Brief an Marianne. Martin Winterle
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Brief an Marianne - Martin Winterle страница 5
Für sie galt es, Prioritäten zu setzen. Erst Mama (dann wars erledigt…), vor Eva, ihrer besten Freundin(sollte sie den Namen Horst erwähnen, das würde Rückfragen ohne Ende ergeben, die Details würden mit der genauen Anzahl, Länge und Färbung seiner Schnurbarthaare längst nicht erledigt sein…), dann darüber nachdenken, was sie auf das SMS von Horst zurückschreiben wollte. Bei dieser Reihenfolge blieb es nicht. Nach Mama war Punkt drei an der Reihe.
Entschuldige Eva, aber diesmal geht’s nicht anders.
Vorher schrieb sie sich selbst ein Memo – einen Italienischkurs suchen und auch gleich anmelden. SMS an Eva hatten nicht selten mehrere hundert Stellen, waren aber wenige Minuten später abgeschickt. Mails an ihre Internetbekannten konnten sehr detailliert ausfallen, manchmal seitenlang sein, in einer halben Stunde war trotzdem immer alles erledigt.
Dieses SMS an Horst dauerte eine warme bis lauwarme Tasse Wohlfühltee. Dann eine weitere lauwarme bis kalte Tasse der gleichen Sorte, lang. Dazwischen noch einen Apfel, inklusive langsamen Stengelablutschen und zweimaligen Balkonluft tanken. Die endgültige Textfassung brachte letztendlich eine Sitzung am stillen Örtchen. Zur Bekräftigung ihrer schriftlichen Entscheidung, drückte Marianne mit Vehemenz die Spülung bis zum Anschlag hinunter.
>Hallo Horst, danke für dein SMS. Wenn du Lust hast, Mittwoch ab 14 Uhr hätte ich Zeit. Wir könnten uns im Schlosscafé treffen. Kennst du es? Schönes Wochenende, Marianne. <
Die Antwort kam genau so kurz wie postwendend.
>Hallo Marianne, freue mich riesig auf Mittwoch um 14 Uhr beim Schlosscafé! Dir auch ein schönes Wochenende, alles Liebe, Horst. <
Also noch ein Memo eingeben, Mittwoch 14 Uhr Schlosscafé. Das war sicher das sinnloseste Memo, das sie sich je selber geschrieben hatte. Diesen Termin hätte sie auch ohne Memo, trotz größtem Stress, auch noch mit 38 Grad Fieber nicht vergessen, ganz sicher nicht.
Nun war Eva an der Reihe, Marianne erzählte von ihrer neuen Position im Betrieb, vom Italienischkurs und den üblichen Standarttratsch. Horst klammerte sie aus, sie wusste warum…
Der Sonntag, voll entspannend, beruhigender Nieselregen, keine Verabredungen, keine Telefonate. Endlich konnte sie „Gut gegen Nordwind“ zu Ende lesen. Nein, sie fing lieber gleich noch einmal am Anfang zu lesen an. Trotz eingelegten Lesezeichen, vermochte sie sich nicht mehr genau an den Beginn der Geschichte zu erinnern. Fünf Tage Lesepause waren einfach zulange gewesen.
Es hatte aufgehört zu regnen, sie lief eine Stunde am Inn entlang, eine halbe in jede Richtung. Der Rest war faulenzen, sich auf die kommende Woche vorbereiten.
Und auf den kommenden Mittwochnachmittag freuen. Er ist echt ein netter Typ. Ob er verheiratet ist? Sie dachte, eher geschieden, so wie er sich gibt. Was zieht sie am Mittwoch an?
Sollte sie Montag oder Diensttag noch bei Moni, ihrer Friseurin vorbei schauen?
Freie Mittwochnachmittage – der erste
Das Schlosscafé hatte Marianne ganz bewusst gewählt. Viertelstündlich fuhr ein Linienbus, direkt vor ihrem Büro in diesen Vorort hinaus, ebenso oft wieder in die City zurück.
Das Café, nichts Besonderes, nostalgisch abgenützter 70er Jahre Rustikalstil. Seine intimen Ecken schützten beruhigend vor neugierigen Blicken.
Pünktlich hielt der Bus vor dem Lokal. Horst wartete, neben seinem Auto stehend, direkt vor dem Eingang. Sie reichte ihm die Hand, die er halb herzhaft, halb zaghaft drückte.
Marianne hatte Café Latte, Horst gespritzten Apfelsaft mit Leitungswasser, er fuhr ja Auto. Lieber wäre ihm ein Glas Bier oder Wein, meinte er, aber die Verantwortung…
Er erzählte von Tennis und surfen(auf dem Wasser, nicht im Internet…). Sie über ihren Job.
Horst war ein guter Zuhörer, unterbrach sie nicht, stellte intelligente, Aufmerksamkeit bekundende Zwischenfragen. Zeigte Interesse an allen Themen, die sie anschnitt.
Dabei wurde er ihr immer vertrauter. Sie hatten sich warm geredet. Marianne über seine Anekdoten aus dem Vertreterleben gelacht. Wirklich aus vollem Hals lachen müssen.
Ihre linke Hand hatte sie locker auf dem Tisch abgelegt, als Horst seine Finger, zwischen die ihren schob. Sie zog die Hand nicht zurück, lächelte etwas verlegen.
Gegen halb sechs meinte Marianne, für sie wäre es jetzt Zeit zu gehen, da die Busse ab nun nur noch zur halben und ganzen Stunde fahren würden. Horst bat, sie nach Hause fahren zu dürfen. Mit dem Auto wären es, außerhalb der Stadt herum gefahren, nur wenige Minuten Fahrtzeit, setzte er hinzu. Sie stimmte zu, nannte ihm ihre Adresse. Als er in ihre Strasse einbog, bat sie ihn, etwa hundert Meter vor ihrem Haus zu halten. Die letzten Meter wollte sie gerne zu Fuß gehen. Horst ließ sein Auto unter einer alten Linde ausrollen.
>Darf ich dich wiedersehen? Ich hab es total schön empfunden diese Stunden mit dir. Es war so eine wunderbare Unterhaltung. Leider verging die Zeit rasend schnell. Ewig hätte dich nur anschauen, mit dir immer so weiter reden wollen. <
Er hatte zu ihr hinüber gegriffen, hielt ihre Hand in der seinen. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, sehr sogar, eigentlich sogar viel zu sehr. Blickte ihn an, meinte, wenn du möchtest wir können ja telefonieren. Sicher, sie würde sich auch freuen, es hat ihr auch gefallen und so viel gelacht hatte sie lange schon nicht mehr. Marianne drückte seine Hand wie zum Abschied, wollte die Wagentüre öffnen als Horst sagte:
>Bitte Marianne, nur noch einen Augenblick. <
Er sah sie dabei so bittend an, dass sie nicht genau wusste, was er ihr mit diesem Blick sagen wollte. Er zog sie zu sich herüber, beugte sich ihr entgegen, suchte ihren Mund. Sie hatte nicht mehr die Kraft, wie in Siena, ihm nur ihre Wange anzubieten. Er berührte ihre Lippen und sie konnte sich innerlich sträuben so viel sie wollte, konnte ihr ganzes Ratio auf die Waage werfen, vergeblich, sie küsste ihn zurück. Danach bekam sie es aber plötzlich sehr eilig. Stieg aus, winke noch einmal einen kurzen Gruß zurück, sputete in Richtung Hauseingang. In ihrer Wohnung, presste sie ihre heiße Stirn gegen den kühlen Metalltürrahmen…
In ihrem Kopf drehte sich alles, die Gefühle, die Gedanken, alles mischte sich, drehte sich wie ein Karussell. Sie war mitten im Sortieren, abwägen, auswerten ihrer Nachmittagserlebnisse, als ihr Sohn die Tür aufsperrte. Nach einem kurzen gemeinsamen Abendessen, zog er wieder los, traf sich in der Stadt noch mit Freunden, das konnte spät werden. Bussi Mutsch, weg war er…
Sie sah gedankenverloren fern. Eine Seifenoper hatte an ihrem kitschigsten Punkt einer Dokumentation über Sylt im Winter weichen müssen, als das heißersehnte SMS von Horst kam.
>Hallo Marianne, ich kann an nichts anderes als an dich und unser heutiges Zusammensein denken. Ich habe mich total in dich verliebt. Kann unser nächstes Treffen kaum erwarten. Schreib mir heute noch, bitte, bitte, ich liebe dich, Bussi, Horst. <
Marianne las das SMS immer und immer wieder. Der Fernseher lief und lief und lief, bis sie ihn (natürlich sich…), mittels Fernbedienung endlich erlöste. Ungestört konnte sie nun ihrer Freude freien Lauf lassen. Ihr Herzklopfen war durch den Jogger den sie trug deutlich zu vernehmen, ihre Gedankengänge wollten außer Horst gar nichts anderes in ihrem Kopf zulassen.
Nur ein Gedanke war noch stärker, leider kam er wieder, immer wieder, ganz von selbst.
War