Die Lohensteinhexe, Teil III. Kristian Winter (winterschlaefer)

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Die Lohensteinhexe, Teil III - Kristian Winter (winterschlaefer)

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und Haaren einer Hexe verfallen sei, die ihn zu dieser Tat getrieben habe.

      Auch wenn das wieder einmal maßlos übertrieben schien - wie immer, wenn von Hexen die Rede war - erschütterten ihn diese Geschichte dennoch, so dass er sich sogleich nach den näheren Hintergründe erkundigte. Dabei musste er jedoch bald feststellen, dass vieles nur auf Halbwahrheit und Gerüchten beruhte. Vor allem blieb die ihn interessierende Hexe nebulos. Kaum jemand wusste etwas zu ihr zu sagen und wenn, war es das Übliche, was man über solche Weiber redete. Aber gerade das beunruhigte ihn.

      Hinzu kam, dass er erst davon erfuhr, nachdem das Urteil bereits vollzogen war. Demnach hatte man ihn auf dem Marktplatz öffentlich gestäupt – eine sehr martialische Todesart, der ein langes Leiden vorangeht, aber der Schwere einer solchen Tat durchaus entspricht.

      Noch Tage danach waren die Schrecken dieser Marter in aller Munde, wobei sich die Leute die Mäuler zerrissen und mit ihren schaurigen Berichten zu übertreffen suchten. Diese machten selbst vor seriösen Orten wie der Kämmerei nicht Halt. So wusste man von dem grässlichen Gebrüll zu berichten, als man den aufs Rad Geflochtenen mit einer Eisenstange malträtierte und am Ende mit der Axt enthauptete. Den abgeschlagenen Kopf, so hieß es weiter, habe man auf eine Lanze gespießt und neben dem Tor auf den Zinnen weithin sichtbar aufgestellt, daneben ein Schild mit der Aufschrift ‚Ius gratiae‘.

      Aber ist so etwas christlich? Kann Abschreckung der Läuterung dienen? Die hiesige Jurisprudenz verbietet so etwas, doch niemand kümmert es.

      Er mochte nicht tiefer darüber nachdenken, denn er hat für sich beschlossen, künftig ein geruhsames Leben zu führen. Spürt er doch seit langem wieder festen Boden unter den Füßen und will ihn nicht mehr verlieren. Was kümmern ihn also solche Geschichten, solange er mit seiner neuen Welt im Reinen ist?

      Diese Einstellung hat sich in ihm so verfestigt, dass er sich wundert, wieso er jemals anders gedacht hat. Selbst alten Rachegedanken erscheinen ihm jetzt wie ein Relikt aus einer anderen, fremden Welt.

      Und doch kollidiert sie zuweilen mit seinen gewachsenen Vorbehalten gegenüber jeder Gewalt. Denn als er am nächsten Tag wie gewohnt nach dem Verlassen des Ratshauses über den Markplatz schreitet und plötzlich auf eine johlende Menschenmenge trifft, entsetzt ihn die Unverfrorenheit, womit man sich ganz offen über den Streit zweier angetrunkener Männer amüsiert. Fortwährend beschimpfen und beleidigen sie einander und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund.

      Während der eine, ein junger Bursche von höchstens zwanzig Jahren, wie ein Bauer gekleidet ist und lediglich ein ärmliches Unterhemd trägt, das in seinen Beinlingen steckt, weist der gesteppte Wams des anderen auf einen Kaufmann oder Krämer hin. Er ist wesentlich älter und kräftiger und scheint sich einen Spaß daraus zu machen, den jungen Dachs herauszulocken. Offenbar spielen auch Standesränke eine Rolle, denn nicht umsonst nennt er ihn einen dreckigen ‚Dörper‘, dem man das Maul stopfen sollte.

      Eine auffallend hübsche, aber ebenfalls überaus ärmlich bekleidete Frau versucht immer wieder den Jüngeren zu besänftigen. Offenbar handelt sich um eine Verwandte oder gar Ehefrau.

      Doch der ist viel zu erregt und wohl auch zu stolz, als nachzugeben. So streiten sie unvermindert weiter, sehr zur Freude der Umstehenden. Und während sie einander anschreien, wird die Frau in ihrer Ohnmacht immer verzweifelter. „Christof, lass ihn doch, komm endlich zur Vernunft“, jammert sie, den Tränen nahe.

      Der Kaufmann macht sich darüber lustig, indem er ihre Stimme nachäfft: „Christof, komm doch endlich zur Vernunft.“

      Das wiederum löst neues Gelächter aus. Der Bauer will ihm daraufhin an die Gurgel. Nur mit Mühe kann ihn die Frau davon abbringen.

      Das hält den anderen jedoch nicht davon ab, ihn nun erst recht zu verspotten. Schließlich fordert er die Frau auf, ihn loszulassen, damit er ihm endlich - wie er sich ausdrückt – eins auf die Fresse geben kann.

      Da sie sich aber schützend vor ihn stellt, fasst er sie an den Haaren und zerrt sie beiseite.

      Sie schreit vor Schreck und Schmerz und will sich seinem Zugriff entwinden. Doch niemand von den Umstehenden kommt ihr zu Hilfe.

      Zwar versucht sich der Bauer jetzt auf ihn zu stürzen, bekommt jedoch einen solch heftigen Fausthieb in den Bauch, dass er zu Boden fällt und ihm für Momente die Luft wegbleibt.

      Wieder tönt von allen Seiten Gelächter, indes der Kaufmann mit breitem Grinsen über sein Opfer hinweg stolziert und triumphierend die Arme breitet.

      Da reicht es dem Magister. Urplötzlich packt er den dreisten Kerl am Kragen und tritt ihn so kräftig in den Steiß, dass er zu Boden stürzt.

      Da sitzt er nun im Dreck und guckt ihn verdattert an. Aber auch die Umstehenden sind verwundert, denn es ist sehr ungewöhnlich, dass sich ein solch edler Herr in eine Rauferei mischt.

      Von seiner imposanten Gestalt und der würdevollen Haltung beeindruckt, wagt jedoch niemand einen Einwand. Selbst der Getretene schweigt, als sei er zur Besinnung gekommen. Schließlich erhebt er sich und verzieht sich mit seinen Kumpanen.

      Während sich nun auch bald der Kreis der Zuschauer lichtet, bleiben nur noch die Frau und ihr am Boden kauernder Begleiter zurück. Der ist so durcheinander, dass er gar nicht weiß, was soeben geschehen ist.

      „Vielen Dank, edler Herr“, bringt die Frau nach einigem Zögern heraus, fällt auf die Knie und will ihm schon die Hand küssen; eine hierzulande weit verbreitete Unsitte, die ihm zuwider ist.

      Hastig zieht er seine Hand weg. Schon glaubt sie, ihn verletzt zu haben, doch er bedeutet ihr, wieder aufzustehen. Sie bleibt folgsam und setzt unter einer ehrfürchtigen Verbeugung hinzu, dass man ihren Mann zu Unrecht beschuldigt habe - er hätte nichts getan.

      Ohne das weiter auszuführen, legt sie dessen Arm über ihre Schulter und hilft ihm wieder auf. So kommt er denn mit ihrer Unterstützung schließlich neben dem Brunnensims zu stehen, allerdings noch sehr schwankend.

      Der Magister will helfen. Doch der Betrunkene fährt ihn gleich an, er brauche seine Hilfe nicht und überhaupt, was er von ihm wolle.

      Der Frau ist das peinlich. Sogleich entschuldigt sie sich für dessen Benehmen und weist ihn zurecht. Doch der ist noch immer außer sich und brüllt seinem Gegner etwas nach, der jedoch längst verschwunden ist.

      „Warum haben sie sich gestritten?“, will der Magister wissen.

      „Manche Leute halten uns für Freiwild, nur weil wir arm sind“, umgeht sie die Antwort.

      Er reicht ihr das Schultertuch, das ihr zu Zuge der Rangelei herunter gefallen war.

      „Oh, Danke“, erwidert sie errötend. „Normalerweise tritt oder schlägt man uns. Wehrt man sich aber, wird man gleich angeklagt, als sei es unsere Pflicht, sich treten oder schlagen zu lassen ... Mein Mann ist nicht so, müssen Sie wissen, aber dieser Mensch beleidigte ihn vor allen Leuten, und das konnte er nicht ertragen.“

      „Aber gewiss doch. Niemand muss Beleidigungen hinnehmen. Das ist doch keine Frage des Standes.“

      „H-halten Sie sich da heraus, klar?“, lallt der Betrunkene in einem Anflug von Empörung.

      „Es ist schon gut, Christof. Du hast das missverstanden. Der Herr meint es nicht so.“

      „W- wie soll er es denn sonst meinen, hä? … S-sieh ihn dir nur an. Er ist doch auch so einer. Ihr s-seid schuld, nur ihr allein!“

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