Unglück. Iris Wandering

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Unglück - Iris Wandering

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Gefasel und jede Jahreszeit hätte doch ihre Momente.

      Das Warten hat sich etwas verändert. Silvia wird nun gefahren, statt in der Wohnung hin- und herzulaufen. Das Nichts-tun-können weicht einem Was-werde-ich-zu-sehen-bekommen.

      Die Strecke ist beides, lang und kurz. Ein verlässliches Gefühl für Zeit ist nicht mehr da. Silvia hat die Stimmen Leute von der Hotline noch im Ohr: «Rufen Sie doch später wieder an, aber wenn es möglich ist, bitte nicht zu oft. Sie merken ja selbst, wie schwer es ist, bei uns durchzukommen.» Die Stimmen waren alle unterschiedlich und doch ähnelten sie sich. Keine von ihnen war auch nur einmal unfreundlich oder ungeduldig geworden. Der Ton macht eben die Musik. Oder wie Mozart es ausdrückte:

       Die Musik steckt nicht in den Noten, sondern im Raum dazwischen.

      Ob das auch Bahnmitarbeiter sind? Silvia ist sich nicht sicher und will es eigentlich auch gar nicht wissen. Vielmehr will sie wissen, wo ihr Bruder ist und vor allem was mit ihm ist. Die Sonne scheint weiterhin, und der Tag ist von außen betrachtet immer noch ein echter Frühsommertag wie er oft in einem Jahreszeitenkalender abgebildet wird.

      Mittlerweile ist es Donnerstagmorgen. Dienstagnachmittag hat Silvia Max zuletzt gesehen. Also vor einer Ewigkeit, wenn sie an die bisherige Suche nach ihm denkt. Nachdem sie sich irgendwann mitten in der Nacht zum Donnerstag doch hingelegt und so etwas Ähnliches wie ein bisschen Dämmerschlaf gefunden hatte, stecken Angst, Sorge und auch Müdigkeit in ihr fest. Silvia hat keine Vorstellung davon was sie erwartet, und die Worte ihrer Tante Erika «Ich bete für euch alle» haben nichts Tröstliches. Im Gegenteil. Warum, warum, warum er?

       Max hat sich nicht gemeldet, also ist er dabei?

      Er ist ja manchmal etwas sonderbar und eher einsilbig, aber einfach so zu verschwinden traut sie ihm nicht zu. Solche Sorge anderer würde er nicht für seine persönliche Freiheit in Kauf nehmen. Auch wenn er alles satthatte, bisher hat er sich immer um die Familie gekümmert. Und jetzt, da der Verkauf des Elternhauses und die Auflösung des väterlichen Büros mitsamt Max´ dortigem Arbeitsplatz ansteht und er sein eigenes selbstbestimmtes Leben beginnen kann, doch sowieso.

      «Was haben die denn geraucht?», fragte Jan, Silvias bester Freund, als er gestern spät am Abend von seiner Schicht kommend vorbeisah und gerade noch einen Teil der Nachrichten mitbekam. Nachdem es doch kein Autounfall auf der Brücke war, sollten nun fliegende Kühe den Unfall verursacht haben? Was für eine Idee! Die Hände hätte der Mann zumindest aus den Taschen nehmen können und sich auch aufrecht hinsetzen.

       Jeder, wie er kann.

      Wir müssen alle einmal sterben. Die einen früher, die anderen später. Im Tod allerdings sind alle gleich – ja, nur sind die einen früher tot, die anderen später. Wann ist gleich gleich? Interessiert es den Tod denn, was derjenige tat, bevor er kommt?

      Die Gedanken hüpfen hin und her, haben keine Struktur – sind sie ihren Sinn los? Nein, bestimmt nicht! Dumm ist nur, dass sie sich nicht einmal für eine kleine Pause abstellen lassen. Für ein Durchatmen. Ein wenig Ruhe in Kopf und Herz wäre schön. Bis zum Krankenhaus dauert es noch ein Weilchen, die blühenden Rapsfelder huschen an ihnen vorbei.

      Was kann man aus Raps eigentlich alles machen? Wie teuer sind solche Erntemaschinen? Wie viel und wie lange braucht es, um eine Flasche Rapsöl herzustellen? Ist kaltgepresst wirklich so viel besser? Nicht für Babys, hat Silvia mal gelesen. Was für ein Boden wird dafür benötigt? Kann Raps eigentlich schwimmen?

       Du kannst Fragen stellen!

      Mini ist ja mit Max´ Freunden bereits ins Krankenhaus gefahren. Dann lerne ich die auch einmal kennen. Wie die wohl so sind? Warum durften wir sie eigentlich nie kennenlernen? Max hat immer gut darauf geachtet, dass wir von ihm nichts erfahren was außerhalb der Familie ist. Still und zupackend, das ist er. Wird er es noch wieder sein?

       Oder war er es?

      Mick, hör mal für einen Moment auf!

       Kann nicht anders.

      Donnerstag, 4. Juni 1998, Anna mittendrin

      Schon früh ist Anna wieder auf den Beinen. Sie muss sich zur Arbeit vor Ort zurückmelden und verlässt die Pension ohne Frühstück. Das Essen ist ihr ohnehin vergangen. Sie nimmt nur ihre Wasserflasche mit.

      Auch am Vormittag versucht sie, Max zu erreichen. In Hamburg geht er nicht ans Telefon. Bei ihm zu Hause hebt auch keiner den Hörer ab. Auch Nina erreicht sie nicht, wahrscheinlich ist sie schon zu ihrem Dienst gegangen. Soll Anna etwa die Hotline anrufen?

      Nach einiger Überwindung wählt sie eine der beiden Nummern. Glücklicherweise steht Max´ Name nicht auf der Liste. Dann ist er auch nicht dabei. Warum nur meldet sich Max denn nicht? Er weiß doch ganz genau, dass sie von ihm hören möchte! Ben hat recht, er ist wirklich oft ganz schön maulfaul.

      Die Einsatzfahrzeuge sind recht ordentlich nebeneinander auf dem Feld nahe der Strecke abgestellt. Ordnung im Chaos. Dort ist auch viel Platz zum Landen für Hubschrauber. Anna kann sich nicht erinnern, ob das Feld bereits gemäht war, oder ob das für die Hubschrauber gemacht wurde. Ist ja auch nicht wichtig, aber vermutlich war es vorher schon so.

      Die Geräusche der Kräne haben ihre ganz eigene Melodie: Sobald die Seile und Haken platziert sind, fängt das Sirren der Rollen an. Und wenn beim Strammziehen dann die Spannung aufgebaut wird, kommt ein Ächzen oder Stöhnen bei den Seilen und Riemen hinzu. Und schließlich, wenn das zu bergende Teil gehoben wird, fängt das Kreischen an. Sie hat es nun schon oft gehört. In Annas Ohren klingt es teilweise wie ein Tier, das unsagbar leidet. Jedes Rucken der Konstruktion ist wie ein letztes Aufbäumen und Zucken vor dem endgültigen Ende.

      Donnerstag, 4. Juni 1998, Auf dem Weg, aber wohin?

      Jetzt ist Silvia also auf dem Weg zum Krankenhaus – dem Richtigen? Die Sonne sticht sie fast mit ihren Strahlen. Ab und zu schließt sie die Augen. Auf dem Weg zum Krankenhaus ziehen an ihrem Autofenster Felder mit Kühen und ohne Kühe an ihr vorbei. Silvia weiß nicht, was sie erwartet. Eine panische Ruhe hat sich in ihr breit gemacht. Abwarten, bis sie da ist. Sie kann nur abwarten und bleibt dabei von anderen abhängig.

      «Brauchst du etwas?», fragt Jenny vom Beifahrersitz aus leicht nach hinten zur Rückbank gedreht. Sie hatte bei der Abfahrt an etwas zu trinken und auch etwas Obst gedacht und eine Tasche zwischen ihren Füßen abgestellt. Außerdem hat sie dafür gesorgt, dass Silvia ihr Portemonnaie und ihr Adressbuch dazulegte.

      «Nein danke», murmelt Silvia und sieht sich den Fleck an der Rückseite des Beifahrersitzes genauer an. Woher kommt der denn? Ach ja, der ist bei ihrem letzten Radtransport passiert. Silvia möchte nicht, dass sie jemand ansieht, also war sie nach hinten ins Auto gestiegen, obwohl ihr da immer schlecht wird. Schlecht ist ihr sowieso. Vor Angst vor dem was sie sehen wird, sobald sie angekommen sind. Die meiste Zeit schweigen sie, was sollen sie auch sagen. Da gibt es nichts worüber man sprechen könnte.

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