Verirrungen. Yupag Chinasky

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Verirrungen - Yupag Chinasky

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schämen und müsse erst sein inneres Gleichgewicht finden, auf jeden Fall sei er aber ihr, seiner Retterin, seiner Samariterin, außerordentlich dankbar, dass sie ihm geholfen habe und ihn mitgenommen habe, obwohl er ja alles andere als vertrauenswürdig ausgesehen habe, eher wie einer, der aus einer Nervenklinik geflüchtet sei, ein gefährlicher Verbrecher, vielleicht ein masochistischer Exhibitionist. Die Lehrerin meinte nur lakonisch, Hilfe in so einer Situation sei doch selbstverständlich, außerdem sei er ja gefesselt gewesen und daher weniger gefährlich, selbst wenn er ein gefährlicher Verbrecher oder gar Mörder wäre. In diesem Zustand wäre sie sicher mit ihm fertig geworden, wenn er frech geworden wäre, das hätte sie schon ihr Beruf gelehrt und als Biologielehrerin könne sie auch ein nackter Mann nicht irritieren und so masochistisch könne ja wohl keiner sein, dass er freiwillig, ohne triftigen Grund gefesselt und nackt im Wald umherirren würde und das bei dieser Hitze. Ihre berufliche Erfahrung war wohl auch der Grund, warum ihn die Lehrerin höchst skeptisch ansah, als er seine Geschichte los geworden war und die Erklärungen seiner misslichen Lage abgegeben hatte. Sie hatte genügend Erfahrung mit Lügen, drang aber nicht weiter in ihn. Dafür war er ihr sehr dankbar und beschloss, sich bei Gelegenheit großzügig bei seiner Retterin zu bedanken.

      Die Geschichte, die er der Lehrerin aufgetischt hatte, erzählte er auch in leichten Abwandlungen seiner Frau und auch diese glaubte ihm kein Wort. Warum war er überhaupt in einem Wald unterwegs gewesen, statt zum Bahnhof zu kommen und sie abzuholen? Überhaupt das Auto, es war doch absolut unlogisch, dass es immer noch auf dem Parkplatz in der Nähe des Hauptbahnhofs stehen soll, wie er denn in diesen Wald gekommen sei. Er sei nicht mit seinem eigenen Auto gefahren, erklärte er, sondern mit einem Mietwagen. Er habe schon seit Längerem mit dem Gedanken gespielt, ein neues Auto zu kaufen, ein anderes Modell und das habe er ausprobieren wollen, um sich ein Bild zu machen, bevor er viel Geld ausgibt. Er habe an diesem Nachmittag überraschend etwas Zeit gehabt und kurzerhand ein Auto für ein paar Stunden gemietet, um eine kleine Spritztour zu machen, zum Ausprobieren, wie gesagt und dann diese Kacke. Das einzig Gute sei, dass nun die Autovermietung sich mit dem Verlust herumärgern müsse, er habe ja Kasko gehabt und die schließe Diebstahl zum Glück mit ein. Seine Frau schaute ihn weiter voller Zweifel an. Von einem neuen Auto sei doch noch nie die Rede gewesen, das alte sei doch noch gar nicht so alt. Eben, meinte er, es sollte ja eine Überraschung sein, deswegen habe er die Testfahrt gemacht, als sie weg war.

      „Schatzi, eine richtig schöne Überraschung sollte das werden, glaub mir.“

      Sie blickte ihn mit noch mehr Zweifeln an, soviel Überraschung war sie schon seit Jahren nicht mehr gewohnt und das es den Ausdruck „Schatzi“, ein Wort, das sie früher oft gehört hatte, überhaupt noch gab, irritierte sie zusätzlich. Sie blieb skeptisch und kam gleich zur nächsten Ungereimtheit. Warum er sich um alles in der Welt weigere, zur Polizei zu gehen, das verstehe sie absolut nicht. Das sei doch ein blödsinniges Verhalten. Eine Anzeige bei der Polizei sei doch das einzig Logische und Sinnvolle, schon wegen der Versicherungen, denen er ja etwas vorlegen müsse. Was die Versicherung betreffe, sagte er resigniert, könne man gar nichts erwarten, die würden erstens sowieso nie zahlen und zweitens bei einem solchen Überfall schon gar nicht, von denen bekäme er keinen Pfennig, das sei völlig klar, die bräuchte er erst gar nicht anzusprechen, außerdem, sei das Auto ja gar nicht sein Problem, das sei das Problem des Händlers, den er im Übrigen bereits informiert habe. Diese Sache sei schon weitgehend ausgestanden. Wozu gäbe es denn Versicherungen. Und was die Polizei beträfe, die sei doch schlicht unfähig, die würden sich doch keine Mühe geben, um solche Banalitäten aufzuklären, die würden schlichtweg in der Bürokratie versanden. Es käme erfahrungsgemäß bei solchen Sachen nichts heraus. Auf ihre berechtigte Frage, wie viel Erfahrung er denn mit „solchen Sachen“ schon habe, zog er es vor, keine Antwort zu geben, statt dessen wiederholte er, sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen, sei genauso überflüssig, wie mit der Versicherung zu verhandeln. Er müsse die Sache in die eigenen Hände nehmen, nur dann hätte er eine Chance dieses Miststück zu finden, das ihn überfallen habe. Er sagte seiner Frau jedoch nicht, was er unter Miststück verstand und ließ sie in dem Glauben, es handele sich um den Unbekannten mit dem Knüppel.

      Der materielle Verlust, den er durch das Ereignis im Wald, wie er es nannte, erlitten hatte, war beträchtlich, aber überschaubar. Alles, was er bei sich gehabt hatte, Bargeld, Kreditkarten, Wertsachen, war natürlich weg. Die beiden Kreditkarten waren bis zum Limit belastet worden, obwohl er sie noch in der Nacht hatte sperren lassen. Die Wiederbeschaffung der wichtigsten Papiere, wie Ersatzführerschein und Personalausweis, würde dauern und natürlich kosten, aber besonders teuer würde der Austausch der Schlösser im Haus und im Büro werden. Er erklärte seiner Frau, dass dies unbedingt notwendig sei, da dieser Typ sowohl die Schlüssel als auch seine Adresse habe und sich jederzeit bedienen könne. Zum Glück hatte das Auto immer noch auf dem Parkplatz gestanden, als er es am nächsten Morgen aufsuchte und seltsamerweise klebte nicht einmal ein Strafzettel an der Windschutzscheibe, als wollte ihm das Schicksal eine weitere Streicheleinheit verpassen, zusätzlich zu der Samariterin. Nachdem er die notwendigsten Schritte bereits am folgenden Tag eingeleitet hatte, nur zu einem Arzt wollte er nicht gehen, genauso wenig wie zur Polizei, obwohl ihn seine Frau zu beidem drängte, hätte sein normaler Alltag fortgesetzt werden können. Aber es war nichts mehr normal, nichts war mehr so wie vor dem Ereignis im Wald. Seine Psyche war beschädigt, er war gedemütigt und verletzt worden, die Schmach musste getilgt werden und sein ganzes Denken war nur noch auf Rache ausgerichtet. Er brütete, sinnierte, plante, verwarf, verschob, plante erneut und konnte sich dennoch zu nichts Konkretem durchringen. Das Fatale war, dass er sich in diesem Zustand auf seine eigentliche Arbeit nicht mehr konzentrieren konnte. Das Geschäft litt, so lange ihn der Wunsch nach Aufklärung, Ermittlung der Täter, Wiedergutmachung, Rache beherrschte und alles andere übertönte und blockierte. Da er aber nicht wusste, wie er anfangen sollte, gegen wen er vorgehen konnte, wer ihn in diese peinliche, entwürdigende Lage gebracht hatte, musste er zunächst die Spurensuche ernsthaft aufnehmen, bevor er seine Rache systematisch planen konnte.

      Das erste, dringendste Problem war die Identität seines Entführers und des Lockvogels. Wer waren die beiden? Gab es Hinweise auf ähnliche Ereignisse? Wenn ja, wo bekommt man solche Informationen her. Von der Polizei? Nein, auf keinen Fall. Er hat aus gutem Grund auf eine Anzeige verzichtet, nicht nur weil er die Wahrheit vor seiner Frau verschleiern wollte, irgendwie wären die Einzelheiten bei einer offiziellen Ermittlung doch ans Licht gekommen, sondern weil er die ganze Chose selbst in der Hand behalten wollte. Er wollte Rache und Genugtuung, aber nicht Gerechtigkeit und bei diesen Plänen hätte ihn die Polizei nur gestört oder sie höchstwahrscheinlich vereiteln. Wo also anfangen? Im Internet, bei den Suchmaschinen im Internet, beschloss er. Er surfte, gab alle möglichen Stichwörter ein und fand auch einige vielversprechende Webseiten und Portale, wie www.straftaten-unaufgeklaert.de oder http://www.mysterioese-vorfaelle.de. Er las Berichte von vielen haarsträubenden Ereignissen, von seltsamen Vorfällen, von Ungerechtigkeiten, von Rätseln en masse, aber nichts brachte ihn weiter, nichts war zu finden, was er mit seinem konkreten Fall in Verbindung hätte bringen können. Er merkte rasch, dass er so nicht weiter kam, dass er professionelle Hilfe brauchte und so suchte er eine Detektei auf, die ihm geeignet erschien. Ein älterer, unscheinbar wirkender Mann, der so gar nicht dem Klischeebild eines Detektivs entsprach, hörte ihm geduldig zu, als er seinen Fall ausführlich und emotionsgeladen schilderte und in diesem Fall auch bei der Wahrheit blieb. Am Ende zeigte sich der Detektiv interessiert, erklärte sich bereit, Recherchen durchzuführen und nannte die Kosten, die auf den Auftraggeber zukommen würden, eine nicht ganz unbeträchtliche Summe ohne die Spesen, die noch dazu kämen. Sie verabredeten sich für ein weiteres Treffen und bis dahin solle er sehr gründlich nachdenken, als ob das nicht schon die ganze Zeit getan hätte, und alles, aber wirklich alles, was in seiner Erinnerung hängen geblieben war, und die sei ja noch sehr frisch, aufschreiben. Dann erklärte der Detektiv, dass er versuchen werde, herauszufinden, ob, wo und wann es in letzter Zeit Fälle von Prostitution in einem Wohnwagen in Verbindung mit Entführung, Raub oder Nötigung gegeben habe. Seltsam sei, dass ihn bisher niemand erpresst habe, aber das könne noch kommen und das sei gar nicht einmal so schlecht, denn dann hätten sie einen Anhaltspunkt, einen Hinweis auf den Täter, eine Spur, die möglicherweise zu ihm führte. Aber darauf sollten sie

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