade sitzen in der Messe, natürlich jeder in seinem Eck. Anstatt Bier trinken sie Ananas-Saft aus Dosen. Manche verdünnen ihn mit Gin. Sind die krank? Auch in unserer Kammer waren schon solche Dosen aufgetaucht. „Gibt's den Saft beim Steward gegen Tickets?“, frage ich. „Nee. Achterkante Luke 2 gibt's den. Umsonst. Aber nur nachts. Du könntest auch mal welchen holen!“ „Wenn's nur das ist“, antworte ich, „aber erst nach der Wache!“

      Als meine Ablösung auf der Brücke ist, gehe ich kurz in meine Kammer. Schmidchen ist noch wach. „Nimm die Taschenlampe mit!“, sagt er, als ich mich zum Dosenholen anschicke. „Sag mir nur noch, wo die Dosen liegen“. „Achterkante Luke 2 im Zwischendeck.“ Also klauen! Ladungsdiebstahl nennt man das. Mögliche Folgen: Seefahrtgericht und Einzug des Seefahrtbuches, hatten wir gelernt. Aber jetzt kneifen wäre Feigheit. Meine Ehre war so viel wert wie ein Karton Fruchtsäfte. Meine Zukunft zur See ebenfalls. „Lass dich nicht von denen auf der Brücke sehen, sonst ist's aus!“, war Schmidchens toller Rat.

      Ich ziehe meine Turnschuhe an, die noch von der Seemannsschule stammen, und gehe vorsichtig über das schlafende Schiff. An Backbord den Gang entlang bis Vorderkante Aufbauten. Ich lausche. Nichts, außer dem schwachen „Dum, Dum“ der Hauptmaschine. Keine Stimmen. Ich mache einen Schritt vorwärts und schaue nach oben zur Brücke. Nichts. Nicht mal das Glimmen einer Zigarette. Ich husche geduckt neben dem Süll von Luke 3 entlang und schwenke um das Deckshaus. So, erst mal in Deckung. Ich taste nach den Vorreibern der Tür, drehe sie. Nichts quietscht. Entweder hat der Zimmermann letztens alles geschmiert, oder, was plausibler ist, die Diebe vor mir. Alles geht wirklich wie geölt. Schnell in den Einstiegsschacht hinein, Tür leicht verriegelt, dass sie nicht im Seegang schlägt, Taschenlampe in den Mund und ein paar Meter tiefer. Im schwachen Lampenschein sieht die Luke eher aus wie ein Kellergewölbe. Ich nehme eine Menge Fässer wahr, gut gelascht, ein paar riesige Holzkisten und dort, nicht zu übersehen, aufgerissene Kartons und umherliegende offene Dosen. „Lybbies Pineapple Juice“ steht darauf, und als Bestimmungshafen Abidjan. So ein Witz: Wir bringen Ananassaft von Holland nach Afrika!

      Um nicht noch mehr Durcheinander zu machen, nehme ich lieber gleich eine ganze Kiste mit. Nur ist der Leiterschacht zu eng für mich und den Karton. Also platziere ich ihn auf meinem Kopf, wo ich ihn mit einer Hand festhalte. Mit der anderen hangele ich mich langsam empor, mich mit dem Rücken im Schacht abstützend. Raus aus dem Niedergang, Schott dicht. Ich äuge vorsichtig unter dem Dach hinauf zur Brücke. Sehe das Glühen einer Zigarette hinter der Scheibe. Das ist der Wachhabende. Unsereins darf auf der Brücke nicht rauchen. An Deck ist sowieso das Rauchen verboten, wegen Funkenflug. Nur drinnen ist es erlaubt. Und der Ausguck, Hans-Dieter, würde mich nicht verpfeifen. Er kommt beim Kaffeekochen um 2 Uhr bei uns in der Messe vorbei, um einen Ananas-Gin zu probieren. Die restlichen Dosen verstaue ich in unserem Geheimversteck unter den Schubladen. So, nun endlich der verdiente Schlaf...

      Am nächsten Morgen beim Frühstück flüstern die Matrosen ganz aufgeregt untereinander. Wir merken, da ist irgendwas am Laufen. Ich verstehe Worte wie „Luke 2... Fingerabdrücke... frische Farbe... Geheimsender…“ Einer der Matrosen raunt mir im Vorbeigehen vertraulich zu, dass der Scheich was von meinem Besuch in Luke 2 mitbekommen hat. Heute Früh hätte er Fingerabdrücke in der frischen Farbe bemerkt und leere Dosen im übervollen Mülleimer gesehen. Falls die mittschiffs das merken würden, gäbe das großen Ärger, weil dann alle Kammern durchsucht würden und, wer weiß, was da alles auftauchen könnte. Da hätte ich ihnen ja was eingebrockt.... Als ich alleine bin - niemand von der Besatzung zu sehen - schnell in die Kammer, Schubladen raus und die restlichen Dosen durchs Bullauge über Bord. So, diese Spuren wären beseitigt! Wieder die Treppe hoch. Niemand in der Messe. Ich trete über das Süll an Deck. Und da stehen sie alle, Ellbogen auf dem Schanddeckel (obere, flache Abdeckung der Reling) aufgestützt, und tun so, als ob sie das Meer betrachten... Mist! Die haben alles gesehen. Irgendwas ist da faul. Alle machen ernste Gesichter. Oder verkneift Rudi sich da nicht ein Lachen? Nein. Er hebt den rechten Zeigefinger. „Höre, was des Zimmermanns Sohn dir sagt: Klauen ist schlimm. Aber noch schlimmer ist es, sich erwischen zu lassen!“ Und der Scheich grummelt etwas wie „frisch gestrichenes Deckshaus“ und „Dreckspfoten“.

      Also, ich ab zum Farbenlocker in der Back (Raum, wo die Farben gelagert sind), einen Topf Weiß geschnappt, einen der Pinsel aus dem Wasser und schon gehe ich über Deck und bessere „Feiertage“ aus. Und dabei vor allem meine nächtlichen Spuren. Dann zurück nach achtern. Keiner war am Arbeiten. Das fiel mir in der Aufregung nicht sehr auf. „So, Spuren beseitigt?“, fragt der Scheich. „Und damit du das nicht so schnell vergisst, schmeiß mittschiffs etwas in das Schiffchen!“ Mit Schiffchen meint er eine Spardose in Form eines Rettungsbootes, dessen Inhalt für den „Verein zur Rettung Schiffbrüchiger“ bestimmt ist. Diese war in einem Regal im Betriebsgang (Flur) neben dem Eingang zur Pantry festgeschraubt. Münzgeld warf man durch einen Schlitz ein, Papiergeld musste man erst zusammenrollen und durch ein rundes Loch reinstecken. Ich rollte gerade meinen Zehner zusammen, um ihn im Schiffchen zu versenken, da kommt der Erste um die Ecke. „Was machst du denn hier?“ Dachte der etwa, ich versuche da Geld rauszuholen? „Ich spende.“ „Ja wieso denn?“ „Nur so. Ist ja für 'nen guten Zweck. Vielleicht braucht man das mal selber.“ „Das nehm' ich dir nicht ab. Wer hat dir gesagt, du sollst da was rein tun?“ Er witterte wohl irgendeinen Streit achtern, außerdem wusste ich inzwischen, dass er mit dem Scheich nicht gut Freund war. „Na ja, der Bootsmann.“ Blieb mir nichts anderes übrig, als es zu sagen. „Soll sofort nach mittschiffs kommen! Sag ihm das!“ Zurück nach achtern. Alle stehen noch da. „Nun, was ist?“ „Scheiße ist! Der Erste hat mich erwischt, gerade als ich das Geld ins Schiffchen stecken wollte. Bootsmann, Sie sollen sofort zu ihm kommen“. „So 'n Mist! Du hast doch hoffentlich nichts gesagt?“, war seine Reaktion. „Bin doch nicht ganz blöd!“, war meine Antwort.

      Nach einer halben Stunde kam unser Scheich zurück. „Was war, erzähl!“, wollte jeder wissen. „Ich habe ihm erzählt, dass es wegen einer Wette war, die der Geheimsender verloren hat.“ „Sie wissen doch, dass Wetten um Geld an Bord verboten sind, und dazu noch mit Junggraden!“ „Ja, und eben deshalb hab ich dem Geheimsender auch gesagt, das gewonnene Geld ins Schiffchen zu stecken.“ Der Scheich befand sich in einer schlechten Lage. Der Erste glaubte ihm nicht, er vermutete eher, dass wir Junggrade vom Bootsmann ziemlich schikaniert wurden. So ganz unrecht hatte er damit ja nicht. Aber weil der Bootsmann fest darauf bestand, hatte er

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