Brief an Marianne. Martin Winterle

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Brief an Marianne - Martin Winterle

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um den Stiegen Aufgang im zweiten Stock der elterlichen Villa. Von diesem zentralen Raum aus führten vier Türen, eine in jede Windrichtung. Eine schmale Treppe führte noch einen Stock höher, hinauf in einen kleinen, achteckigen Turm. Dorthinauf zog sie sich zurück, machte ihre Jogaübungen, las Esoterikbücher.

      Das alte Haus aus der Gründerzeit war Familienbesitz, lag am nördlichen Stadtrand der Landeshauptstadt. Erhöht über der Stadt, in einem romantischen, verwilderten Garten mit zwei beeindruckenden Eichen, roten und weißen Oleanderbüschen, mehreren uralten, naturbelassenen Rosenhecken.

      Ein großer Vorteil dieses Gartens war, problemlos, jederzeit einen Parkplatz zu finden. Evas Eltern bewohnten den ersten Stock. Im Parterre hatte ihr Vater seine Anwaltspraxis. Waren er, seine Sekretärin und ihre Mutter gleichzeitig im Büro, kamen zweihundert Jahre zusammen, witzelte Eva. Trotz seines Alters, arbeitete ihr Vater immer noch als Rechtsbeistand, wenn auch seltener.

      Eva lebte für ihren Job, joggte gern, liebte Kochexperimente, Modezeitschriften, Maniküre, Pediküre, eigene experimentelle Exotikteemischungen, Langzeitduschen und – Marianne (ihr Mädel, wie sie sie nannte…). Sie hatte nur eine wirklich fixe Beziehung. Seit zweieinhalb Jahren zu Benjamin, ihrem kastrierten Kater, der mit vollem Namen eigentlich Benjamin Blümchen hieß. Er hatte die angenehme Wesensart, ihr grundsätzlich nicht zu wiedersprechen.

      Im Gegensatz zu Benjamin, machten alle menschlichen Männer die Eva nach ihrer Scheidung kennen gelernt und abgeschleppt hatte, natürlich unwissentlich, diesen Kardinalfehler. Das war meist das unwiderrufliche Ende ihrer Langzeitbeziehungen, die in der Regel zwischen 48 und 960 Stunden dauerten.

      Marianne war gerne bei Eva, kam vorbei, kuschelte sich in die bunte Polsterlandschaft und schlürfte eine Mischung undefinierbarer Teezusammenstellung mit braunem Zucker oder Honig. Konnte entspannt über ihre kleinen und größeren Kümmernisse quatschen. Horsts Name hatte in diesem Refugium bisher noch keinen Zugang gefunden, absichtlich nicht…

      Freie Mittwochnachmittage – der dritte

      Bis auf ihre weinrote Lederjacke, hatte sie heute nur Schwarzes an. Sie liebte diese Farbe, für darunter wie für darüber gleichermaßen. Schwarz harmonierte mit ihrer gesunden Hautfarbe, ebenso perfekt, wie mit ihren dunklen Haaren. Am Montag war sie bei ihrer Friseurin gewesen. Moni hatte sich gewundert, warum sie diesmal ihre Kunst so kritisch betrachtete, sogar den einen oder anderen Wunsch, bezüglich Schnitt und Farbe geäußert hatte. Das war für gewöhnlich gar nicht ihre Art. Nach dem Warum hatte Moni nicht gefragt. Gedacht hatte sie sich dabei natürlich schon etwas, gesagt aber keine Silbe…

      Der Linienbus war an diesem Morgen, voll wie immer, die Luft stickig wie meistens und der Lärmpegel hatte auch Normalniveau. Das Beste an der Fahrt war noch der Sitzplatz am Fenster, wenn auch ohne Fußfreiraum. Sie hatte ihr Handy aus der Tasche gekramt, las SMS. Nur diese von Horst, eines nach dem anderen, fing beim ersten an und endete beim aktuellsten. Schaffte es gerade, sein letztes zweimal zu lesen, dann musste sie zügig aufstehen, sich an der Türe zum Aussteigen anstellen. Die wenigen Minuten, bis zu ihrem Büro legte sie an diesem Morgen fast im Laufschritt zurück. Beim Bäcker an der Ecke erstand sie noch rasch eine Nussschnecke mit extrem dickem Zuckerguss, einen kalorienarmen Fruchtmilchdrink, ihr Mittagessen.

      Im Büro war es heute angenehm ruhig. Die vorbereiteten Arbeiten ließen ihr mehr als genug Gedankenfreiraum. Die wenigen eingehenden Anrufe betrafen sie nicht persönlich, konnten alle weiter geleitet werden. Genau genommen, führte sie den ganzen Vormittag nur ein einziges längeres Telefonat, mit einem ihrer Außendienstmitarbeiter. Um 13 Uhr würde Horst sie vor dem Haus abholen. Sie wurde zusehends nervöser, aber auf diese eigentümlich, stürmische Art unruhig zu werden, das kannte sie eigentlich von sich nicht. Ihr Hochgefühl, wechselweise mit Herzklopfen und Unruhe, war viel intensiver als am letzten Mittwoch. Ihr fiel selbst das ruhige Sitzen nicht leicht, bemerkte, wie sie auf ihrem Bürostuhl mit ihrem Hinterteil Kreise beschrieb. Darüber musste sie dann doch schmunzeln. Siebzehn oder vierzig, wo lag der Unterscheid?

      Sie konnte keinen logisch erklärbaren finden. Als Erklärung schrieb sie ihre Nervosität dem heute wirklich abnormal starken Föhnsturm zu, der sogar an ihrem Bürofenster rüttelte und in allen möglichen Tonlagen ein Pfeifkonzert gab. Neben Staub und Blättern wirbelte er Zeitungsfetzen und Plastiktüten durch die Luft, bildete rotierende Kreise im Hinterhof, auf den sie, ganz in ihre Gedanken versunken immer wieder hinaussah. Wenn der Bildschirm ihr zu anstrengend für diesen Tag wurde.

      Was wollten sie heute Nachmittag unternehmen?

      Wohin konnten sie fahren, was würde am besten passen?

      Wieder ins Schlosscafé, wie beim ersten Mal?

      Sie würde es vorziehen. Plötzlich schoss es ihr wie ein greller Blitz, siedend heiß in den Kopf – sie hatte ja sturmfreie Bude! Sofort verwarf sie diesen Gedanken wieder, aber er war nicht mehr aus ihren Gehirnwindungen zu vertreiben. Ganz im Gegenteil, er wurde zum alleinigen Denkmuster, immer größer, immer bunter, immer dringlicher.

      Er wurde zu einem Film. Einem Film in dem Horst und sie die einzigen beiden Rollen spielten.

      Sie hätte es begrüßt, wenn er einen Vorschlag, eine Idee für den gemeinsamen Nachmittag anbieten würde. Sie hoffte es inständig, ja sie betete fast darum. Wie könnte sie es schaffen, ihre Gefühle für ihn, zu unterdrücken, nicht gleich offen zu zeigen? Das würde ihr bestimmt schwer fallen.

      Sollte sie eventuell leise umschreibend, daraufhin weisen, dass er bei ihrem letzten Rendezvous möglicherweise, ein wenig zu weit gegangen war? Damit hätte sie weniger Panik. Vor dem was in genau 120 Minuten passieren würde, könnte, sollte, musste, oder doch besser nicht(…noch nicht).

      Die Tatsache, dass zwei Stunden gleichzeitig extrem lang sein konnten, andersherum im Nu vergingen, verursachten bei ihr wechselnde, etappenweise, rasend schnell wechselnde Gefühlsausbrüche. Ihre Handflächen waren feucht geworden, dafür ihr Gaumen trocken.

      Sie trank ihren Fruchtdrink fertig, die halbe Nussschnecke konnte sie nicht mehr essen, packte sie in ihre Handtasche. Zwölf Uhr fünfzig, zeigte die winzige Anzeige, rechts unten auf ihrem Bildschirm. Sie ging auf die Toilette, prüfte im Spiegel ihr Haare, attestierte zwei rötliche Aufregungsflecken auf ihren Wangen, zog farblos ihre Lippen nach.

      Durch das Fenster im Gang sah sie auf die Straße hinaus. Horst wartete bereits auf der gegenüberliegenden Straßenseite, telefonierend in seinem Auto sitzend.

      Sie fuhr ihr EDV Anlage herunter, nahm Jacke und Umhängetasche, atmete einmal tief durch und marschierte, plötzlich sehr entschlossen los(wenn es sich ergeben sollte…).

      Horst strahlte sie an, sein warmer Blick ließ sie, wie weiche Butter, dahinschmelzen. Zärtlich nahm er sie in den Arm. Zog sie zu sich herüber, drückte sie fest an sich, hielt sie mit seinen Armen eng umschlungen. Ihr Begrüßungskuss fiel zärtlich, innig, wie eine gegenseitige, wortlose Bestätigung aus.

      >Liebes, ist das schön, dich wieder zu spüren, komm lass uns fahren. Muss endlich mit dir allein sein. Hab mich so irrsinnig auf dich gefreut! Konnte es kaum erwarten, dass es endlich 13 Uhr wird, das ewige Warten ein Ende hat. <

      >Hast du lange auf mich warten müssen? <

      >Nein Liebes, ich bin nur schon länger hier gestanden, konnte ohnehin den ganzen Vormittag nichts anderes tun, als an dich denken. Hast du einen Wunsch für unsere gemeinsame Zeit, Liebes? Ich würde dich gerne nur gelöst und glücklich sehen, dich nicht wieder erschrecken, wie letzten Mittwoch. Nur weil ich mich, aus lauter Sehnsucht nach dir, nicht beherrschen konnte. <

      Horst

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