Zärtlich ist die Nacht. F. Scott Fitzgerald

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Zärtlich ist die Nacht - F. Scott Fitzgerald

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auch Musik. Ich hoffe, Sie glauben nicht, daß ich mich nur für Negermusik interessiere. Ich übe jeden Tag – in den letzten Monaten habe ich in Zürich einen musikgeschichtlichen Kursus besucht. Tatsächlich hat mir das zu Zeiten über vieles hinweggeholfen – Musik und Zeichnen.« Plötzlich beugte sie sich hinunter und riß einen losen Streifen von ihrer Schuhsohle ab, dann blickte sie auf. »Ich würde Sie gern zeichnen, so wie Sie dasitzen.«

      Es stimmte ihn traurig, daß sie ihre Fertigkeiten herausstrich, um seinen Beifall zu erringen.

      »Ich beneide Sie. Im Augenblick habe ich für nichts anderes Interesse als für meine Arbeit.«

      »Oh, ich glaube, für einen Mann ist das schön«, sagte sie schnell. »Aber ein Mädchen, finde ich, sollte über eine Menge kleiner Fertigkeiten verfügen und sie an ihre Kinder weitergeben.«

      »Das mag sein«, sagte Dick mit absichtlicher Gleichgültigkeit.

      Nicole saß schweigend da. Dick wünschte, sie hätte gesprochen, so daß er die bequeme Rolle des Zuhörers hätte spielen können, aber jetzt schwieg sie.

      »Sie sind jetzt wieder gesund«, sagte er. »Versuchen Sie, die Vergangenheit zu vergessen, und schonen Sie sich ungefähr ein Jahr lang. Gehen Sie nach Amerika zurück, lassen Sie sich in der Gesellschaft einführen, verlieben Sie sich – und werden Sie glücklich.«

      »Ich kann mich nicht verlieben.« Ihr malträtierter Schuh schabte ein Stück vermoderter Rinde von dem Baumstamm ab, auf dem sie saß.

      »Natürlich können Sie«, beharrte Dick. »Vielleicht nicht im nächsten Jahr, aber früher oder später doch.« Dann fügte er brutal hinzu: »Sie können ein absolut normales Leben führen mit einem ganzen Stall voll bildhübscher Nachkommen. Allein schon die Tatsache, daß Sie in Ihrem Alter so völlig wiederhergestellt werden konnten, beweist, daß die verursachenden Faktoren nicht so ungewöhnliche waren. Jung wie Sie sind, werden Sie noch auf dem Posten sein, wenn Ihre Freunde längst zum Teufel sind.«

      Ein Ausdruck von Schmerz lag in ihren Augen, als sie die bittere Pille schluckte und ihn verstand.

      »Ich weiß, daß ich für lange Zeit nicht dazu taugen werde, mich mit jemand zu verheiraten«, sagte sie demütig.

      Dick war zu sehr aus der Fassung gebracht, um noch etwas zu sagen. Er blickte in das Kornfeld hinaus und versuchte, seine unerbittliche Strenge wiederzuerlangen.

      »Es wird alles gut gehen – alle hier glauben an Sie. Ja, Doktor Gregory ist so stolz auf Sie, daß er wahrscheinlich –«

      »Ich hasse Doktor Gregory.«

      »Das sollten Sie nicht tun.«

      Nicoles Welt war in Scherben gegangen, aber es war nur eine dünne, kaum erst erschaffene Welt; unter ihrer Oberfläche lagen ihre Gefühle und Instinkte miteinander im Streit. War es erst eine Stunde her, daß sie am Portal auf ihn gewartet hatte, ihre Hoffnung wie ein Mieder um ihren Körper tragend?

      ... Kleid, bleibe gefältelt für ihn, Knopf, platz nicht ab, blühe Narzisse – Luft, bleibe still und süß.

      »Es wird schön sein, wieder Freude am Leben zu haben«, tastete sie sich weiter vor. Einen Moment kam ihr der verzweifelte Gedanke, ihm zu erzählen, wie reich sie sei, was für große Häuser sie bewohne und daß sie in Wahrheit ein kostbares Besitztum darstelle – einen Augenblick lang wurde ihr Großvater in ihr lebendig, Sid Warren, der Pferdehändler. Aber sie überwand die Versuchung, alle Werte umzuwerten, und verschloß diese Dinge in ihrer viktorianischen Rumpelkammer – obwohl ihr selbst keine Heimstatt geblieben war außer Leere und Schmerz.

      »Ich muß zur Klinik zurück. Es regnet nicht mehr.«

      Dick ging neben ihr her, fühlte ihre Verzweiflung und hätte ihr am liebsten den Regen von den Wangen geküßt.

      »Ich habe ein paar neue Platten«, sagte sie. »Ich kann es kaum erwarten, sie zu spielen. Kennen Sie –«

      An jenem Abend, nach dem Essen, beabsichtigte Dick, den Bruch zu vollenden; auch wollte er Franz die Sitzfläche versohlen, weil er es zum Teil gewesen war, der ihm diese widrige Sache eingebrockt hatte. Er wartete in der Halle. Seine Blicke verfolgten eine Baskenmütze, nicht naß vom Warten im Regen wie Nicoles, sondern einen Schädel bedeckend, der unlängst operiert worden war. Darunter blickten menschliche Augen umher, fanden ihn und näherten sich.

      »Bonjour, Docteur.«

      »Bonjour, Monsieur.«

      »II fait beau temps.«

      »Oui, merveilleux.«

      »Vous êtes ici maintenant?«

      »Non, pour la journée seulement.«

      »Ah, bon. Alors – au revoir, Monsieur.«

      Froh, wieder eine Begegnung überstanden zu haben, entfernte sich der Unglückselige mit der Baskenmütze. Dick wartete. Nach kurzer Zeit kam eine Krankenschwester herunter und richtete ihm eine Botschaft aus.

      »Fräulein Warren läßt sich entschuldigen, Herr Doktor. Sie will sich hinlegen und möchte heute abend oben speisen.«

      Die Schwester spannte auf seine Antwort, halb und halb erwartend, er werde durchblicken lassen, daß Fräulein Warrens Verhalten pathologisch sei.

      »Oh, ich verstehe. Nun –« Er schluckte ein paarmal und versuchte, seinen Herzschlag zu bändigen. »Ich wünsche gute Besserung. Danke.«

      Er war ratlos und unzufrieden. Aber jedenfalls entlastete es ihn.

      Er ließ ein paar Zeilen für Franz zurück als Entschuldigung, daß er nicht zum Abendessen blieb, und ging zu Fuß durch die Gegend zur Straßenbahn-Haltestelle. Als er sie erreichte, vergoldete die Frühjahrsdämmerung die Schienen und die Glasscheiben der Automaten, und es kam ihm zum Bewußtsein, daß sich Haltestelle und Hospital in der Schwebe zwischen Zentripetal- und Zentrifugalkraft befanden. Er erschrak. Er war froh, als seine Absätze wieder auf dem soliden Züricher Kopfsteinpflaster klapperten.

      Er erwartete, am nächsten Tag etwas über Nicole zu hören, aber es kam nichts. Um zu erfahren, ob sie krank sei, rief er die Klinik an und sprach mit Franz.

      »Sie kam gestern und heute zum Lunch herunter«, sagte Franz. »Sie schien etwas abwesend und in den Wolken. Wie verlief es?«

      Dick versuchte, den alpinen Abgrund zwischen den Geschlechtern zu überbrücken.

      »Wir kamen gar nicht so weit – jedenfalls hatte ich den Eindruck. Ich versuchte, mich zurückzuziehen, aber ich glaube nicht, daß genug geschehen ist, um ihre Einstellung zu ändern, wenn es überhaupt tief ging.«

      Vielleicht sprach aus ihm gekränkte Eitelkeit, weil es kein Todesstoß gewesen war.

      »Aus einigem, was sie zu der Schwester sagte, möchte ich entnehmen, daß sie begriffen hat.«

      »Sehr schön.«

      »Es war das beste, was passieren konnte. Sie scheint nicht hypererregt – nur etwas in den Wolken.«

      »Na also!«

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