Reisen Band 1. Gerstäcker Friedrich

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Reisen Band 1 - Gerstäcker Friedrich

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bewilligt, daß ich bestimmte Länder, zu denen die La Platastaaten gehörten, dafür besuchen wolle. Wenn ich nun auch die feste Absicht hatte, diese jedenfalls auf dem Rückweg, um das Cap der guten Hoffnung heimkehrend, zu bereisen, so lag dazwischen doch noch ein langer Zeitraum und außerdem die ganze Welt, und ich beschloß endlich, mich in Rio de Janeiro wenigstens genau nach einer solchen Landreise zu erkundigen. In Rio erhielten wir aber zu unserem Erstaunen so mißliche Nachrichten über die Argentinische Republik, durch die hier mein Weg, querüber durch die Pampas, lag, es wurden uns solch' entsetzliche Geschichten von den jetzt empörten Indianern und nachher dem Schnee der Cordilleren, die wir gerade hätten mitten im Winter passiren müssen, erzählt, daß mein Begleiter die Sache in Verzweiflung aufgab und seinen Dollar Wette bezahlte. War ich aber vorher noch unentschlossen gewesen, so schien es, als ob mich diese sonst keineswegs ermuthigenden Nachrichten erst hartnäckig gemacht hätten. Schon in Nordamerika hatte ich erfahren, wie oft solche Berichte über Weitentfernte Strecken übertrieben seien und Manches in der /18/ Nähe eine ganz natürliche Färbung bekomme, was uns, weit davon entlegen, in fabelhafter Weise ausgeschmückt wurde. Nicht wenig vertraute ich dabei auf mein gutes Glück, das mir in früherer Zeit schon manchmal durchgeholfen. Das Resultat war, daß ich mit einem kleinen deutschen Schooner, der unter argentinischer Flagge zufällig im Hafen lag und nach Buenos-Ayres bestimmt war, meine Passage abschloß und mich schon am 16. Mai aus diesem nach der argentinischen Republik hin einschiffte.

      In den La Platastaaten und den weiten Pampas Südamerikas lernte und sah ich mehr, als an Bord eines von Passagieren dichtgedrängten Schiffes, und was die Gefahren betraf, so besaß ich zu vielen Leichtsinn, an die eher zu denken, als sie mir wirklich entgegentraten.

      Für alle Solche übrigens, welche nach mir Lust haben sollten dieselbe Tour zu unternehmen, möchte ich eine wohlmeinende Warnung hier beifügen, und diese besteht darin, ihre Papiere bei guter Zeit fertig zu machen, damit sie nicht im entscheidenden Augenblick durch irgend eine erbärmliche Kleinigkeit, die ihnen aber förmlich unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg wirft, aufgehalten werden. Nicht allein muß man nämlich seinen Paß von dem Buenos-Ayres-Consul visirt und ebenfalls von der Polizei die Erlaubniß darauf verzeichnet haben, auf einem andern Schiffe, als mit dem man angekommen, den Hafen wieder verlassen zu dürfen, sondern es ist auch noch eine Erlaubnißkarte nöthig, „das Passagiergut von einem Schiff auf das andere schaffen zu dürfen", und befindet sich zufällig ein „Gewehr" bei diesen Effecten, so fangen Aufenthalt und Kosten an in's Fabelhafte zu gehen. Das Gewehr muß dann, wenn man nicht andere Mittel und Wege findet dem Rechtsschlendrian zu entgehen, erst an's Ufer geschafft und - ich glaube, mit vierzig Procent versteuert, und dann erst wieder an das neugewählte Schiff gebracht werden. Nach zwei Uhr Nachmittags ist aber auch selbst dies nicht mehr möglich, und der ganze wie der nächstfolgende Tag versäumt, da die Schiffe nur mit der bis zehn Uhr etwa wehenden Landbrise auslaufen können. Ich meinestheils habe es nur der Freundlichkeit und wirklich aufopfernden Gefällig-/19/keit des Herrn Viceconsuls Heymann in Rio-Janeiro zu danken, daß es mir überhaupt möglich wurde, allen Anforderungen zu genügen und mit den nöthigen Papieren von Bord des Talisman und an Bord des San-Martin zu kommen. Eine geraume Zeit meines kurzen Aufenthalts in Rio ist mir aber durch diese entsetzlichen Weitläufigkeiten wirklich auf das Fatalste verbittert worden, und ich bekam in der That von Brasilien, auf das ich mich so lange schon gefreut, fast gar nichts zu sehen. Aber ich gab die Hoffnung nicht auf, das in einer späteren Zeit nachzuholen, und ging ohne Weiteres an Bord meines neuen Fahrzeugs, des San-Martin.

      Der Talisman mußte noch wenigstens eine volle Woche im Hafen bleiben, und da der San-Martin augenblicklich segelte, hatte ich die Hoffnung Buenos-Arires zu erreichen, ehe mein altes Schiff nur wieder in See ging. Dort konnte ich mich dann einige Wochen aufhalten, und hoffte so immer noch, Valparaiso am Stillen Meere zu erreichen, ehe der Talisman im Stande war die oft sehr langwierige Reise um Cap Horn zu beenden. Für den Fall aber, daß mir irgend etwas passire oder ich aufgehalten würde, hatte ich vom Cargador wie Capitain des Talisman das feste Versprechen erhalten, daß sie meine Effecten in dem Geschäft der Herren Lampe, Müller und Fehrmann einsetzen wollten, und ich konnte dann später mit einem andern Heydorn'schen Schiffe nach San-Francisco nachkommen. Den Umständlichkeiten Rio de Janeiros glücklich entgangen, - meine Büchsflinte mußte ich sogar noch an Bord des San-Martin hinüber schmuggeln - schiffte ich mich am 16. Mai aus diesem kleinen Schooner nach Buenos-Ayres ein. Die ersten Tage schien auch ein ziemlich guter Wind unsere kurze Fahrt begünstigen zu wollen, und die Reise kann, wenn Alles zusammen stimmt, recht leicht in fünf Tagen zurückgelegt werden. Hatten wir dies aber erwartet, so sollten wir uns bald gewaltig getäuscht finden, denn der Wind drehte sich, und am 21. verwandelte ein Pampero die ruhig wogende See in ein wildes, sturmgepeitschtes Meer, auf dem unsere kleine Nußschale von Fahrzeug auf das Unerbittlichste umhergeschleudert wurde. Pampero ist übrigens ein Wort, /20/ das der diese See Befahrende gerade zur Genüge zu hören bekommt, und mit dem ich den deutschen Leser (der es sich aus solche Art recht gut gefallen lassen kann) ebenfalls etwas vertrauter machen will.

      Der Pampero, wie ihn die Seefahrer hier nennen, ist ein ziemlich periodisch wiederkehrender und selbst in seiner Richtung regelmäßiger Sturmwind, der seinen Namen, da er stets aus Westen und Südwest weht, von den weiten Pampas bekommen hat, über die er daherbraust. Gewöhnlich beginnen die ersten Anzeichen mit einem scharfen Nordwind, der mehr und mehr nach Westen herüberzieht. - Kaum ist der Wind ziemlich West, so kommt ein fluthender Regen und in diesem zugleich die erste Bö, das erste Anprallen des Pampero. So rasch und plötzlich setzt aber der wirkliche Pampero ein, und so gewaltig ist er in seiner Kraft, daß schon manches Fahrzeug, dessen Capitain die ersten Anzeichen nicht beachtete oder gar nicht kannte, sämmtliche Stengen über Bord geworfen hat, ehe die oberen Segel geborgen, die unteren gereeft werden konnten, ja wohl auch ganz und gar verloren ging. Hat der Sturm nun von dieser Richtung ausgetobt, so zieht er gewöhnlich mehr nach Süd, Südost, Ost und Nordost herum und weht dann mäßiger. So schnell wendet er aber dabei und ändert seine Richtung, daß er manchmal schon in fünf Minuten vom scharfen Nord zum wüthendsten Südwesten wird und dann allerdings den Schiffen höchst gefährlich werden muß.

      Unser späterer Lootse, ein alter Amerikaner, sagte mir, daß er es schon erlebt habe, wie der Pampero auf solche Art dreimal in vierundzwanzig Stunden um den Compaß gewechselt sei. Die See geht nach diesen Stürmen ungemein hoch, und der Aufenthalt in einem kleinen Schooner ist nichts weniger als angenehm; man wird von einer Seite zur andern geworfen, und weder Ruhe noch Rast ist zu finden. Erst am dritten Tag beruhigt sich gewöhnlich das Wasser wieder.

      Ein solcher Pampero jagte uns nun am 21., 22. und 23., größtenteils mit dichtgereeften Segeln und nur mittelmäßig unsern Cours verfolgend, auf der See herum. Besonders tröstend war dabei die Aussicht, in ganz kurzer Zeit diesen angenehmen Besuch erneut zu bekommen, da die Pamperos um diese Jahreszeit gewöhnlich mit jedem Mondwechsel, mit Neumond, erstem, letztem Viertel und Vollmond, also den Monat viermal wiederkehren. Am 25. besserte sich der Wind, und am 26. kamen wir in Sicht des nördlichen La Plata-Ufers.

      Am 27. waren wir in der Mündung bei der Insel Lobos (Seehundsinsel), die, wie einer meiner alten Lehrer in Leipzig vom Hasen sagte, „ihren Namen wirklich mit Recht führt". Wir sahen Massen von Seehunden in dem jetzt vollkommen ruhigen Wasser, denn der Wind starb bald zu völliger Stille ab, und unser Capitain versicherte mir, er würde das Boot aussetzen, wenn ich einen der Seehunde von Bord aus schießen könne. Um meine gute Büchsflinte nicht auf der See einzuschmutzen und vom Seewasser rosten zu lassen, hatte ich bis dahin meiner Jagdlust Gewalt angethan. Die Gelegenheit war aber zu verlockend - Seehundsjagd im Rio de la Plata und Wild dazu in Masse. Ich lud, und zwei Seehunde, die sich gleich nacheinander auf etwa vierzig Schritt dem Schiff näherten und das rauhe, auf's Aeußerste erstaunte Gesicht über dem Wasser zeigten, büßten ihre Unvorsichtigkeit mit dem Tode. Rasch wurde nun das kleine Boot ausgesetzt, ehe wir aber zu den Erlegten hinkommen konnten, waren sie schon gesunken.

      Ich schoß jetzt noch nacheinander sechs Stück, meist in den Kopf, ohne aber im Stande zu sein, auch nur einen einzigen in‘s Boot zu bekommen; den siebenten traf ich endlich, um ihn nicht gleich zu tödten, weil sie dann augenblicklich wegsanken, in den Hals, und als unser Boot, während das verwundete und halbbetäubte

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