Zärtlich ist die Nacht. F. Scott Fitzgerald

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Zärtlich ist die Nacht - F. Scott Fitzgerald

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auf seinen steifen weißen Kragen herabfallend und die vielen Schlachten, die sich vor seinen mandelförmigen Augen abgespielt hatten, hinter den dünnen, zarten Lidern für immer verstummt.

      »... Guten Morgen, Herr Professor!« Er nahm Haltung an wie beim Militär.

      Professor Dohmler faltete seine ruhigen Hände. Franz sprach in Fachausdrücken, halb wie ein Verbindungsoffizier, halb wie ein Sekretär, bis sein Chef ihm die Rede mitten im Satz durchschnitt.

      »Wir haben einen bestimmten Weg eingeschlagen«, sagte er sanft. »Jetzt sind Sie es, Doktor Diver, der uns am besten helfen kann.«

      Dick fuhr erschrocken hoch und gestand: »Ich bin meiner Sache nicht so sicher.«

      »Mit Ihren persönlichen Eindrücken habe ich nichts zu tun«, sagte Dohmler. »Aber ich habe sehr viel mit der Tatsache zu tun, daß diesem sogenannten ›Übergangsstadium‹« – er warf Franz einen kurzen, ironischen Blick zu, den dieser ebenso zurückgab, »ein Ende gemacht werden muß. Fräulein Nicole geht es tatsächlich gut, aber sie ist nicht in der Lage, etwas zu überstehen, was sie vielleicht als Tragödie empfinden könnte.«

      Wieder begann Franz zu sprechen, aber Doktor Dohmler gebot ihm mit einer Bewegung Schweigen.

      »Ich sehe ein, daß Sie sich in einer schwierigen Lage befunden haben.«

      »Ja, das stimmt.«

      Jetzt lehnte sich der Professor zurück und lachte, und mit dem letzten Atemzug seines Gelächters sagte er und blickte scharf aus seinen kleinen grauen Augen: »Vielleicht sind Sie selbst gefühlsmäßig engagiert.«

      Dick merkte, daß man ihn aufziehen wollte, und lachte ebenfalls.

      »Sie ist ein hübsches Ding – jeder ist bis zu einem gewissen Grade empfänglich dafür. Ich habe nicht die Absicht –«

      Wieder versuchte Franz zu sprechen – wieder hinderte ihn Dohmler daran, indem er eine Frage direkt an Dick richtete. »Haben Sie daran gedacht, wegzugehen?«

      »Ich kann nicht weg.«

      Doktor Dohmler wandte sich an Franz: »Dann können wir Fräulein Warren wegschicken.«

      »Wie Sie es für gut halten, Herr Professor«, stimmte Dick bei. »Es ist schon eine seltsame Situation!«

      Professor Dohmler erhob sich so, wie ein Mann ohne Beine sich an seinen Krücken aufrichtet.

      »Aber es ist eine berufliche Situation!« brüllte er.

      Seufzend sank er in seinen Stuhl zurück und wartete, bis der Widerhall des Donners im Zimmer verebbte. Dick merkte, daß Dohmler seinen Höhepunkt erreicht hatte, und war sich nicht klar darüber, ob er mit heiler Haut davongekommen war. Endlich gelang es Franz, zu Worte zu kommen.

      »Doktor Diver ist ein Mann von Charakter«, sagte er. »Ich bin überzeugt, er braucht die Situation nur zu erfassen, um richtig mit ihr fertig zu werden. Meiner Meinung nach kann Dick hier mithelfen, ohne daß jemand weggeht.«

      »Was meinen Sie dazu?« fragte Professor Dohmler Dick.

      Dick fühlte sich angesichts der Situation unsicher; gleichzeitig wurde ihm in der Stille, die Dohmlers Worten folgte, klar, daß dieser Zustand der Schwebe nicht endlos in die Länge gezogen werden konnte; plötzlich warf er alle Hemmungen über Bord.

      »Eigentlich bin ich in sie verliebt – der Gedanke, sie zu heiraten, ist mir durch den Kopf gegangen.«

      »O weh!« entfuhr es Franz.

      »Warten Sie!« sagte Dohmler beschwichtigend, aber Franz wollte nicht warten: »Was! Und den größten Teil deines Lebens Arzt und Krankenschwester sein – niemals! Ich kenne diese Fälle. Von zwanzig Fällen wird einer beim erstenmal geheilt – es ist besser, du siehst sie nie wieder!«

      »Wie denken Sie darüber?« fragte Dohmler Dick.

      »Natürlich hat Franz recht.«

      Es war spät am Nachmittag, als sie ihre Beratung darüber, was Dick tun sollte, beendeten: er sollte sehr freundlich sein und sich dennoch zurückziehen. Als die Ärzte sich endlich erhoben, blickte Dick durchs Fenster und sah, daß es sachte regnete – Nicole wartete irgendwo im Regen auf ihn. Als er gleich darauf seinen Wettermantel am Hals zuknöpfte, seine Hutkrempe herunterbog und hinausging, traf er sie sofort unter dem Dach des Hauptportals.

      »Ich weiß eine neue Stelle, wo wir hingehen können«, sagte sie. »Als ich krank war, machte es mir nichts aus, am Abend mit den andern im Haus zu sitzen – was sie sagten, klang mir, als wenn es so sein müßte. Jetzt weiß ich natürlich, daß sie krank sind, und es ist – es ist –«

      »Sie gehen bald fort von hier?«

      »Ja, bald. Meine Schwester Beth, sie wird immer Baby genannt, kommt in ein paar Wochen und wird mich irgendwohin mitnehmen; danach werde ich noch einmal für einen Monat hierher zurückkommen.«

      »Die ältere Schwester?«

      »Ach, ziemlich viel älter. Sie ist vierundzwanzig – sie ist sehr englisch. Sie lebt in London bei der Schwester meines Vaters. Sie war mit einem Engländer verlobt, aber er ist gefallen – ich habe ihn nie gesehen.«

      Ihr Gesicht hob sich, wie Elfenbein und Gold, gegen den trüben Sonnenuntergang ab, der sich durch den Regen hindurchgekämpft hatte; es barg eine Verheißung in sich, die Dick nie zuvor darin gesehen hatte: die hochliegenden Backenknochen, das etwas blasse Aussehen, eher kühl als aufgeregt, gemahnten an ein vielversprechendes Füllen – ein Geschöpf, dessen Leben nicht nur ein Projektieren der Jugend auf seelenlose Filmleinwand, sondern wirkliches Wachstum bedeutete; das Gesicht würde in mittleren Jahren schön sein, es würde in alten Tagen schön sein.

      »Was sehen Sie mich so an?«

      »Ich habe gerade gedacht, daß Sie sicherlich einmal recht glücklich sein werden.«

      Nicole erschrak. »Meinen Sie? Nun, es könnte ja auch nicht schlimmer werden, als es war.«

      In dem gedeckten Holzschuppen, zu dem sie ihn geführt hatte, saß sie mit untergeschlagenen Beinen auf ihren Golfschuhen, den wasserdichten Mantel um sich geschlagen, ihre Wangen von der feuchten Luft belebt. Ernst erwiderte sie seinen Blick, beobachtete seine aufrechte Haltung, die dem Holzpfosten, an dem er lehnte, in nichts nachgab; sie betrachtete sein Gesicht, das, nach gelegentlichen Abstechern in Fröhlichkeit und Spötterei, die ihm eigen waren, immer wieder versuchte, sich in die Form aufmerksamen Ernstes zu zwingen. Den Teil seines Wesens, der am besten zu seinem rotblonden irischen Typ zu passen schien, kannte sie am wenigsten; sie hatte Angst davor, war aber um so begieriger, diese seine männlichere Seite zu erforschen; die andere, das Produkt der Erziehung, die sich in seiner Rücksicht, in der Höflichkeit seiner Augen ausdrückte, nahm sie als selbstverständlich hin, wie die meisten Frauen es taten.

      »Jedenfalls ist diese Anstalt gut für Sprachen gewesen«, sagte Nicole. »Mit zwei Ärzten habe ich französisch gesprochen, mit den Schwestern deutsch, italienisch oder sowas Ähnliches mit zwei Scheuerfrauen und einem der Patienten, und von einem anderen habe ich eine ganze Menge Spanisch aufgeschnappt.«

      »Das

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