Anne und die Horde. Ines Langel

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Anne und die Horde - Ines Langel

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habe nicht vor, heute zu sterben!“, sagte Anne gereizt.

      „Natürlich nicht mein Engel. Das sagt ja niemand.“

      „Kann ich dann jetzt meine Haferflocken essen?“

      „Ich weiß nicht, ob Flocken für dich das richtige sind. Was hältst du von Zwieback und geriebenem Apfel?“

      „Bitte Mama, mir geht es gut.“

      „Na also“, sagte Swontje, „ Dann lass doch den kleinen Mistkäfer seine Gesundheitspampe essen.“

      „Swontje, bitte“, rief Mama genervt.

      „Ist ja gut“, sagte Swontje beleidigt und ging aus der Küche.

      Anne seufzte. „Ehrlich Mama, mir geht es gut. Ich habe nur Hunger.“

      Mama sah ihr kleines Mädchen lange an, dann sagte sie: „Na schön. Geh wieder ins Bett, ich bringe dir deine Haferflocken und Tee. Ich möchte, dass du dich heute den ganzen Tag ausruhst, klar? Sollte es dir morgen nicht besser gehen, ist der Arztbesuch unumgänglich, keine Widerrede.“

      „Ist ja gut“, sagte Anne und ging zurück in ihr Zimmer. Als sie an Swontjes offen stehender Tür vorbeikam, konnte sie ihren Bruder am PC sitzen sehen. Er blickte auf und warf ihr einen verächtlichen Blick zu. Warum war Swontje so? Warum konnte er sie nicht leiden? Hatten alle Mädchen solche Probleme mit ihren Brüdern? Anne zuckte mit den Schultern und kroch zurück in ihr Bett. Sie hatte andere Sorgen. Swontje konnte ihr gestohlen bleiben. Ein Tag im Bett war keine schlechte Idee. Dann würde sie topfit sein für das Treffen am Abend. Allerdings, vielleicht kam es ja gar nicht zu diesem Treffen. Vielleicht waren die Heinzel froh, sie los zu sein. Auf jeden Fall wurde dann nichts aus dem Hexentest. Hexentest – wie das klang. Wer weiß, worum es da ging. Wer weiß, worauf sie sich einließ, falls das nicht sowieso alles Hokuspokus war, dummes Zeug. Anne spinnt mal wieder, würde Swontje sagen. Vielleicht spann sie wirklich. Vielleicht hatte sie sich diese ganze Heinzelmännchen und Heinzelmädchen – Geschichte nur eingebildet. Vielleicht war sie…. Nein, dachte Anne, ich bin nicht verrückt. Ich habe mir Zankintos, Zantana und Zucker nicht ausgedacht und auch nicht den Golfplatz. Ich habe sie gesehen. Ich habe mit ihnen gesprochen. Ich bin in ihrer Wohnanlage unter dem Golfplatz gewesen. Ich habe all die Sachen gesehen, die sie gestohlen haben oder getauscht, den Hirsch an der Wand, den Kinderwagen, ach ja, und was war es denn noch, der rote Sessel, der Kompass, ihren Kompass, nein, den hatte sie nicht gesehen, noch nicht, das war ja der Grund gewesen, schon deshalb musste sie heute Abend, schon deshalb, heute Abend …. Anne kam nicht mehr dazu, den Gedanken zu Ende zu denken. Sie war schon wieder eingeschlafen.

      Als Papa am späten Nachmittag von der Arbeit kam, hatte Anne den ganzen Tag geschlafen und war nun hell wach und topfit. Weil sie nicht wusste wohin mit ihrer Energie, hatte sie begonnen, ihr Zimmer aufzuräumen. Papa stieß die Tür auf. Er blieb verblüfft stehen.

      „Mama sagte, dass du krank bist. Doch dass es so schlimm ist, hat sie nicht gesagt.“

      Anne wischte sich mit dem Staubtuch über die verschwitzte Stirn.

      „Was ist schlimm?“

      „Na, deine Krankheit.“

      „Meine was?“

      Papa lachte. „Oder würdest du dein Zimmer aufräumen, wenn du gesund bist?“

      Anne warf das Staubtuch nach ihm. Papa fing es geschickt auf.

      „Ich bin froh, dass es dir besser geht, Mausezahn. Aber ich finde es falsch, dass du schon aufstehst.“

      Mit sanftem Druck verfrachtete Papa Anne wieder zurück in ihr Bett. Sie protestierte ein bisschen, aber dann ergab sie sich murrend. Die Zeit verging sehr langsam. Auch wenn ihre Eltern in regelmäßigen Abständen nach ihr sahen, hatte Anne keine Ablenkung. Sie wartete einfach, ohne genau zu wissen, worauf. Vielleicht auf Zankintos? Sie holte das Märchenbuch der Gebrüder Grimm aus dem Regal und begann zu lesen. Aber sie hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Irgendwann brachte ihr Mama Zwieback bestrichen mit Butter und Hagebuttentee ans Bett. Und irgendwann kam Mama, um Gutenacht zu sagen, die Rollos runterzulassen und das Licht auszuschalten.

      Swontje und Mama mussten schon schlafen, und Papa, wie Anne hören konnte, schaute noch die Spätnachrichten im Fernsehen. In ihrem Zimmer war es dunkel. Keine Ablenkung, nur die Geräusche der Wohnung und das Schlagen ihres Herzens. Nein, ihren Herzschlag konnte sie nicht hören, aber spüren konnte sie ihn. Anne zählte ihre Herzschläge, und als sie bei 23 war, hörte sie, wie jemand an ihr Fenster klopfte. Anne setzte sich ruckartig auf und lauschte. Wie konnte jemand an ihr Fenster im zweiten Stock klopfen? Wieder hörte sie das Geräusch. So leise es ging, zog sie das Rollo hoch. Sie traute ihren Augen nicht. Aber es war keine Sinnestäuschung. Auch wenn sich Anne die Augen rieb, das Bild ging nicht weg. Zantana. Hinter ihrem Fenster schwirrte tatsächlich Zantana. Das Heinzelmädchen schlug so schnell mit den Flügeln, dass Anne diese nur als bunte Bewegung wahrnehmen konnte.

      „Zantana“, flüsterte sie. „Was machst du hier?“

      „Ich kommen dich abzuholen.“

      „Wie abholen?“

      „Wir fliegen.“

      Anne hangelte sich am Fensterbrett hoch und sah nach unten. „Und wenn ich runterfalle?“

      „Nicht Angst haben, werde dich festhalten. Musst mir vertrauen.“

      Anne sah in die violettfarbenen Augen und nickte.

      „Mein Papa schläft noch nicht. Was, wenn er noch mal nach mir schaut, und ich bin nicht da?“

      „Ist Null Problem.“

      Zantana flog in das Zimmer. „Wo ist Papa?“

      „Im Wohnzimmer“, sagte Anne. Sie wies in die Richtung.

      Zantana setzte sich sofort in Bewegung, Anne hintendrein. Sie erreichten unbemerkt das Wohnzimmer. Papa starrte gebannt auf den eckigen Kasten. Hin und wieder trank er einen Schluck Bier. Zantana legte ihre Hände auf Annes Ohren. Plötzlich herrschte eine beklemmende Stille, wie Anne sie noch nie erlebt hatte.

       Warum tut sie das? Darf ich nicht hören, was sie jetzt macht?

      Anne sah, wie Zantana mit den Flügeln schlug. Anders als beim Fliegen vor dem Fenster, konnte Anne die Bewegung genau beobachten. Der rechte Flügel fächerte zu, währen der Linke nach oben gedreht wurde, dann umgekehrt. Schneller und immer schneller vollführte Zantana diese Bewegung, so dass ein Luftzug und schließlich ein solcher Sog entstand, dass Anne die Augen schließen musste. Nach einer Weile nahm Zantana die Hände von Annes Ohren. Leise verklang ein Geräusch. Es klang wie ein Gong. Da öffnete Anne auch wieder die Augen. Sie sah ihren Vater wie leblos im Sessel sitzen.

      „Was hast du gemacht?“, fragte sie erschrocken.

      „Nicht Angst haben. Papa wird schlafen bis morgen früh. Wird aufwachen und sich gut fühlen, sehr, sehr gut.“

      Anne war erleichtert. Sie staunte, was Zantana alles konnte. „Ihr Heinzelmädchen seid wirklich toll.“

      Oh, danke. Und jetzt zu Mama und Bruder. Wo lang?“

       Anne ging voraus, zuerst in Swontjes Zimmer. Ihren schlafenden Bruder so

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