Anne und die Horde. Ines Langel
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„Wasser? Wieso kann sich Wasser verwandeln?“
„Ja, überleg mal. Was wird aus Wasser, wenn es gefriert?“
„Eis.“
„Und wenn man es erhitzt?“
„Dampf.“
„Siehst du, Wasser kann sich aus seinem flüssigen Ausgangszustand in zwei weitere Zustände verwandeln, Eis und Dampf. Als sich die klugen Köpfe solche Verwandlungen bewusst machten, waren sie ganz aus dem Häuschen und begannen eifrig zu experimentieren. Vorher hatten die Menschen geglaubt, dass jedes Ding eine unveränderliche Gestalt hat, weil Gott das so will. Jetzt fanden sie heraus, dass sie in die Natur eingreifen und die Dinge verändern konnten. Sie mussten sie nur mit anderen Dingen verbinden oder erhitzen.“
Anne verstand, was ihr Vater meinte. „Dann glaubten die Alchemisten also, man muss nur das richtige Rezept finden, damit sich Blei in Gold verwandelt.“
„Richtig“, sagte Papa erfreut. „Du bist wirklich ein kluges Kind.“
„Chemie könnte ich auch belegen“, meldete sich Swontje.
Anne warf ihm einen vernichtenden Blick zu, doch ihr Bruder bemerkte es nicht.
„Chemie steht doch bereits auf deinem Stundenplan“, sagte Mama.
„Man kann aber einen Extrakurs belegen“, sagte Swontje und schon hatte er wieder die volle Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.
Anne stocherte in ihrem Essen und überlegte. Eigentlich waren die Alchemisten doch ganz harmlos gewesen. Aber nicht alle. Einige waren auf Abwege geraten. Das waren die Magi. Sie wollten durch Zauberkräfte erreichen, was sich bei ihren Experimenten im Labor nicht erreichen ließ, zum Beispiel Gold oder ewiges Leben. Und wie kamen sie zu Zauberkräften? Über dieser Frage hatten sie geforscht und geforscht. Und endlich hatten sie es herausgefunden: indem sie zauberkräftige Wesen bannten und aussaugten, um deren Magie zu absorbieren. Und weil die Magie bei ihnen nicht lange anhielt, mussten sie immer neue Wesen aussaugen. Nur so konnten sie unsterblich bleiben.
Plötzlich war Anne alles klar. Sie schauderte bei dem Gedanken, dass Merymend dringend einen Magieschub brauchte und deshalb auf der Suche nach einem neuen Opfer war. Kein Zweifel, Merymend war zu allem entschlossen. Sie musste auf der Hut sein.
Im Kreis des Dämonen
Dauernd musste Anne an den Kakapo denken. Konnte es sein, dass der Magus ihm weh tat? Würde er den Vogel am Ende umbringen? Sie wusste zwar, dass es sich nicht um einen Vogel handelte, doch immer, wenn sie an den Dämonen dachte, sah sie die kleinen schwarzen Knopfaugen vor sich, Knopfaugen, die sie flehentlich ansahen. Sie musste etwas unternehmen. Sie musste zurück in den Buchladen und den Kakapo befreien.
Und was ist, wenn er mich dann in Stücke reißt?
Sie musste mit dem Dämonen sprechen. Von dem Gespräch hing ab, wie sie sich entschied. Am helllichten Tage konnte sie ihn allerdings nicht befreien. Merymend würde sie nicht aus den Augen lassen. Nein, sie musste bei Nacht kommen, und sie würde Hilfe brauchen. Es gab auch schon jemanden, der bereit war, sie bei dem gefährlichen Unternehmen zu unterstützen.
Anne hatte nicht lange gebraucht, um Mama zu überreden, mit ihr in den Buchladen zu gehen. Dumm nur, dass Mama Swontje mitnehmen wollte. Anne konnte ihr diese Idee nicht ausreden. Sie hoffte innständig, dass Swontje ihr keine Schwierigkeiten machte. Sie durfte nicht gestört werden, wenn sie die räumlichen Gegebenheiten des Buchladens ausspähte. Vor allem musste sie allein sein, wenn sie mit dem Dämonen Kontakt aufnahm. Der Dämon musste eingeweiht und natürlich bereit sein, sich retten zu lassen, wenn sie in der folgenden Nacht mit Zankintos Hilfe in den Laden eindrang.
Zankintos – Anne seufzte. Würde der Heinzel einen Rückzieher machen? Würde er durchhalten, wenn sie in den Buchladen einbrachen? Würde er vor Angst davonlaufen, wenn etwas Unvorhergesehenes geschah? Anne war sich darüber im Klaren, dass sie sich auf ein gefährliches Abenteuer einließen. Mit Recht war der Heinzel nicht begeistert gewesen, als sie ihn um seine Hilfe gebeten hatte.
Uijuijuijui, Anne!“, hatte er gesagt, „Dämonen gefährlich. Besser nicht zu nah an sie rangehen.“
Aber Anne hatte gefragt: „Willst du etwa, dass der Magus den Dämon absorbiert?“ Da hatte der Heinzel den Kopf geschüttelt und sie dabei ganz ängstlich angesehen. Anne war nicht glücklich Zakintos so zu sehen. Doch hatte sie eine andere Wahl? Sie brauchte Zankintos. Er würde dafür sorgen, dass sie in den Buchladen eindringen konnten. Und sie würde mit einer vorher angefertigten Skizze dafür sorgen, dass sie sich in dem Laden zurechtfanden.
War der Laden für Anne schon beim letzten Besuch ein unheimlicher Ort gewesen, so war er es nun noch viel mehr. Seitdem sie den Hexentest bestanden hatte, konnte sie Dinge wahrnehmen, die anderen verborgen blieben. Zwar hatte sie auch vorher schon geschärfte Sinne gehabt, doch seit jenem Bad im See war diese Gabe um ein Vielfaches verstärkt worden. So konnte sie den Laden jetzt riechen, bevor sie ihn sah. Zuerst dachte sie, dass sie sich das nur einbildete, doch je näher sie dem Laden kam, desto stärker und unangenehmer wurde der Geruch. Es roch metallisch und salzig. Noch nie zuvor hatte sie einen solchen Geruch wahrgenommen. Anne konnte es nicht beschreiben, doch es war durch und durch Ekel erregend. Swontje und Mama bemerkten natürlich nichts. Mama gab gerade einen Witz zum Besten, den sie am Morgen in der Zeitung gelesen hatte. Mama war die schlechteste Witze–Erzählerin, die man sich denken konnte. Häufig vergaß sie die Pointe. Diese hier hatte sie sich ausnahmsweise gemerkt, weshalb sie umso enttäuschter war, als niemand lachte.
„Habt ihr den Witz nicht verstanden?“, fragte sie verwundert.
„Doch“, antwortete Swontje. „Er ist aber nicht lustig.
„Nicht?“, fragte sie enttäuscht. „Vielleicht habe ich ihn falsch erzählt.“
„Schon möglich“, sagte Swontje vorsichtig.
„Findest du das auch Anne?“
Mama sah Anne an, und blieb stehen. „Anne, was ist denn, du bist ja ganz grün um die Nase.“
„Ach was“, sagte Anne schnell.
„Nein wirklich Schatz, ist dir schlecht?“
„Nein, Mama, mir geht’s prima.“
„Ihr ist anscheinend dein Witz auf den Magen geschlagen“, lästerte Swontje.
Mama knuffte ihn in die Seite. Swontje konterte, worauf Mama ihn spielerisch in den Schwitzkasten nahm. Anne schluckte ihre Übelkeit hinunter. Schnell betrat sie den Laden. Eigentlich hätte sie gerne noch einen Blick auf das Frauenbildnis am Eingang geworfen, doch Mama und Swontje verstellten ihr die Sicht. Kaum hatte sie den Laden betreten, war der üble Geruch verschwunden. Verwundert sog Anne die Luft ein. Sie schnüffelte hierhin und dorthin, doch der Geruch war draußen geblieben.
„Eigenartig“, murmelte Anne in Gedanken.
„Suchst du was Bestimmtes?“
Anne entfuhr ein Schreckenslaut. Merymend stand wie aus dem Boden gewachsen vor ihr. Er ahmte ihr Geschnüffel nach.
„Riechst