Brief an Marianne. Martin Winterle

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Brief an Marianne - Martin Winterle

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was steht denn rot geschrieben, zweimal dick unterstrichen, für kommenden Freitag 14 Uhr in deiner Büroagenda, auf dem Küchenkalender, hast´ hoffentlich als Memo im Handy verewigt? <

      Diese, locker hingeworfene Frage, ihres grinsenden Großen, hatte sie, für einen kurzen Moment lang irritiert. Aber wirklich nur eine verlängerte Sekunde.

      >Natürlich komme ich pünktlich, werde mir deine Präsentation und die Zeugnisverteilung doch nicht entgehen lassen. Das ist dir wohl klar, hoffe ich. Bin voll gespannt auf dein Modell und auch auf die Arbeiten deiner Freunde. Du musst es mir dann alles genau erklären, damit ich nicht so daneben stehe, ok! <

      Im letzten Moment war ihr noch eingefallen, das der wichtigste Termin in der kommenden Woche, für sie beide, der Freitag sein wird.

      >Ach ja, nur damit du mir nicht aus den Latschen kippst, letzte Woche war ich mit der Omi beim Hoffherr. Einen Anzug habe ich ausgefasst, schlimmer als zur Firmung, ehrlich. Dann noch passende Treter dazu, halb glänzend, halb matt, letzter Schrei, absolut der Hammer. Die kann ich dann anziehen, wenn ich einmal einen Tanzkurs besuchen sollte. <

      Kam als Info an seine Mutter herüber. Früher hatten sie nicht selten von diesem, für ihren Sohn so entscheidenden Tag, gesprochen, jetzt war es soweit. Sie fragte ihn nach seinem aktuellen Bauchgefühl. Ein ganz gutes, ja eigentlich sehe er diese Abschlussprüfung, wirklich vollkommen locker. Das mündliche und schriftliche, endgültige Ergebnis von fünf Jahren pauken, strebern, ärgern, aber dadurch auch älter, reifer(gescheiter?) werden…

      Maturanten Mutter, was ziehst du an?

      Was war den passend, für diesen feierlichen Nachmittag?

      Ihr Sohn sollte wenigstens eine hübsche Mama präsentieren können, wenn er schon keinen Vater vorzuweisen hatte, ihr plötzlicher Gedanke.

      Ein nagelneuer Kleiderschrank präsentiert halt auch nur das, was man ihm zum Aufbewahren anvertraut hat. Zaubert nichts dazu, ich bin ja nicht Aschenbrödel, leider.

      Sogar ganz bestimmt nicht, hatte kürzlich ihren Traumprinzen mit Hausverbot für ihre Seele belegt.

      Erstmals schmunzelte sie, als sie an ihren Ex dachte.

      Da fiel ihr auf, dass er seit längerem nicht mehr versucht hatte, sie anzurufen, ihr eine Nachricht auf Band zu sprechen. Auch Mail hatte sie keines mehr erhalten. Nur SMS schickte er ihr sporadisch, immer wieder eines…

      Wie wäre es mit der fast neuen, schwarzen Samtjeans, dazu weiße Bluse mit angedeutetem Stehkragen, darüber ein grauer Pullunder, kombiniert mit schwarzen, halbhohen, nicht zu eleganten Stöckelschuhen, fertig. Sie stand vor dem Schmuckstück ihrer neuen Einrichtung, besah sich von halblinks bis halbrechts. Sah schick aus, gefiel sich sogar ausnahmsweise einmal selber.

      Ihrem Spiegelbild schenkte sie ein charmantes Lächeln, mit einem Anflug von Selbstsicherheit, seit längerem wieder einmal, da schau her…

      In der Aula der Höheren Technischen Lehranstalt herrschte bereits reger Betrieb. Festlich gekleidete Menschen, stolze Eltern mit ihren zukünftigen Technikern. Einer von den Freunden ihres Sohnes sah sie, etwas ratlos, nach ihrem Filius Ausschau haltend, im Eingangsbereich, herum stehen. Sie hätte den Hansjörg gar nicht erkannt, in dem Aufzug. Heute ganz Ingenieur, nicht mehr der sonstige Standartpunker, modischer Haarschnitt frisch vom Friseur, mit weinroter Krawatte zum hellgrauen Anzug. Er lotste sie zu den ausgestellten, bereits bewerteten Projekten, tippte einem Kollegen auf die Schulter.

      >Darf ich dir deine Mutter übergeben, sie hat dich gesucht! <

      Marianne wäre nun wirklich um ein Haar aus den Latschen gekippt. So elegant hatte sie ihren eigenen Sohn, letztmals bei seiner Firmung gesehen. Zum fast schwarzen, leicht in sich gemusterten Anzug mit passendem Gilet, trug er ein weißes Hemd, eine schmale, hochmodische, leicht silberblau glänzende Krawatte.

      >Hi Mutsch, super das du schon da bist, es ist noch Zeit, komm ich erklär dir gleich mein Projekt. <

      Nun war er doch ein wenig aus dem Häuschen, zeigte deutliche Merkmale steigernder Nervosität, ihr großer Sohn. Zog sie an der Hand ein paar Meter zur Seite. Blieb an einem der aufgestellten Tische stehen. Ein angeklebtes Schild mit seinem Namen, zeigte schon von weitem, wer der Aussteller war, was das präsentierte Teil darstellen sollte bzw. für was es Verwendung finden könnte. Sie ließ sich in aller Ruhe, mit wachsendem Stolz, sein Wunderwerk erklären.

      Alleine schon, mit welcher Selbstverständlichkeit(die linke Hand in der Hosentasche…), er ihr, sein Meisterstück vorführte, gab ihr die Sicherheit, dass es bei der Matura gut gegangen sein müsste. Darauf angesprochen, meinte ihr Filius locker, alle Fragen, schriftliche wie mündliche, beantwortet zu haben. Die Projektpräsentation sei auch nicht schwieriger gewesen, als deren jetziges Da capo für seine „Mutsch“. Froh darüber zu sein, dass endlich alles vorüber war, gab er schon zu…

      Das Professorenkollegium versammelte sich auf dem Podium.

      Zunehmend wurde es ruhiger in dem großen Raum.

      Solange es Sitzplätze gab, wurden diese besetzt, die restlichen Schüler, Eltern, Freunde warteten stehend, auf den Beginn der Festlichkeit. Für Marianne und ihren Sprössling, waren sich nur noch Stehplätze, diese aber dafür mit guter Sicht zum Podium, ausgegangen. Sie hatte sich umgesehen, von den Müttern war sie eine der Jüngsten, wenn nicht überhaupt die Jüngste. Sie war Einundzwanzig gewesen, bei der Geburt, ihr Großer wurde neunzehn, macht zusammen vierzig. Sie konnte rechnen so oft sie wollte, es blieb bei diesem Ergebnis.

      Eine Dame, etwa in ihrem Alter, betrat die Bühne, stellte das Mikrofon auf sich ein und sich vor.

      In Vertretung, des leider erkrankten Institutsleiters, habe sie als dessen Stellvertreterin die Ehre und Freude, die diesjährige Maturafeier leiten zu dürfen. Stellte die fünf technischen Richtungen vor, welche die anwesenden Damen und Herren, in den letzten fünf Jahren belegt hatten. Deren Erfolg nun gefeiert werden soll.

      Alphabetisch riefen die Klassenvorstände ihre Schüler auf die Bühne, übergaben mit Gratulationsworten das Maturazeugnis. Die Vizedirektorin, in perfekt sitzenden modisch kurzem, hellbeigen Kostüm kombiniert mit weinroten Pumps(Marianne hatte sie genau im Visier, die Frau Dipl.-Ing…), gab ebenfalls jedem, ihrer, nun ehemaligen Schüler, gratulierend die Hand.

      Jetzt war die Klasse ihres Sohnes an der Reihe. Nur, nach dem Alphabet, wäre er längst aufgerufen worden, wieso fehlte er in der logischen Reihenfolge? Marianne sah ihren Nachwuchs etwas ratlos an, dieser hob nur, sich unwissend stellend die Schultern, lächelte seine Mutter schräg an, sagte kein Wort. Nachdem alle fünf Lehrrichtungen, ihre Zeugnisse erhalten hatten, trat die Direktorin erneut vor das Mikrofon:

      >Verehrter Herr Rektor(der techn. Universität…), sehr geehrte Herren der Ingenieurs- und Architektenvereinigung, der Wirtschaftskammer, ich darf sie herzlich zu dieser würdigen Feier in der Aula unseres Instituts willkommen heißen, schön dass sie sich Zeit nehmen konnten. Ich bitte sie nun, zu mir auf die Bühne zu kommen(devoter Applaus…).

      Dankbar willkommen heißen, darf ich das komplette Professorenkollegium unseres Hauses, das so wesentlich am Zustandekommen, dieses außerordentlichen erfolgreichen Jahrganges, mitgewirkt hat(dankbarer Applaus…).

      Liebe Eltern, Großeltern, Freunde unserer heute Gefeierten, sie alle heiße ich hiermit besonders herzlich willkommen. Und natürlich, last but not least, die heute zu recht gefeierten, Abgänger, die erfolgreich, wie selten ein Jahrgang zuvor, ohne einen einzigen Ausfall, alle einen positiven Abschluss erarbeiten konnten(stürmischer

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