Aus dem Totenreich. Norman Dark

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Aus dem Totenreich - Norman Dark

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für sie aufbringen konnte, als zu Hause in Athen. Und wenn sie sich schon langweilte, dann lieber in ihrer vertrauten Umgebung, als an einem fremden Ort.

      Der junge, feurige Dimitrios überrollte sie förmlich mit seiner Heißblütigkeit. Sie hatte es eine Weile genossen, derart begehrt zu werden, doch ihr schlechtes Gewissen gegenüber Orfeas sollte schneller als gedacht die Oberhand gewinnen. Ihr Mann verdiente es einfach nicht, hintergangen zu werden. Im Gegensatz zu ihr war er nämlich treu. Davon war Eudokia überzeugt, obwohl sich ihm die weiblichen Bewunderer förmlich anboten, weil sich keine dem Schmelz seiner Stimme entziehen konnte. Doch seine Liebe galt ausschließlich seiner Frau, die nicht nur seine Kunst verehrte, sondern auch die Privatperson, die dahinter stand. Das spürte er ganz deutlich. Und an flüchtigen sexuellen Abenteuern war er in seinem leicht fortgeschrittenen Alter nicht interessiert.

      »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass wir uns heute das letzte Mal sehen«, sagte Eudokia zu Dimitrios, als sie sich in einem kleinen, von Touristen kaum frequentierten, Café gegenübersaßen.

      »Und du glaubst, ich nehme das einfach so hin? Mich legt man nicht wie ein gebrauchtes Kleidungsstück ab.«

      »Dir wird nichts anderes übrig bleiben. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich meinen Mann liebe und ihn niemals verlassen werde.«

      »Das verlangt auch niemand von dir. Dem Lebensstandard, den dir der große Opernsänger bietet, könnte ich ohnehin nicht gerecht werden. Darüber mache ich mir keine Illusionen. Aber auf den Spaß, den wir gemeinsam im Bett haben, möchte ich nicht verzichten.«

      »Dimi sei doch vernünftig. Wir hatten eine schöne Zeit, doch die ist jetzt vorbei.«

      »Sagst du. Was ist der Grund für deinen Sinneswandel? Ist er dir dahinter gekommen und verlangt die Trennung?«

      »Nein, zum Glück nicht. Und ich möchte, dass das so bleibt, um ihm den Kummer zu ersparen.«

      »Mich interessiert der Kummer des feinen Herrn einen Dreck. Er wird in so manchem Hotelzimmer auch sehen, wo er bleibt.«

      »Du irrst. Orfeas ist nicht so triebgesteuert wie du. Er …«

      »Und du, hast du vergessen zu sagen. Wenn er dir sexuell das bieten könnte, was du brauchst, hättest du dich bestimmt nicht mit mir eingelassen.«

      »Das war ein Fehler, gebe ich zu. Ich habe meine körperlichen Bedürfnisse einfach überschätzt.«

      »Das ist ja wohl die billigste Ausrede, die ich jemals gehört habe. Gib doch zu, dass du mich satt hast. Wahrscheinlich wartet schon der nächste Galan um die Ecke.«

      Dimitrios’ Stimme war vor Erregung schrill geworden.

      »Würdest du bitte aufhören, so zu schreien? Wir ziehen schon alle Blicke auf uns.«

      »Das ist mir egal. Jetzt weiß ich auch, warum du partout nicht in mein Apartment kommen wolltest. Weil du dort mit Sicherheit wieder schwach geworden wärest.«

      »Mag sein. Aber eben das will ich nicht mehr. Die Gründe habe ich dir genannt. Ich bin deiner nicht überdrüssig, sondern will nicht länger ein doppeltes Spiel spielen. Ich fühle mich schlecht dabei. Und das negative Gefühl überwiegt die Lust.«

      »Das werden wir sehen. Lass erst deinen Hormonpegel wieder ansteigen, dann wirst du vor meiner Tür stehen. Davon bin ich überzeugt.«

      »Warum könnt ihr Männer eine Niederlage nicht mit Anstand wegstecken? Euer Ego ist so groß, dass ihr reihenweise Frauen abservieren könnt, aber wehe, es ist umgekehrt der Fall.«

      »Blah, blah. Ich weiß, was du für mich empfindest, auch wenn du es dir nicht eingestehen willst. Sonst hättest du niemals das Risiko der Entdeckung in Kauf genommen.«

      »Wie oft soll ich es dir noch sagen? Ja, du bist ein sehr guter Liebhaber, und ich möchte die Stunden mit dir nicht missen. Aber ich bin es leid, die untreue Ehefrau zu sein, und möchte nicht länger die Liebe meines Mannes aufs Spiel setzen. Für mich ist das Gespräch jetzt beendet. Es ist alles gesagt worden.«

      Eudokia stand auf und steuerte dem Ausgang zu.

      »Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!«, rief ihr Dimitrios, weiß vor Zorn, hinterher, »mir entkommst du nicht so leicht. Damit du Bescheid weißt.«

      Im Nordwesten Athens lag das Stadtviertel Akadimia Platonos, das nach der Platonischen Akademie benannt wurde. In der heutigen Zeit prägten Hochhäuser mit acht bis zehn Stockwerken das Viertel. Es hatte keinen besonders guten Ruf, da es als heruntergekommen galt. Das hohe Aufkommen von Immigranten verunsichere die Einwohner, hieß es unter anderem.

      Traianos Nimpitis lebte von Sozialhilfe und schlug sich mehr schlecht als recht durch. Hin und wieder besserte er mit kleinen Diebstählen seine Haushaltskasse auf. Die Beute nahm ihm ein Hehler zum Bruchteil des tatsächlichen Wertes ab. Trotzdem blieb noch genug übrig, um wieder eine Weile damit auszukommen.

      An diesem Morgen war der unscheinbare, etwas ungepflegte Dreiunddreißigjährige, der weder einen Beruf noch eine Freundin hatte, schon früh auf den Beinen, für seine Verhältnisse jedenfalls, denn nicht selten schlief er bis mittags. Sein Ziel war die Agia Aikaterini oder auch Ayia Ekaterina Kirche am östlichen Rand des Plaka Viertels. Die kleine Kirche aus dem 11. Jahrhundert stand inmitten moderner Wohnhäuser. Ganz in der Nähe befanden sich der Hadriansbogen und das Denkmal des Lysikratus. Doch das fand ebenso wenig Traianos’ Interesse wie die kleine, aber feine Kuppel, die Fresken und Altäre der Kirche. Bei seinen Erkundungszügen waren ihm zwei vergoldete, dreiarmige Kerzenleuchter aufgefallen, die bestimmt ein hübsches Sümmchen bringen würden.

      Der Bezirk Akadimia Platonos verfügte zwar auch über einige Kirchen, doch Traianos war nicht so dumm, in seinem Wohnviertel auf Beutezug zu gehen, dort, wo man ihn womöglich erkannte und bis in seine Wohnung verfolgen könnte.

      Traianos kam gegen halb neun vor der Kirche an. Eine Stunde nach der offiziellen Öffnungszeit. Der Wettergott war ihm gewogen, denn die wenigen Fußgänger, die an diesem regnerischen Tag unterwegs waren, beachteten ihn nicht weiter, was ihm nur recht sein konnte. Zusätzlichen Schutz bot ihm sein altersschwacher, aber durchaus noch brauchbarer Regenschirm.

      Am Eingang stellte er den nassen Schirm artig in den dafür vorgesehenen Ständer und nahm nur seine große Reisetasche mit, in der etwas Werkzeug leise klapperte. Wie nicht anders erwartet, befanden sich keine Besucher im Innenraum. Zielstrebig ging er auf den rechten Kerzenleuchter zu und bemerkte mit fachkundigem Blick, dass das große Prachtstück, das ihm bis zur Brust reichte, aus drei Teilen bestand, die man mit wenig Kraftaufwand auseinanderschrauben konnte. Andernfalls hätte er auch ein Problem gehabt, denn man konnte nicht einfach so unbemerkt am helllichten Tag mit einem vergoldeten Leuchter aus der Kirche spazieren.

      Sich ängstlich mehrmals umsehend, begann er sogleich mit der Arbeit. Erstaunlicher Weise ließ sich niemand sehen, der ihn von dem Raub abhalten konnte. So ging er nach kaum einer Viertelstunde mit einer prall gefüllten Tasche zum Ausgang und sah zu, dass er fortkam. Erst mehrere Querstraßen weiter hielt er erschöpft inne und rief den Hehler zwecks Übergabe an.

      In einer ärmlich ausgestatteten Wohnung eines der heruntergekommenen Hochhäuser von Akadimia Platonos spielte sich derweil ein familiäres Drama ab. Danaë Samara war sehr dünn und hatte herbe Gesichtszüge. Sie wirkte wesentlich älter als Mitte zwanzig, kleidete sich nachlässig und hatte fettige, aschblonde Haare. Ihrer Tochter servierte sie das Essen im Bett. Eleni, ein hohlwangiges, leichenblasses Mädchen von knapp sechs Jahren mit rabenschwarzen,

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