Dom zu Magdeburg. J. F. W. Koch
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5.
Im Jahre 1667 am 30. Nov. wurde die Domkirche am ersten Adventssonntage zum erstenmal dem evangelisch-lutherischen Gottesdienste geöffnet.
Daß dieseß im Dom 43 Jahr später geschah, als in den übrigen Kirchen der Stadt, welche schon im Jahr 1504 ihre evangelischen Prediger hatten, lag theils darin, daß der höhere Clerus, also auch die Domcapitel, am schwersten sich entschlossen, sich für die Reformation zu erklären, weil sie dadurch einen großen Theil ihres Ansehens, Einflusses und Wohllebens einzubüssen fürchteten; theils darin, daß der Magistrat der Stadt die Domkirche seit 1546, also über 20 Jahre lang, allem Gottesdienst verschlossen hielt, weil er einen Katholischen Cultus darin nicht gestatten wollte, bis endlich die Streitigkeiten beygelegt wurden und an dem genannten Tage die Domkirche der Reformation beytrat. Das Andenken dieser Begebenheit erhält die Inschrift der blauen Tafel, welche an der Vorderseite des hohen Chors befindlich ist.
Eben diese Streitigkeiten, welche zwischen dem Erzbischof und der Stadt wegen der Einführung der Reformation entstanden, haben auch veranlaßt, daß genaugenommen der Bau dieses; Tempels nicht eigentlich ganz vollendet zu nennen ist. Denn an der Ostseite desselben findet man eine Anlage zu noch zwey Thürmen, welche nicht ausgebauet, sondern nur in neuern Zeiten mit einem Stockwerk von Holz und einem gemeinen Dache geschlossen sind. Daß diese Thürme nach dem Plan des Baumeisters nicht so hoch, als die westlichen, haben werden sollen, lehrt der Augenschein. — Die Chronik erzählt, die Werkstücke zur Vollendung ihres Aufbaues haben, gegen die Zeit der Reformation wirklich bereit gelegen; der Bau selbst sey aber durch diese Streitigkeiten nicht nur behindert, sondern letztere habe sich sogar der angeschaften Materialien bemächtigt und sie zur Ausbesserung und Erweiterung der Festungswerke in der Gegend des Doms verbraucht, um sich im Schmalkaldischen Kriege bey der Belagerung der Stadt vom Churfürsten Moriz von Sachsen desto kräftiger vertheidigen zu können.
6.
Vier und Sechszig Jahr darauf, 1631 war auch dieser Dom in großer Gefahr, ein Raub der Flammen zu werden, als Tilly am 10. May (alten Styls ; denn nach unserm Kalender war es der 20. May) die Stadt erstürmen und einäschern ließ. Es hatten sich, — nach Otto von Guerike's Zeugniß, — an 4ooo Einwohner gegen die schändlichen Mißhandlungen der stürmenden Unholde in den Dom geflüchtet und daselbst eingeschlossen. Als Tilly am 12. May über die dampfenden Schutthaufen in die Stadt kam, ließ er sie auffordern, die Kirche zu öffnen, und sich zu ergeben.
Da trat an ihrer Spitze der ehrwürdige Domprediger Bake heraus, fiel dem Sieger zu Füßen und sagte folgende, dem Virgil nachgebildete, Verse:
Venit summa dies et ineluctabile fatum Magdburgo. Fuimus Troes; fuit ilium et ingens
Gloria Parthenopes!
Diese Worte besänftigten den Wütherich. Er verschonte die Unglücklichen und den Ort ihrer Zuflucht; jedoch nahm er eine große Menge von den Reliquien, die, zum Theil noch eine Gabe des Kaysers Otto, aus dem alten Dom gerettet und hieher gebracht, waren, mit hinweg.
Diesem Muthe, mit welchem Bake dem stolzen Sieger entgegentrat und ein besseres. Gefühl in ihm aufregte, ist die Erhaltung dieses Prachtgebäudes zu verdanken. Denn, außer dem, auch nur mit Mühe geretteten, Kloster Unser Lieben Frauen, wurde die ganze Stadt, sammt allen ihren Kirchen, mit Ausnahme weniger Häuser, ein Schutthaufen. Nur der südliche Thurm hat wahrend dieser Belagerung gelitten und trägt noch da die sichtbaren Spuren derselben, wo die feindlichen Kugeln angeschlagen sind; auch ist ihm damals die Krone weggeschossen, weil die Belagerten von diesem Thurm aus mit ihren gezogenen Röhren in den Laufgraben den Belagerern vielen Schaden angerichtet hatten.
Aus der neuesten Geschicht« mag zum Schluß hier hoch bemerkt werden:
Daß 1810. am 10. Dec. diese Kirche durch die von der Westphälischen Regierung ausgesprochene Aufhebung des Domcapitels nicht nur ihre würdigen Vorsteher verlor, sondern auch die nöthigen Fonds zu ihrer Erhaltung. Dies war um so mehr zu beklagen, da die allmählige Herstellung dessen, was die Zeit daran verwüstet hat, nicht nur beschlossen, sondern wirklich begonnen war, z. B. an der nördlichen Gallerie des Schiffs. Von der edlen Regierung, welche sich unsre Stadt wieder erkämpft hat, läßt sich mit Zuversicht hoffen, daß sie diese Zierde derselben wieder unter ihre schüzende Obhut nehmen werde.
Im Jahre 1811 (22. Jul.) nahmen sie die französischen Behörden zu einer Niederlage der Colonialwaren weg, wobey zwar der Fortgang des Gottesdienstes im hohen Chor gestattet wurde, aber mehrere von den schönen Kunstwerken durch Staub und theils sorglose, theils selbst gewaltthätige, Behandlung bedeutend gelitten haben.
Im Jahr 1813. im Februar mußte die ganze Kirche geräumt werden, und die Stühle wurden zum zweytenmale sämmtlich weggebrochen, weil man sie zti einem Militair-Magazin und während der Blokade gar zu einem Schaafstall entweihete. Mit der Aufhebung der Belagerung durch den Pariser Frieden entging sie zum zweytenmale der Gefahr einer gänzlichen Verwüstung. Am 29. May 1814, am ersten Pfingsltage, ward darin, ob sie gleich nur erst gereinigt und noch nicht hergestellt war, das feyerliche Dankfest für die Besitznahme der Stadt durch die Preußen, welche am 24. d. M. geschehen war, begangen, und erst am 21. August war sie durch die gütige Fürsorge des Königl. Geheimen Staatsraths Civil - Gouverneurs und Ritters, Herrn von Klewiz, so weit wieder eingerichtet, daß sie von neuem der Gottesverehrung geöffnet werden konnte.
Zweyter Abschnitt.
Das Aeußere des Doms.
Ein Fremder verläßt nicht leicht Magdeburg ohne, wenn auch nur von außen, den Dom gesehen; — und er sieht ihn nicht, ohne ihn bewundert zu haben. Dies verdient er aber auch wirklich, nicht blos als ein ehrwürdiges Denkmal der grauen Vorzeit, sondern auch und vornehmlich als ein Meisterstück der alten Baukunst. Dafür halten ihn alle Kenner der Architectur; und, je mehr sie in die einzelnen Theile dieses Prachtgebäudes eingehen, desto mehr finden sie, daß dasselbe von den Eigentümlichkeiten des, — wie man sagt — „gothischen“ Geschmacks in der Baukunst eine ziemlich vollständige Anschauung gebe.
Man sollte aber sagen: des „altdeutschen“ Geschmacks. Denn es ist wohl außer Zweifel, daß das ganz rohe Nomadenvolk der Gothen bey seinem Eindringen in Italien von dieser Kunst eben so wenig etwas gewußt habe, als von allen übrigen Künsten; auch paßt der Ausdruck „gothisch“, wodurch gewöhnlich das Geschmacklose, also das Ungeordnete Unbestimmte, Zusammengestoppelte und Ueberladene bezeichnet wird, gewiß nicht auf ein Kunstwerk dieser Art, woran schon ein flüchtiger Ueberblick das Gegentheil davon: das Große, Kühne, Feste, Zweckmässige und Gleichförmige bewundern läßt.
Der Geschmack, in welchem der Dom erbauet ist, ist deutsch, und entstand in den mittlern Jahrhunderten; hielt sich rein von fremder Beymischung, und unterscheidet sich durch einen eigentümlichen Charakter, dessen ausführlichere Darstellung hier wohl nicht erwartet wird und wovon ich nur seine Kreuzgewölbe nenne, seine Verwandlung der Kreislinien in Polygone, seine in Spitzen auslaufende Formen, seine Spitzbögen, Spitzgiebel, Spitzpfeiler und seine starken Strebepfeiler, welche zusammen den Anblick eines gewissen mächtigen Emporstrebens und Gegeneinanderstrebens der Theile gewähren.
Über die Entstehung, den Charakter und den Werth dieses Geschmacks in der Architectur findet man in der meisterhaft künstlerischen