Veyron Swift und der Schattenkönig: Serial Teil 2. Tobias Fischer
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Tobias Fischer
Veyron Swift und der Schattenkönig: Serial Teil 2
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Inhaltsverzeichnis
Eine königliche Kreuzfahrt
Eine halbe Stunde, nachdem das letzte Besatzungsmitglied an Bord gegangen war, legte die RMS Olympic ab. Die Leinen wurden gelöst und unter dem Jubel des versammelten Volkes schoben die Hafenschlepper das fast dreihundert Meter lange Stahlmonster von der Kaimauer fort. Sie drückten es unter Aufbringung aller Motorenkraft auf den richtigen Kurs, hinaus aus dem Hafen Talassairs. Endlich begannen sich die drei Schrauben der Olympic aus eigener Kraft zu drehen, schneller und schneller. Das Hafenwasser wurde aufgewühlt, Wellen schwappten ans Ufer, Menschen und Zwerge klatschten und jubelten. Der lange, schwarze Rumpf schob sich vorwärts, das Schiffshorn blies dreimal zum Abschied. Die Olympic war wieder unterwegs, zum ersten Mal seit ihrer vermeintlichen Verschrottung in Fernwelt.
An Bord besichtigten Tom und Veyron ihre Erste-Klasse-Suite auf dem C-Deck. Zwei Schafzimmer, ein eigenes kleines Bad samt Wanne und Toilette, dazu noch ein geräumiger Salon mit Sofa und mehreren Sesseln. Sämtliche Wände waren mit Eichenholz vertäfelt, an der Decke hingen aufwendig verzierte Kronleuchter. Tom war wirklich beeindruckt. Alles hier glich einem kleinen Palast. Mit einem begeistertem Lachen warf sich Tom auf sein Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
»Mann, ich weiß gar nicht, wann ich zum letzten Mal in so einem bequemen Bett gelegen habe. Floyds Vorväter haben keine Kosten gescheut«, sagte er und schloss für einen Moment zufrieden die Augen. Endlich wieder Abenteuer – und diesmal auf denkbar komfortabelste Weise.
Veyron inspizierte ihre Suite mit wissenschaftlicher Genauigkeit und ließ sich dann, sichtlich müde, auf die Couch im Salon sinken.
Tom hatte erwartet, dass sein Patenonkel irgendetwas auf die Aussage „ zum letzten Mal“ erwidern würde. Veyron war bei Zeitangaben eigentlich immer sehr pedantisch. Rasch stand Tom auf und ging hinüber in den Salon. Veyron hatte die Augen geschlossen; aber er schlief nicht, das wusste Tom sofort.
Jetzt, wo sie für die nächsten paar Tage etwas Ruhe haben würden, war es an der Zeit, einigen Dingen auf den Grund zu gehen.
»Darf ich Sie was fragen?«, sagte Tom und fuhr dann fort, ohne Veyrons Antwort abzuwarten. »Was hat es mit dem Schattenkönig auf sich? Wann hatten Sie mit ihm zu tun und was ist geschehen? Sie meinten, Sie hätten das letzte Mal gegen ihn verloren. Wie? Was hat er getan?«
Veyron antwortete nicht sofort, sondern atmete erst einmal tief durch, öffnete die Augen und blickte Tom einen Moment lang an.
»Das ist jetzt schon ein paar Jahre her. Der Schattenkönig hatte meine Schwäche herausgefunden und sie ausgenutzt«, sagte er im lapidaren Tonfall. Offenbar wollte er nicht darüber reden, doch Tom hielt es für imment wichtig, mehr zu erfahren.
»Und? Was für eine Schwäche ist das?«
»Das ist unwichtig, mein lieber Tom. Diese Schwäche existiert nicht mehr.«
»Ach so. Warum hatten Sie dann so große Angst, als uns der Schattenkönig in der Ramer-Stiftung aufgelauert hat? Leugnen Sie das nicht! Ich hab es genau gesehen, Sie sind regelrecht erstarrt.«
Veyron musterte Tom mit einem Ausdruck des Erstaunens. Anschließend bemühte er sich um ein entwaffnendes Lächeln.
»Das stimmt, das ist mir tatsächlich passiert. Ich hatte meine Emotionen für einen Moment nicht unter Kontrolle. Vermutlich, weil ich nicht damit rechnete, dass uns der Schattenkönig selbst am helllichten Tage noch nachstellen würde. Es tut mir leid, das war ein unachtsamer Moment. Ich werde es in Zukunft besser kontrollieren«, sagte er.
Tom spürte, das Veyron ihm nicht die Wahrheit sagte. Er schaute ihm aus großen, vorwurfsvollen Augen an. Veyron merkte wohl, dass Tom alles andere als zufriedengestellt war.
»Ich versichere dir, es verläuft alles wieder nach Plan.«
»Was für ein Plan, Veyron? Sie haben ihn immer noch nicht genauer erläutert«, hielt Tom sofort dagegen. Veyron warf einen kurzen Blick zur Decke und schniefte einmal.
»Es wäre zu kompliziert, dir alle Zusammenhänge zu erläutern. Tatsache ist zudem, dass ich noch nicht alle Fakten beisammen habe, um eine abschließende Analyse vorzunehmen«, erklärte er.
Tom nickte und glaubte zu verstehen. »Einfach ausgedrückt: Sie haben gar keinen Plan, zumindest keinen echten. Nicht wahr? So ist es doch, oder? Wir stürzen uns hier ins Abenteuer und Sie wissen gar nicht, was Sie tun sollen und was auf uns zukommt.«
»Das weiß man prinzipiell eigentlich nie. Letztlich ist jeder Plan immer nur ein Ratespiel«, relativierte Veyron die ganze Angelegenheit mit einer Seelenruhe in der Stimme, die Tom schier wahnsinnig machte.
»Okay. Nur mal so gefragt: Haben Sie überhaupt einen Ansatz, wo wir das Horn des Triton suchen sollen?«
»Nein, nicht den geringsten.«
Tom stieß ein entnervtes Stöhnen aus. »Veyron!«, rief er, »das ist Irrsinn! Das ist doch gar nicht Ihre sonst übliche Vorgehensweise. Normalerweise gehen Sie nicht mal ohne Plan aufs Klo!«
Veyron legte die Fingerspitzen aneinander und dachte einen Moment darüber nach. Zumindest nahm Tom das an, als er die Blicke seines Paten blitzartig von links nach rechts springen sah.
»Auch das ist eine zutreffende Feststellung. Schön zu sehen, dass du bei klarem Verstand bist. Das ist in deinem Alter nicht immer selbstverständlich. Fakt ist jedoch auch, dass der Schattenkönig kein gewöhnlicher Gegner ist. Er ist ebenso brutal wie gerissen. Ich versichere dir, dass ich durchaus einen Plan verfolge. Jedoch ist er abhängig von Ereignissen, die erst stattfinden müssen, damit er greift. Achaion wird unser erster Ansatz sein«, erklärte er in vollkommener Sachlichkeit.
Tom schaute seinen Paten skeptisch an. »Warum gerade Achaion?«
»Was weißt du über Achaion?«, wollte Veyron wissen.
Tom lehnte sich zurück und musste nachdenken. Über Elderwelt wusste er freilich nicht annähernd so viel wie sein Pate. Doch ein paar Informationskrumen hatte er während ihrer beiden großen Abenteuer, und den anderen Zusammentreffen