Aus dem Totenreich. Norman Dark
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Norman Dark
Aus dem Totenreich
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Inhaltsverzeichnis
Denn sie wissen nicht, was sie tun
Prolog Das graue Haus
Das graue Haus
Sie wusste nicht, wo sie sich befand und wie sie dort hingekommen war, als sie auf dem nackten, kalten Boden erwachte. Ungläubig schaute sie sich um und entdeckte, dass der gesamte Raum leer war. Es gab keine Möbel oder dekorative Elemente wie Bilder, Fotos, Vasen oder Nippes allgemein, und das helle Grau der Wände und der Decke verstärkte den tristen Eindruck noch.
Die junge Frau fror, denn die Raumtemperatur war mehr als kühl, und ihre leichte Kleidung wärmte nicht im Geringsten. Als sie aufstand, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen, musste sie feststellen, dass diese zugemauert waren. Deshalb gab es wohl auch keine Vorhänge oder Jalousien.
Plötzlich konnte sie ein Wispern und klagendes Seufzen wahrnehmen. Es mussten sich also noch andere Personen im Haus befinden. Doch niemand zeigte sich. Nur hin und wieder huschten flüchtige Schatten am Durchgang zum Nebenraum vorbei.
»Hallo«, rief die junge Frau, »hört mich jemand? Ich bin hier …«
Keine Antwort. Nur die flüsternden Stimmen verstärkten sich, ohne dass man Einzelheiten verstehen konnte. Na, schön, wenn ihr nicht kommt, muss ich es tun, dachte sie und lief los. Doch je mehr Räume sie aufsuchte, desto mutloser wurde sie, denn keiner unterschied sich vom anderen, und alle waren gänzlich leer. Das Unheimlichste aber war, dass sie den Eindruck bekam, endlos so weitergehen zu können, ohne jemals ans Ziel zu kommen, denn es schienen immer neue Räume hinzukommen, wenn man einen von ihnen betrat.
Das galt auch für die Etagen. Wenn man die nackten Stufen der Steintreppe hinaufging, schien es kein Ende zu geben. Gerade so, als führe die Treppe bis in den Himmel hinauf. Aber gab es an diesem Ort überhaupt einen Himmel? Da der Blick nach außen verwehrt wurde, war es unmöglich, sich einen Eindruck zu verschaffen. Sicher, wenn man es wagte, an den Rand der Treppe zu gehen, was wegen des Fehlens eines Geländers nicht ganz ungefährlich war, konnte man meinen, ganz oben würde es etwas heller werden. Aber das konnte auch eine Sinnestäuschung sein, denn obwohl es keine Lichtquellen gab, war es keinesfalls stockfinster, wie man aufgrund der fensterlosen Räume vermuten könnte. Alles wirkte seltsam illuminiert, als käme der Schein direkt aus den kargen Wänden.
Wo bin ich nur? dachte sie zum wiederholten Mal und spürte, wie langsam die Panik in ihr hochkroch. Wenn es nicht einmal sanitäre Anlagen gab, würde es auch keine Küche geben, von Lebensmitteln und Getränken ganz zu schweigen. Wollte man sie verdursten, verhungern oder erfrieren lassen? Warum, was hatte sie getan? Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie keine Erinnerung an früher hatte. Sie hätte nicht einmal sagen können, wo sie gestern gewesen war und wie sie den Tag verbracht hatte. War sie womöglich schon länger hier gefangen und konnte sich auch daran nicht erinnern?
Da vernahm sie ein durchdringendes Kreischen, das ihr Gänsehaut bescherte. Doch wo kam es her? Von den unteren Etagen oder gar aus dem Keller? Dort würde sie auf keinen Fall nachsehen. Nicht dass die Stufen noch direkt in die Hölle führten.
Oder kam das Geräusch doch von außen? Gab es so etwas wie einen Ein- und Ausgang? Und falls sie den jemals fände, was würde sie draußen erwarten? Welch monströse Gestalten und welch unwirkliche Landschaft würden dort sein? Egal, ich muss es versuchen, bestärkte sie sich selbst, hier in dem endlos wuchernden Gefängnis konnte sie nicht bleiben. Und schließlich war es doch möglich, dass draußen die Sonne lachte und man über saftige Wiesen voller Blumen gehen konnte. Die etwas naive Vorstellung ließ sie auflachen. Doch es war kein fröhliches, unbeschwertes Lachen, sondern ein bitteres, voller Ironie und Zweifel. Sie ahnte schon, dass diese märchenhafte Lösung zu einfach war und bestimmt nicht eintreffen würde.
Die Sünder
1. Die Sünder
Orestis Petalas, ein untersetzter Mann, Mitte vierzig, mit Halbglatze, aber einem jugendlich wirkenden Gesicht, öffnete wie jeden Morgen seinen kleinen Laden im Altstadtviertel Monastiráki, das eigentlich zum Stadtteil Plaka, dem größten Touristenviertel Athens, gehörte. Im Monastiráki Viertel mit eigener Metrostation, das mitunter auch als „Türkisches Athen“ bezeichnet wurde, gab es einen riesigen Flohmarkt, eher ein Basar mit vielen kleinen Geschäften, der sich nur sonntags zum Flohmarkt ausweitete, wenn auch die privaten Leute zum Teil auf Decken ihre überflüssigen Dinge anboten.
Einer der beständigen Läden gehörte Orestis. Dort bot er mehr Antiquitäten als Trödel an, und das mit großer Leidenschaft. Das Handeln und Feilschen lag ihm sozusagen im Blut, denn durch seinen Vater hatte auch er türkische Wurzeln. Deshalb empfand er sich als türkischer Grieche und bedauerte sehr, dass die nahegelegene, restaurierte Moschee inzwischen als keramisches Museum diente.
Orestis hoffte insgeheim, dass sich an diesem Tag wieder die geheimnisvolle Fremde zeigen würde. Seit er sie das erste Mal gesehen hatte, ging sie ihm nicht mehr aus dem Sinn. Leider verschwand die Schöne immer wieder für längere Zeit, um dann ganz urplötzlich wieder aufzutauchen.
Er hätte nicht sagen können, wie die Farbe ihrer Augen war, denn mal erschienen sie ihm grün, fast gelblich, wie bei einer Katze, ein andermal eher braun. Aber das spielte im Grunde genommen keine Rolle. Ihre Ausstrahlung war derart überwältigend, dass sie alle Frauen in den Schatten stellte, die er jemals gekannt hatte. Verzeih mir, Maria, dachte er in diesen Momenten. Seine vor zwei Jahren verstorbene Frau war ein herzensguter Mensch gewesen, doch weder auffallend