Das Veteranentreffen. Peter Schmidt

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Das Veteranentreffen - Peter Schmidt

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der Gegenseite im eigenen Lager. Ordenbehängte Haudegen beider Seiten schütteln sich beim gemeinsamen Manöver die Hand, Freunde – welche Grenzen können uns jetzt noch trennen?“

      Da war er aber an den Falschen geraten!

      Sie hatten hier unten die Polizeigewalt, gar keine Frage, auch wenn der Bahnsteig vor der eigentlichen Abfertigung lag. Wir wurden nach allen Regeln der Kunst gefilzt, und zwanzig Minuten später verfrachtete man uns in den nächsten U-Bahnzug Richtung Westsektor.

      Asch verlangte den Regierenden Bürgermeister zu sprechen.

      Er wollte sein Recht auf freien Zugang zum Bahnsteig.

      Ich hatte Mühe, ihn von den automatisch schließenden Türen zurückzureißen.

      In dieser Nacht vertraute er mir an, dass es für ihn keine größere Aufgabe gebe, als die begonnene Friedensmission fortzusetzen.

      „Die Welt dürstet nach Verständigung, nach moralischer Erneuerung, Frank. Das ist es, was wir gegen die Erinnerung an den Kalten Krieg setzen: Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit. Genosse Gorbatschow drüben im alten Moskau hat uns schließlich das Stichwort geliefert: Glasnost – Transparenz … auch in den Diensten.

      Und was könnten die drüben besser, was wir nicht schon längst können, Frank?“

      In jener Nacht, im polternden U-Bahnzug, ahnte ich noch nicht, wie ernst er es damit meinte.

       2

      Also ging ich hinunter an den Briefkasten und sah mir seinen Umschlag an.

      Drinnen steckte ein Farbprospekt für Miederwaren: füllige Blondinen, denen es gelungen war, ihre Übergrößen in altmodische hautfarbene Verpackungen zu stopfen. Nicht dieses modische moderne Zeug, mit dem man versucht, Erotik und Orthopädie unter einen Hut zu bringen.

      Das Ding hätte mich sicher bei meiner Zimmerwirtin endgültig kompromittiert, wäre da noch viel zu verderben gewesen.

      Aschs typische Art von Humor! Nie über sich selbst, sondern immer auf Kosten anderer. Ich sah ihn förmlich vor mir, hörte ihn meckernd in sich hineinlachen. Die lange, hölzerne Nase eines ausgeprägten Leptosomen, seine vorgebeugte, krumme Valentingestalt.

      Keiner, der ihn so kannte, hätte ihm jemals die Leitung des Ressorts ‚Überseeaufklärung’ zugetraut.

      Ich steckte Aschs Miederwarenprospekt in den Briefkasten des Junggesellen, der die Wohnung über mir bewohnte und mich manchmal um Mitternacht mit einer seltsamen Mischung aus Beethovens Klavierkonzerten und dem Geruch gegrillter Schweinshaxen heimsuchte; dann riss ich die Innenseite des Umschlags auf und versuchte Aschs winzige Bleistiftschrift auf dem Futter am Klebefalz zu entziffern.

      Man musste schon gute Augen haben und nicht gerade Legastheniker sein, um aus seinen Abkürzungen schlau zu werden …

       Bertrand nimmt Sie in Empfang, Doktor. Sie wissen ja, der gute alte Bertrand …. immer noch nicht darüber hinweg, dass er die Berliner Sektion verloren hat. Das Hotel liegt hinter dem Murellenberg. Ausschilderung ‚Waldhof’ folgen. Ziemlich abgelegener alter Kasten, also genau richtig für unsere Zwecke. Wir haben den hinteren Sitzungssaal angemietet. Spart den meisten von uns auch den Flug in die Republik. Nehmen Sie die S-Bahn bis Pichelsberg, falls Sie ohne Wagen kommen. Rechts von der Havelchaussee der Waldweg …

       P.S.: Machen Sie sich drauf gefasst, dass Sie die ganze alte Truppe wiedersehen!

      Ich seufzte. Aber nicht, weil ich nach West-Berlin fliegen sollte, von München aus in die Berge wäre es mit dem Wagen nur ein Katzen-Sprung gewesen. Sondern weil ich Aschs ‚alte Kästen’ kannte.

      Er liebte den Verfall. Totes Material in jeder Form. Vielleicht war er sogar nekrophil veranlagt, aber darüber ließ er sich nie aus. Keine Mauer konnte ihm windschief genug sein. Knarrende Fußböden und Fenster rissen ihn zu kleinen Begeisterungsschreien hin. Mir standen ein paar Nächte mit tröpfelnden Wasserhähnen und rumpelnden Fahrstühlen bevor.

      Und dann auch noch dieser Bertrand, der mich immer an einen Leichenbestatter erinnerte!

      Wer wie ich zwanzig Jahre lang die medizinischen Probleme westlicher Geheimdienste betreut hat, dem sollten ein paar harmlose Kunstfehler kaum noch schlaflose Nächte bereiten.

      Aber Bertrands Weg war mit Kunstfehlern gepflastert, die einem halben Dutzend Leichenbestattern Brot und Arbeit gegeben hatten. Und die eine oder andere schwarze Nobel-Limousine außer der Reihe.

      Denn vieles, was einem gewieften Maskenbildner bei der Präparation der Leiche sofort auffallen musste, ließ sich nur noch mit einem Fächer von Hundertmarkscheinen ausbügeln. Über Bertrand kursierten Geschichten, die ihn in die vorderste Reihe der Geheimdienstarschlöcher aufrücken ließen.

      Man hatte ihm die Berliner Sektion erst entrissen, als sie von ihm zugrunde gerichtet worden war.

      Ich verbrannte Aschs Umschlag und beförderte seine Reste draußen in den Gully. Im türkischen Imbiss an der Ecke ließ ich mir ein Taxi rufen, warf meine Reisetasche auf den Rücksitz, raunzte „Flughafen“ und lehnte mich mit geschlossenen Augen zurück, um darüber nachzusinnen, warum ein alter Kerl wie ich, der so viele Jahre lang infantilen Ideen von politischer Opportunität nachgejagt war, nicht längst ein Haus auf Anacapri bewohnte.

      Oder am Strand von „Ich-weiß-nicht-wo“ lag und lüsterne Blicke auf junge Badenixen warf.

      Nicht mal, als die Maschine krachend ihr Fahrwerk in den Dunst streckte, um im regentrüben West-Berlin zu landen, war ich auch nur halbwegs mit der Antwort auf meine Fragen zu Rande gekommen.

      Ich wusste, was ich wollte – aber ich wusste nicht, warum ich ausgerechnet das wollte, worauf ich mich eingelassen hatte. Wohl kaum wegen der illustren Namen …

      Die Kinder vom Bahnhof Zoo waren scharf auf den Inhalt meiner Reisetasche. Seitdem ich aus dem Dienst ausgeschieden war, legte ich Wert auf gepflegte Kleidung. Sicher glaubten sie, ihr Inhalt sei genauso wertvoll wie mein Zweireiher (und damit hatten sie gar nicht mal so unrecht).

      Ein paar stark geschminkte junge Nutten umwarben mich kichernd – die eine nestelte in der Innentasche meines Jacketts an meiner Brieftasche –‚ während ein halbwüchsiger Stricher mir unauffällig von hinten die Tasche wegzuziehen versuchte …

      Ich stand am Kiosk, um mich mit ‚Mayers Krümeltürken’ einzudecken, sauren Zigarillos, deren Tabake nur im vorderen Orient gedeihen.

      In der ganzen Stadt gibt’s lediglich zwei oder drei Stellen, wo man das Zeug bekommt, und ich glaube, das wäre – von Aschs Einladung mal abgesehen – auch der einzige Grund gewesen, mich noch einmal freiwillig in ein Rattenloch wie diese eingekesselte Stadt zu wagen.

      Ich gab der einen Lolita einen Klaps hinters Ohr und dem Stricher einen Tritt dahin, wo es seinen regulären Geschäften am wenigsten zuträglich war.

      Dann entschuldigte ich mich beim Kioskbesitzer für die wüste Szene, nahm meine Tasche und das Zigarillopäckchen und wechselte die Straßenseite zum Excelsior.

      West-Berlin hat gegenüber München den Vorzug, einem sofort und ungeschminkt seine ganze Schäbigkeit zu zeigen. Man muss die Stadt nicht erst tagelang zu Fuß durchstreifen, um herauszufinden, dass ein

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