Piraten, Gouda und Genever. Claus Beese
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Читать онлайн книгу Piraten, Gouda und Genever - Claus Beese страница 9
»Stimmt! Wir haben Sie nach Sandstedt gebracht und dort wurden Sie von einem Rettungswagen in ’s Krankenhaus gefahren. Mann, was bin ich froh, Sie heil und munter zu sehen«, freute sich Heinz und strahlte. Was für ein Zufall, der uns alle hierher geführt hatte.
»Un ick frrreu mich bannig, dass ich mich nu ein wenig bedanken kann. Los Jungs, das Fass muss lenz werden. Zurückgeben kann ich es nich mehr!«
Was meinte der Kerl damit, das Fass könne er nicht mehr zurückgeben? Und was war das für ein Gerede über den alten Mann? Ganz flüchtig schossen mir diese Gedanken durch den Kopf, aber meine Freunde lenkten mich ab.
»Leute! Was hier passiert ist, ist die merkwürdigste Sache, die mir je untergekommen ist, da bin ich mal ganz ehrlich«, stellte der lange Kuddel fest. »Ob der alte Fischer, der da angeblich bei unserem Wirt saß, wirklich auch der Geist des Mannes war, der vor langer Zeit ebenfalls dort über Bord ging und den man nicht rechtzeitig gefunden hat, ist denkbar aber unwahrscheinlich. Und dass der euch auch noch mit Lichtzeichen durch die Nacht geführt haben soll, wäre möglich, aber für aufgeklärte Männer wie uns natürlich nur eine unbewiesene Annahme. Ihr könnt sagen was ihr wollt, aber ich glaube einfach nicht an solche Spukgeschichten. An Zufälle, gut, auch an eine Reihe von Zufällen, aber nicht an Geister!«
»Wie auch immer, Kuddel! So unglaublich sich das alles anhört, die Geschichte ist wahr und so geschehen. Den Beweis haben wir hier. Also, wenn du kannst, gib mir eine rationale Erklärung«, forderte ich den Langen auf, der allerdings nur ein Achselzucken und ein ratloses Gesicht zustande brachte. Natürlich konnte er das nicht. Die drei Skipper schienen allerdings ein schlechtes Gewissen zu haben. Es tat ihnen leid, mich derart infrage gestellt zu haben.
»Was auch immer da passiert ist«, murmelte Kalli und hob dann seine Stimme, »wenn Claus in Zukunft was erzählt, will ich nie wieder die Worte Anglerlatein oder Seemannsgarn hören! Verstanden? Und wehe dem, der es wagen sollte. Den schicke ich über die Planke, lass ihn kielholen, abmurksen und Vierteilen. Und den Rest…«
»…hängst du zum Trocknen in den Mast!«, brüllten vier Kehlen und Seeräuber-Nachfahre Kalli nahm einen gewaltigen Schluck aus dem Glas.
»So ist es!«, bekräftigte er und wischte sich den Schaum aus dem Bart. Unsere Freunde und der Wirt ließen Heinz und mich nun des Öfteren hochleben und jedes Mal gab es dazu eine neue Runde. Irgendwann trennten wir uns von dem Wirt, der keinen Pfennig von uns haben wollte und glücklich darüber war, eine alte Schuld beglichen zu haben.
Bierselig und in aufgekratzter Stimmung wankten fünf Skipper durch das Städtchen, hinunter zu den Anlegern des Ruder-Clubs. Nun, der Teil zwischen unserer Ankunft dort und dem Moment, in dem wir von unseren Frauen zum Ausnüchtern in die Kojen gesteckt wurden, ist rein kulturell nicht sehr ergiebig. Es zeigte sich nur wieder einmal, dass Frauen keinen Humor haben. Zumindest nicht den der Männer. Ich glaube, uns gelang es nur sehr unzureichend, ihnen klarzumachen, was passiert war, und wer uns zu einem solchen Rausch verholfen hatte. Was sollte auch schon dabei herauskommen, wenn fünf Männer mit schwerer Zunge gleichzeitig versuchten die Geschichte zu erzählen, die als Ursprung unseres Zustandes zu betrachten war? Selbst als wir am Spätnachmittag aus den Kojen krochen und wieder einigermaßen geradeaus gucken konnten, war die schlechte Laune unserer weiblichen Crewmitglieder noch nicht verraucht.
»Ich glaube, wir müssen ihnen die Kneipe zeigen und ihnen den Mann vorstellen, um den es geht«, murmelte ich und drückte den feuchten Lappen fester an die Schläfen, als Kalli unvermittelt losröhrte: »Genau! Das machen wir! Und zwar jetzt! Jetzt sofort! Gina hat mich Lügenbold genannt! Und das kann ich nicht auf mir sitzen lassen!«
Ich brachte ein leichtes Grinsen zustande und schaute die anderen Skipper fragend an. Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten.
»Ich muss sowieso noch mal hin, ich glaub, ich hab im dunen Kopf meinen Bootsschlüssel da verloren«, brummte Wolfgang. Also schnappten wir uns unsere besseren, wenngleich auch ungläubigen Hälften und trabten zurück in das Städtchen.
»Wo ist denn nun die Kneipe?«, wollte Elfi wissen und ihre Ungeduld übertrug sich auf die anderen Damen.
»Die wollen uns doch noch immer einen vorflunkern«, vermutete Gerti.
»Nein wirklich, nur noch hier um die Ecke, da ist sie«, versicherte ich.
»Oh, mein Gott!«, entfuhr es uns allen fünfen gleichzeitig, als wir vor dem „Goldenen Anker“ standen. Oder besser, vor dem Haus, welches vor einiger Zeit der „Goldene Anker“ gewesen war. Rußgeschwärzte Mauern und ein eingestürztes Dach zeugten von einem schweren Unglück.
»Und hier wollt ihr euch einen auf die Nase gekippt haben?«, fragte meine Admiralität empört und sah mich strafend an. Irgendwie hörte ich gar nicht zu. Meine Gedanken überschlugen sich und an den entsetzten Gesichtern meiner Freunde sah ich, dass es ihnen nicht besser ging als mir.
»Na, Kurt! Zufall oder Spuk? Was meinst du nun hierzu?«, fragte ich leise und schüttelte mich, weil mir ein eisiger Schauer über den Rücken rieselte. Der Lange blähte die Backen und starrte in die Brandruine.
»Also, das ist mir ein absolutes Rätsel, da bin ich mal ganz ehrlich«, versuchte er seine Ratlosigkeit in Worte zu fassen. Dann deutete er durch das Fenster in die Schankstube. »Ich werd nicht wieder, guckt euch das an!«
Sein Finger wies auf einen mit Schutt bedeckten Tisch, auf dem zwischen all dem verkohlten Gerümpel Wolfgangs Zündschlüssel im Licht der Abendsonne hell glitzerte.
Ich hielt einen Passanten an, der aus dem Nachbarhaus kam.
»Die Kneipe? Mann, die ist doch schon im Winter abgebrannt. Nee, den Wirt haben sie nicht mehr retten können, der ist dabei umgekommen. Ja, ich glaube der war aus Brake oder so, na jedenfalls von der Unterweser. War früher wohl mal Fischer oder so was. Hat er jedenfalls immer erzählt.«
Vollkommen ratlos und völlig durcheinander traten wir den Heimweg zu unseren Schiffen an. Selbst unsere Frauen spürten unsere Betroffenheit und ließen uns überraschenderweise in Ruhe. Es gab keine Vorwürfe oder Fragen, wir schwiegen den ganzen Weg über. Dann saßen wir noch immer schweigend vor den Schiffen und versuchten unsere Gedanken zu ordnen. Abwesend starrten wir in die untergehende Sonne, vor deren Antlitz sich immer mehr Wolken schoben.
»Das Wasser hat ihn nicht umgebracht, da sind wir schneller gewesen«, murmelte Heinz erschüttert und starrte in die Glut des Sonnenuntergangs. »Aber hier sind wir ein halbes Jahr zu spät gekommen!«
»Hat einer von euch gefragt, wie der Mann hieß?«
Alle sahen sich betreten an. Ich hob mein Glas mit dem perlenden Mineralwasser. »Wer immer du warst, wo immer du bist, wir trinken auf dein Wohl! Prost!«
Fünf Gläser mit Sprudelwasser stießen aneinander, und fünf Gesichter verzogen sich schmerzhaft, als sich der helle Klang in ihre gemarterten Schädel bohrte.
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