Taubenjahre. Franziska C. Dahmen
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Читать онлайн книгу Taubenjahre - Franziska C. Dahmen страница 26
Auf jeden Fall hatte es bisher keinen Tag gegeben, an dem Hans und Karl nicht irgendetwas zusammen ausheckten. Von Diebstahl bis hin zu Erpressung war alles vorgekommen. Wie sonst war es möglich, dass die beiden mit soviel Geld um sich schmissen und fast täglich betrunken nach Hause kamen? Erst vorige Woche hatte sie durch Zufall erfahren, dass die beiden die Bäckersfrau erpressten. Sie hatte sich schon gewundert, warum diese jedes Mal bleich wurde, wenn sie den Laden betrat. Aber die Eierfrau hatte es ihr verraten, als sie sich am Montagmorgen unversehens vor der verschlossenen Ladentür befunden hatte.
»Oh«, hatte die Eierfrau hinter vorgehaltener Hand zu ihr gemeint, »da können sie lange warten, der Laden macht so schnell nicht auf. Die Frau vom Günther ist gestern nach einem fehlgeschlagenen Selbstmordversuch in der Klinik gelandet. Ich mein, ich habe es ja schon lange geahnt ... Hat sich immer für was Besseres gehalten. Aber jetzt ist es raus. Ne Affäre hat sie gehabt. Mit dem Apotheker. Ha! Dumm nur, dass sie sich von ihm hat schwängern lassen.« Die Eierfrau hatte hämisch gegrinst. »Tja, normalerweise hätte sie es ja ihrem Mann unterjubeln können. Aber der Günther kann nun mal keine Kinder zeugen, sodass sie zur Engelmacherin gehen musste. Genau das haben aber zwei junge Kerle – man weiß zwar nicht wer, aber das wird sich gewiss finden – herausgefunden. Auf jeden Fall haben die beiden sie damit erpresst. Aber alles hat seine Zeit. Irgendwann ist dem feinen Luder alles zu viel geworden und sie hat versucht, sich umzubringen. Aber Gott sei Dank hat der Günther sie frühzeitig gefunden. Der arme Mann! Von ewiger Verdammnis soll sie geschrien haben und toten Kinderaugen, die sie ständig verfolgen ... Armes Ding!«, hatte die Eierfrau zu ihr gesagt, »Gott wolle sie für das, was sie getan habe, bestrafen und die beiden jungen Erpresser seien sein auserkorenes Werkzeug, um ihr vor Augen zu führen, welche Sünde sie begangen habe. Racheengel ihres ungeborenen Kindes seien sie und keine Bösewichte, deshalb werde sie auch niemanden sagen, um wen es sich handele. Aber«, so die Eierfrau, »irgendwann kommt die Wahrheit an den Tag und dann wird man genau wissen, wer die beiden sind.«
Später hatte Hanna die Geschichte zu Hause erzählt. Als sie dabei beobachten konnte, wie stolz Karl sich dabei aufplusterte, war ihr mit Schrecken klar geworden, dass er einer von den beiden Erpressern war. Und da Karl und Hans nie ohne den anderen etwas ausheckten, lag es für sie auf der Hand, dass es sich bei dem anderen Erpresser nur um Hans handeln konnte.
»Oh, da kommt mein Vater.«, sagte Rafael und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den untersetzten Mann, der mit düsterem Gesicht auf sie zukam. Ihr Herz klopfte im harten Takt seiner Schritte.
»Nichts! Ich hätte es mir denken können!«, stieß er bitter aus. »Wir sollen abreisen. Mehr haben sie nicht zu sagen, außer dass wir selber an allem Schuld seien ...«
»Und Kalia? Sollen wir sie einfach so zurücklassen? Was stellen die Gadje sich vor?«, empörte sich Rafaels Mutter.
Kalias Leiche haben sie heute morgen auf dem Armenfriedhof begraben. Noch nicht einmal ein Priester ist dabei gewesen.«
Ein markerschütternder Schrei durchzog das Lager, dem sich reihum das klagende Geheul der anderen Frauen anschloss.
Hanna wurde leichenblass.
Rafaels Vater wandte sich an Rafaels Schwägerin und erklärte ihr etwas in einer fremden Sprache, die Hanna nicht verstand. Sie sah nur, wie Kendera heftig ihren Kopf schüttelte und ihm tränenüberströmt antwortete. Aber er reagierte nicht darauf. Stattdessen richtete er sich an alle und verkündete: »In einer Stunde ist Aufbruch!«
Protestgeschrei wurde hörbar, aber Rafaels Vater ließ sich nicht beirren. Steif und blass machte er sich auf den Weg in Richtung Weide, wo er auf halber Strecke von Rafael angehalten wurde.
»Vater?«
Anton Zlobek drehte sich um. Sein Gesicht schien um Jahre gealtert zu sein. »Was?!«
»Kann Hanna mit uns reisen?«
Anton Zlobek registrierte erst jetzt, dass Hanna einen Koffer bei sich trug. »Das ist keine gute Idee.«
»Bitte Vater, sie braucht Hilfe…«
»Sie ist eine Gadje, sie bringt nur Unglück!«, mischte Kendera sich kreischend ein und spuckte erneut auf den Boden. Zugleich spreizte sie ihren kleinen Finger seitlich ab. »Sie hat den bösen Blick!«
»Blödsinn!«, entgegnete Rafael ihr.
»Erst seitdem sie bei uns aufgetaucht ist, haben wir Ärger. Wegen ihr musste Kalia sterben!« Erneut traf Hanna ein hasserfüllter Blick Kenderas und ließ sie schuldbewusst zusammenzucken. Wenn du wüsstest, wie recht du hast, dachte Hanna bei sich, schwieg aber.
»Das glaubst du selber nicht. Wo wir hinkommen, haben wir Ärger! Du kannst Hanna nicht dafür zur Verantwortung ziehen, dass wir als Roma nirgendwo willkommen sind!«
»Sie ist eine Hexe und sie hat meine Schwester auf ihrem Gewissen!«, behauptete sie steif und fest.
»Hört auf! Alle beide!« Anton Zlobek schaute sowohl Kendera als auch Rafael streng an. »Dass Kalia gestern Abend umgekommen ist, dafür kann Fräulein Hanna nichts. Aber sie ist eine Gadje. Ihr zu Hause ist bei ihnen. Sie gehört nicht zu uns; sie ist und wird immer eine Fremde bleiben. Das kann nicht gut gehen. Deshalb und nur deshalb wird sie nicht mit uns kommen.« Damit drehte er sich um und ging und hinterließ drei Menschen mit höchst unterschiedlichen Gefühlen: Eine äußerst zufrieden dreinblickende Kendera, die sich anschickte, in einen Klagegesang für ihre tote Schwester zu fallen, eine zutiefst getroffene Hanna sowie einen enttäuschten Rafael.
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