Das Veteranentreffen. Peter Schmidt

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Das Veteranentreffen - Peter Schmidt

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Fensterscheibe; das letzte stand unmittelbar vor der Einfahrt in den Waldweg – oder besser gesagt:

      Es lehnte mit seinem Pfahl an der überhängenden Felswand.

      Vielleicht war es von einem Lastwagen erwischt worden, oder der örtliche Märchenwaldriese hatte es aus purem Übermut aus dem Pflaster gerissen.

      Mir blieb nicht viel Zeit, darüber nachzugrübeln, denn unter dem Schild winkte mir eine schiefe Gestalt mit Schlapphut und Lodenmantel zu, beide Arme warnend ausgebreitet, als lauere hinter der nächsten Straßenbiegung der sichere Tod.

       Bertrand …

      Ein Gefühl der Trauer überkam mich, wenn ich daran dachte, wie viel Ruhe und seelischen Gleichmut mich seine Gesellschaft noch kosten würde.

      „Frank – teuflisch!“, raunte er, als ich die Beifahrertür aufdrückte.“ Haben Sie wieder Kieselsteine geschluckt, um Ihr Aussehen zu verändern? Oder ist’s das gute Essen?“

      Er war nie sehr sparsam mit seinen Komplimenten umgegangen, was mein Übergewicht anbelangte, und ich konterte mit der Frage, ob er seine Pension als Vogelscheuche aufbessere; aber das veranlasste ihn höchstens zu einem nach Knoblauch und Joghurt riechenden Rülpser.

      „Politische Lage ziemlich mies, was?“, erkundigte er sich vorgebeugt.

      „Mies? Nein, wieso?“

      „Heiße Luft … Luftblasen“, fuhr er im Telegrammstil fort. “Diese Fellows im Westen zeigen ihre wahren Absichten. Genosse Gorbatschow reißt ihnen die Maske vom Gesicht. Bewegen sich bloß noch, wenn ihnen auf die Füße getreten wird. Kräftig auf die Füße, Frank. Abrüstung, Vollbeschäftigung, Umwelt und so weiter.“

      „Hat Ihnen unser lieber Asch das Ei ins Gehirn gelegt, Bertrand – ach, was sage ich – muss ja ein ganzes Nest voll gewesen sein? Sie klingen wie sein Megaphon.“

      „Nun passen Sie mal auf, Frank. Wir sind vielleicht ausrangiert, stehen auf dem Abstellgleis und so weitet Aber alte Waggons kann man schließlich wieder flott machen, oder?“

      „Ich denke, um Ihr Chassis zu schweißen, Bertrand, muss man mehr Eisen mitbringen, als die Karre hergibt.“

      Er warf mir einen säuerlichen Blick zu. „Sie spielen auf die Berner Sektion an, was? Hab ich nur verloren, weil ein paar Parlamentarier wieder mal zu genau wissen wollten, wie der Laden läuft. Geheimhaltung gleich Null.

      So was gilt in unserem Gewerbe als der sichere Untergang. Parlamentarismus, Frank, ist eine schleichende Krankheit. Gefährlicher als jede Attacke auf das Immunsystem. Damit leben Sie noch gut und gern ein paar Jährchen. Aber ein verbrannter Agent wird drüben an die Wand gestellt.“

      „Nun übertreiben Sie mal nicht. Dies ist der freieste und wohlhabendste Staat, den wir je auf deutschem Boden hatten. Nicht mal die da drüben stellen enttarnte Agenten noch an die Wand.“

      „Sie reden wie der Kanzler, Frank.“

      In der Hotelhalle musste ich einen Moment lang verschnaufen, um mich an den Anblick der Wände und des Treppenhauses zu gewöhnen …

      Ich setzte meine Reisetasche ab und steckte mir einen von ‚Mayers sauren Krümeltürken’ zwischen die Lippen.

      Sein kalter Tabakgeschmack gab mir das Gefühl, weniger weit und verloren in der Fremde zu sein.

      Alles sah genauso übel aus, wie Aschs nekrophile Veranlagung es hätte vermuten lassen können.

      Die weinrote Wandbespannung hing in schlaffen Beulen aus den dünnen Holzrahmen – die Decke war ein braunfleckiger Baldachin aus undefinierbaren Zutaten, vielleicht Pappe, Kleister und Papier – im schwarz lackierten Holz des Treppengeländers klaffte ein Riss, so breit, dass man zwei geballte Fäuste darin versenken konnte, und über den ausgetretenen Stufen verteilt lagen zusammengerollte Läufer und Teppiche – die stockfleckigen Unterseiten nach oben.

       Das Schlimmste aber war der über dem ganzen Szenario schwebende muffige Geruch.

      „Hier nicht rauchen“, flüsterte Bertrands Stimme hinter meinem Rücken. „Das alte Zeug brennt wie Zunder. Qualmen Sie meinethalben auf dem Zimmer, Frank. Oder drüben in der Toilette.“

      Er deutete in die dunkle Nische an der Rezeption, wo die schief in den Angeln hängende Tür eines Westernsaloons zu erkennen war.

      „Sie wissen wohl nicht, dass ich nikotinsüchtig bin, Bertrand? Nach zwanzig Minuten ohne Zigarillo zittern mir die Knie … dann dresch ich auf jeden ein, der mir zu nahe kommt.“

      „Beste Gelegenheit, um sich’s abzugewöhnen“, feixte er.

      Meine Drohung ließ ihn aufblühen wie eine lange nicht gegossene Topfpflanze. Wenn es zwei Dinge gibt, die diese alten Halunken wieder zum Leben erwecken, dann ist eines davon – neben ihrem Sinn für politische Zoten – die Aussicht, eins aufs Maul zu bekommen. Selbst auf die Gefahr hin, dass es nur eine nicht ganz ernst gemeinte Drohung war.

      „He, Frank, hat Sie der Schlag im Stehen getroffen? Sie wirken ja ganz abwesend …“

      „Riecht nach feuchten Aufnehmern, finden Sie nicht?“

      „Bloß die Wandverkleidung“, winkte er ab. „Wenn Sie nach ein paar Wochen wieder zurück sind, wird’s Ihnen so vorkommen, als seien Sie hier zu Hause.“

      „Klingt ja, als wenn Sie geradezu süchtig danach wären?“

      „Ja, macht süchtig“, bestätigte er. „Fast wie unser Job. Ich will Ihnen was flüstern, Frank. Asch hat den Laden hier angemietet, um was ganz Großes in Szene zu setzen. Das dickste Ding seit Kaisers Geburtstag und den Zeiten des Kalten Krieges. Sie werden staunen!“

       2

      „Sie denken vielleicht, wir seien bloß ‘n Haufen alter Narren, die sich wichtig machen wollen?“, fuhr er fort, während er die Tür aufschob.

      Er setzte meine Reisetasche ab und witterte wie ein misstrauischer alter Ziegenbock im Zimmer umher. Offenbar fiel das Klima zu seiner Zufriedenheit aus, denn sein Daumen deutete elegant über die Schulter.

      „Von den beiden Amerikanern mal ganz abgesehen – die haben sich darauf verlegt, unsere Biervorräte zu dezimieren, und fühlen sich pudelwohl dabei –‚ sieht’s ganz scheußlich für uns aus.

      Karlsbeck stirbt an Langeweile. Kuben büffelt Mathematik und Latein, und Falkner hat sich wahrhaftig darauf verlegt, alte Artikel über die Geheimdienstarbeit zu sammeln. Sein Zimmer ist übersät davon.

      Treten Sie ja nicht drauf, wenn Sie ihn besuchen! Dann wird er zum brüllenden Löwen. Sie sterben alle an Langeweile, Frank. Und das im besten Mannesalter.“

      „Na ja, wie man’s nimmt“, sagte ich.

      „Zweiundsechzig ist kein Alter für mich“, sagte er und schlug sich treuherzig dreinblickend mit der Hand auf die Brust.

      „Meines Wissens sind Sie dreiundzwanzig geboren. Also legen wir lieber noch fünf drauf, Bertrand.“

      „Drei – drei ist das höchste, was mir

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