Veyron Swift und der Orden der Medusa. Tobias Fischer
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»Kein einziges Irrenhaus in Großbritannien vermisst eine Frau, auf die ihre Beschreibung passt, es liegt nirgendwo eine Vermisstenanzeige vor, sie taucht auf keiner Fahndungsliste auf«, schaltete sich Moore wieder ein und würgte damit die Worte des Paters ab, der ihn daraufhin mit einem vorwurfsvollen Blick strafte.
»Deswegen hatte ich mit Gregson telefoniert. Sie wissen ja, die meisten Irren kommen aus Berlin oder Paris. Vielleicht war sie Opfer einer Entführung, ein Mädchenhandel vielleicht. Gregson weiß über solche Dinge eigentlich immer Bescheid. Ihr in London seid näher am Puls der Welt als wir oben in Congleton. Natürlich wollte Gregson mehr über den Fall erfahren, also schilderte ich ihm alles und …«
Nun gab der Pater das Kompliment zurück und fiel dem Inspektor ins Wort.
»Es gibt ein paar auffällige Wörter, welche unsere arme Miss ständig wiederholt: Simanui und Maresia. Sie sagt das immer wieder. Sie kommt aus Maresia und muss zu den Simanui«, versuchte er sein altes Thema wieder aufzugreifen.
Moore räusperte sich und musterte den Geistlichen scharf.
»Ist ja gut, Pater«, raunte er ungehalten. Er wandte sich wieder Veyron zu, der nicht nun nicht länger gelangweilt im Sessel lümmelte, sondern aufrecht und voller Anspannung dasaß. Tom erkannte, dass Veyrons Gehirn gerade zu Höchstleistungen warmlief.
»Als Gregson das hörte, schlug er vor, dass ich mich mit Ihnen treffen soll. Sie könnten mir weiterhelfen. Also, wie sehen Sie die Lage? Glauben Sie, Sie können dieses Mysterium aufklären?«, endete Moore und warf dem Monster-Ermittler einen ratlosen Blick zu.
Veyron legte die Fingerspitzen aneinander und schloss kurz die Augen. Blitzartig sprang er aus dem Sessel und begann hastig im Wohnzimmer auf und ab zu gehen.
»Zwei Wochen! Da haben Sie tatsächlich ganze zwei Wochen vertrödelt, ehe Sie zu mir kamen? Du liebe Zeit, nur selten habe ich solche Nachlässigkeit erlebt«, hielt er den beiden Herren in strengem Tonfall vor.
»Ich nehme an, die Lady befindet sich in Ihrer Begleitung? Lassen Sie sie bitte hereinrufen. Ich muss mich mit ihr unterhalten. Dann werde ich Ihnen sagen, woher sie kommt und wer sie ist.«
Moore zückte ein Funkgerät und gab den beiden Constables Anweisungen durch. Nur kurze Zeit später klingelte es erneut an der Haustür. Tom eilte los. Sein Zorn auf Veyron war für den Moment verraucht. Die Aussicht, wieder in ein spannendes Abenteuer gezogen zu werden, ließ ihn vor Aufregung und Freude fast in die Luft springen. Er eilte den Flur hinunter, öffnete die Haustür und ließ die beiden Constables eintreten. In ihrer Begleitung befand sich eine junge Frau, vielleicht Anfang zwanzig, relativ schlank und wie Tom fand, auch recht hübsch. Sie hatte eine auffallend helle Haut trotz ihrer südländischen Herkunft. Zumindest ließen ihn das ihre dunklen Augen und das ebenso dunkle Haar vermuten. Sie trug es in einer altmodisch wirkenden Frisur aus winzigen Locken, am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden. Ihr Blick wirkte jedoch sehr verstört. Sie zuckte zusammen, als die Constables sie ins Haus schoben. Tom hatte sofort Mitleid mit ihr und begann, sich zu fragen, was für schreckliche Erlebnisse die arme Frau plagten. Hoffentlich konnte Veyron ihr helfen.
Er führte die Polizisten und die Frau ins Wohnzimmer und bedeutete ihnen, auf der Couch Platz zu nehmen. Aber die Constables bevorzugten es zu stehen. Sie nahmen Positionen am Fenster und an der Tür ein. Fürchteten sie etwa, die junge Frau könnte fliehen? Tom verstand dieses Misstrauen nicht. Ratlos, was sie tun sollte und was man mit ihr vorhatte, setzte sich die Frau auf das Sofa. Sie erschrak, als ein paar alte Federn in der Sitzauflage quietschten.
Veyron Swift wirbelte zu ihr herum, als hätte ihn eine Wespe gestochen und musterte sie einen Moment eingehend. Dann wandte er sich an Pater Felton und Inspektor Moore.
»Was haben Sie in den vergangenen zwei Wochen mit der jungen Miss gemacht«, fragte er. Seine Stimme klang kalt und emotionslos, nur auf Wissen aus und enthielt keinerlei Anschuldigung.
»Nach dem Unfall blieb sie zunächst ein paar Tage im Krankenhaus, in der geschlossenen Abteilung und unter Bewachung. Ein paar Mal hat sie versucht zu fliehen, kam aber nicht weit. Draußen auf der Straße ist sie sofort wieder umgekehrt und ins Krankenhaus zurückgerannt. Der Verkehr machte ihr noch größere Angst, als Spritzen und Bandagen. Man hat sie mit Beruhigungsmitteln versorgt und ich habe zwei erfahrene Constables abgestellt, falls sie wieder zu fliehen versuchte. Ich werde sie einweisen lassen müssen, wenn wir nicht bald mehr über sie erfahren«, erklärte Moore.
»Sie behauptet, eine Art Prinzessin zu sein, die Tochter eines Cäsars, eine Nobilissima. Ich fürchte, um ihren Verstand ist es geschehen, vielleicht wegen des Unfalls. So was soll es doch durchaus geben«, mischte sich Felton wieder ein.
Veyron brachte beide Männer mit einem Handzeichen zum Schweigen.
»Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Gentlemen«, sagte er. »Ihre Annahmen sind zutreffend – von Ihrem Standpunkt aus. Natürlich standen Ihnen nicht die Informationen zur Verfügung, über die ich verfüge. Anderenfalls hätten Sie beide Ihren Fehler sofort begriffen und erst gar nicht der Suggestion Inspektor Gregsons bedurft, um den Weg zu mir zu finden. Nun lassen Sie mich die Identität unseres Schützlings lüften.«
Er trat vor Iulia und verbeugte sich knapp. »Ich würde gerne einen Blick auf Eure Füße und Hände werfen, wenn Ihr es gestattet. Habt keine Angst, diese Untersuchung dient nur zu Demonstrationszwecken.«
Die junge Frau rümpfte die Nase, weil Veyron so nahe vor ihr stand, aber sie nickte dennoch.
»Ita«, sagte sie.
»Das ist Latein und heißt ja«, glaubte Felton kundtun zu müssen. »Ich hatte ganz vergessen zu erwähnen, dass sie lateinisch spricht, wenn sie schimpft oder betet, was sie oft tut. Sie bittet immer wieder Jupiter und Minerva um Beistand, vollkommen lächerlich. Ansonsten spricht sie ein sehr gutes Englisch, wenngleich mit einem Akzent, vielleicht südländischer Herkunft.«
Veyron bückte sich, nahm ihr rechtes Bein in seine Hände, schob die Hose zurück und schnüffelte an der glatten Haut auf. Er wiederholte das an ihren Händen und Unterarmen. Jeder konnte es hören. Tom war das oberpeinlich, wie auch allen anderen Anwesenden. Veyron trat zurück, erhob sich wieder und bedankte sich mit einem ehrfurchtsvollen Nicken bei der jungen Frau. Mit einem triumphierenden Lächeln wandte er sich wieder seinen anderen Gästen zu.
»Ganz eindeutig. Die junge Frau ist eine echte Prinzessin«, schlussfolgerte er.
Moore und Felton sprangen zugleich auf und protestierten.
»Das ist lächerlich! Woher wollen Sie so was wissen?«
Veyron seufzte. Er setzte sich wieder in seinen alten Ohrensessel und warf den beiden Gentlemen vorwurfsvolle Blicke zu. Etwas beschämt ob ihres Ausbruchs, setzten sie sich wieder.
»Sie übersehen die Fakten, Inspektor, Sie ebenso, mein lieber Pater. Zunächst einmal sind da ihre Hände. Perfekt manikürte Fingernägel, die Handflächen weich, keine Narben, fast keine Hornhaut, keine Schwielen. Diese Hände tun nicht viel, es sind keine Arbeiterhände. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass unsere Klientin seit ihrer Jugend noch nie viel arbeiten musste. Außerdem hat sie zahlreiche helle Stellen an den Fingern, die auf das Tragen von Ringen hindeuten, großen und teuren Ringen. Sie stammt also aus bestem Hause, wurde seit jeher mit Schmuck verwöhnt, den sie gewohnt ist, ständig zu tragen. Wo ist der Schmuck abgeblieben?«
»Sie