IM ANFANG WAR DER TOD. Eberhard Weidner

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IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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realisierte sie, dass sie selbst es gewesen war, die geschrien hatte. Sie war von ihrem eigenen Schrei geweckt worden.

      Anja hob die Hände und vergrub ihr schweißnasses Gesicht darin.

      Nur ein Albtraum!

      Zweifellos.

      Aber was für einer!

      Die Bilder ihres Traums standen ihr noch immer so deutlich und lebhaft vor Augen, als handelte es sich nicht nur um bloße Traumbilder, die ihr Unterbewusstsein während des Schlafs produziert hatte, sondern als wären es reale Geschehnisse, die sie selbst erlebt hatte und die sich wegen ihrer Brutalität und Abscheulichkeit in ihr Gedächtnis eingebrannt hatten.

      Und wie eine ungeliebte Erinnerung spielte sich die schreckliche Szene nun erneut vor ihrem inneren Auge ab. Sie erschauderte unter dem Ansturm der Albtraumbilder, war aber unfähig, ihn zu stoppen, und musste die brutale Ermordung des Priesters noch einmal miterleben. Und erneut sah sie alles aus der Perspektive und durch die Augen des Mörders. Als wäre sie selbst die Mörderin gewesen und hätte das tödliche Messer eigenhändig geführt, um ihrem Opfer einen Stich nach dem anderen zu versetzen; bis hin zum letzten, dem finalen, lebensbeendenden Schnitt durch die Kehle des alten Mannes.

      Anja schüttelte den Kopf. Sie wollte diesen furchtbaren Gedanken abschütteln, bevor er sich in ihrem Verstand verwurzeln und sie weiter quälen konnte.

      Nur ein Albtraum!, wiederholte sie trotzig den einzig tröstlichen Gedanken, der ihr in diesem Augenblick einfiel.

      Dennoch!

      Woher kam dieser Traum? Warum ließ ihr Unterbewusstsein sie die brutale Ermordung eines Geistlichen erleben? Und dann auch noch ausgerechnet aus der Perspektive seines Mörders.

      Sie hätte das Ganze als belanglos abtun können. Schließlich war es nur ein Traum. Doch so einfach war die Sache dann doch nicht. Sie hatte einen kleinen, aber entscheidenden Haken: Anja kannte das Opfer!

      II

      Sie kannte den alten Mann, der in ihrem Albtraum ermordet worden war!

      Oder besser gesagt: Anja hatte ihn zumindest früher einmal gekannt, als sie noch ein Kind gewesen war. Doch seit damals waren viele Jahre vergangen, in denen sie den Geistlichen weder gesehen noch gesprochen hatte.

      Aber wieso träumte sie dann ausgerechnet jetzt von ihm, gewissermaßen aus heiterem Himmel und ohne jeden konkreten Anlass? Und dann auch noch seine Ermordung in Breitbild und Technicolor.

      Anja nahm die Hände vom Gesicht und schüttelte ein weiteres Mal den Kopf. Sie wollte nicht länger darüber nachdenken. Am liebsten hätte sie den Albtraum so schnell wie möglich vergessen und die dazugehörigen Bilder wie eine Leiche, die man loswerden musste, in einem abgelegenen Winkel ihres Verstandes verscharrt. Aber das ging natürlich nicht! Die Traumbilder waren hartnäckig und widersetzten sich jeglichem Versuch, sie zu verdrängen.

      Sie atmete einmal ganz tief durch. Anschließend verlagerte sie ihre Aufmerksamkeit von innen nach außen und überprüfte den Zustand ihres Körpers. Anja stellte fest, dass sich ihr Herz inzwischen wieder beruhigt hatte. Es schlug nun wieder ruhig und gleichmäßig, ohne dass sie das unangenehme Gefühl haben musste, es würde jeden Moment ihren Brustkorb sprengen. Und auch ihre Atmung war wieder normal. Ihr ganzer Körper war zwar weiterhin in kalten Schweiß gebadet, sodass es sie unwillkürlich fröstelte, aber wenigstens schwitzte sie nicht länger.

      Anja wunderte sich nicht, dass sie sich körperlich so rasch von ihrem schrecklichen Traumerlebnis erholt hatte. Schließlich hatte sie Erfahrung mit Albträumen; sie war gewissermaßen Expertin darin.

      Seitdem sie im Alter von elf Jahren ihren Vater erhängt in seinem Arbeitszimmer gefunden hatte, verfolgte sie dieses traumatische Erlebnis, indem es sie regelmäßig im Schlaf heimsuchte und quälte. Und seit sie vor drei Monaten bei den Ermittlungen im Fall des Apokalypse-Killers die Leiche ihres Ehemannes Fabian entdeckt hatte, der zwar erdrosselt, aber wie ihr Vater im Arbeitszimmer seines Hauses aufgehängt worden war, vermischten sich die beiden Erlebnisse zu einem einzigen furchtbaren, immer wiederkehrenden Super-Albtraum.

      Doch auch das war nichts, über das sie in diesem Moment gründlicher nachdenken wollte.

      Stattdessen wurde sie sich plötzlich darüber bewusst, dass sie leichte Kopfschmerzen hatte. Außerdem hatte sie großen Durst und einen unangenehmen Geschmack im Mund, der sie an die Zeit erinnerte, als sie entschieden zu viel Alkohol getrunken hatte. Doch das gehörte zum Glück der Vergangenheit an; inzwischen rührte sie keinen Tropfen mehr an.

      Anja hob den Kopf und sah sich erneut um. Inzwischen hatten sich ihre Augen an die Finsternis gewöhnt. Und so konnte sie nun die Konturen ihrer Umgebung besser erkennen. Sie runzelte irritiert die Stirn. Die Schattenrisse, die sie umgaben, kamen ihr fremd vor und waren ihr nicht vertraut.

      Wo bin ich?

      Sie hatte keine Antwort auf diese Frage. Sie wusste nur, dass sie nicht in ihrem Schlafzimmer aufgewacht war, denn dessen Anblick war ihr sogar in der Dunkelheit vertraut.

      Ein starkes Gefühl der Desorientierung überkam sie.

      Bin ich etwa bei Konstantin?

      Konstantin Steinhauser und sie waren seit knapp einem Monat ein Liebespaar. Soweit seine Dienstpläne als Unfallchirurg und Notarzt es ihnen erlaubten, verbrachten sie nach Möglichkeit mindestens zwei bis drei Nächte in der Woche gemeinsam in seiner oder ihrer Wohnung.

      Doch Anja erkannte rasch, dass es sich auch nicht um das Schlafzimmer in Konstantins Eigentumswohnung im Münchener Stadtteil Obermenzing handelte. Außerdem befand sie sich, wie sie erst jetzt feststellte, nicht einmal in einem Bett, sondern saß aufrecht auf einer Couch.

      Das ist mein Wohnzimmer!

      Die Konturen, die zunächst so fremd und rätselhaft auf sie gewirkt hatten, nahmen endlich vertraute Formen an. Das Gefühl der Desorientiertheit verschwand, und Anja atmete erleichtert auf.

      Sie war nicht an einem unbekannten Ort, wie sie zunächst befürchtet hatte, sondern zu Hause in ihrer eigenen Wohnung.

      Aber warum lag sie nicht in ihrem Bett, sondern hatte auf der Couch geschlafen? Es kam zwar hin und wieder vor, dass sie nach einem anstrengenden Arbeitstag vor dem Fernseher einschlief. Aber wenn sie dann ein paar Stunden später wieder aufwachte, waren das Licht und das Fernsehgerät noch immer an. Doch jetzt war beides ausgeschaltet.

      Ein Stromausfall?

      Anja blickte unwillkürlich zum Fernseher und bemerkte, dass das rote Standby-Licht brannte. Also doch kein Stromausfall!

      Was war dann der Grund, dass sie hier und nicht in ihrem Bett geschlafen hatte?

      Sie zuckte mit den Achseln. Schließlich war es auch nicht so wichtig, dass sie sich darüber lange den Kopf zerbrach. Vermutlich gab es eine einfache und logische Erklärung. Und irgendwann, wenn sie nach ein oder zwei Tassen Kaffee endlich richtig wach war, würde ihr diese auch einfallen.

      Anja schwang die Beine von der Couch und stöhnte dabei leise. Der Schmerz in ihrem Kopf hatte sich durch die abrupte Bewegung verstärkt. Unwillkürlich erinnerte sie sich an die quälenden Kopfschmerzen während des Apokalypse-Killer-Falls. Damals hatte sie sogar zeitweise ernsthaft befürchtet, sie hätte einen Gehirntumor und sollte das vierte Opfer des Serienkillers werden, der sich Johannes genannt

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