Die lichten Reiche. Smila Spielmann
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Читать онлайн книгу Die lichten Reiche - Smila Spielmann страница 17
Der Magus saß scheinbar ungerührt auf seinem Platz, doch in seinem Inneren tobte ein Sturm. Die Tragweite dessen, was der Junge versucht hatte, konnte nicht einmal er vollständig begreifen. Beim Licht! Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass es Elfenzauber gab, die so gut erhalten waren, als dass man sie rekonstruieren konnte. Wie unverantwortlich von den grauen Magi Bücher mit solchem Inhalt einfach herumliegen zu lassen! Es gab in der Geschichte nur eine handvoll Berichte über Menschen, die sich in der Magie der Dunklen versucht hatten und sie alle endeten mit gewaltsamem Tod. Ein normaler Mann würde vermutlich nie auf die Idee kommen, die Dunkelheit um Hilfe zu bitten – zu einem toten Gott zu beten. Doch die Magi wussten, dass obwohl Tenebris und seine Kreaturen tot waren, seine Magie nicht gestorben war. Sie war Teil der Erde und der Luft und wenn man nur wollte, konnte man an diesem dunklen Netz genauso rühren wie an Lucis’ lichtem. Durch die jahrtausendelange Herrschaft des Lichts war das dunkle Netz verblasst, doch verschwinden würde es vermutlich nie. Lucthen blickte auf den Jungen, der mittlerweile laut schluchzte. Er hatte kein Mitleid mit ihm. Wer dumm genug war so etwas zu versuchen, hatte das Recht verwirkt an einer Akademie zu studieren. Dawn hielt ihren Freund in den Armen und was sie sagte, goss Öl in Lucthens inneres Feuer.
„Du hast nichts Unrechtes getan, Corus“, versicherte sie ihm. „Es ist nur natürlich, dass du deinen Freund nicht verlieren wolltest. Ehrlich, wenn ich in deiner Lage gewesen wäre, ich hätte das Gleiche versucht.“ Dummes, törichtes Kind. Sie wusste ja nicht, was sie da sagte. Zu Lucthens Erstaunen hob Corus den Kopf, um seiner Freundin zu widersprechen.
„Nein, Dawn. Ich hätte das nicht tun dürfen. Es war schrecklich falsch; ich weiß das jetzt.“ Um Entschuldigung heischend blickte er zu Lucthen auf. Der Magus seufzte innerlich. Es hatte vermutlich keinen Sinn, wenn er ihn jetzt anschreien würde. Er bezweifelte auch, dass eine Tracht Prügel dem Jungen helfen würde seinen Fehler einzusehen, obwohl es ihm selbst dadurch ohne Zweifel besser gehen würde. Lucthen nickte.
„Ja, was du getan hast war falsch. Ich gehe davon aus, dass du daraus etwas gelernt hast.“ Corus nickte erschöpft. Verdammt, jetzt tat ihm der Junge doch leid. „Vielleicht war die Strafe zu hart“, hörte er sich zu seiner eigenen Verwunderung sagen, während er aufstand und Crystal seine Hand reichte. „Wir sollten aufbrechen.“ Crystal legte ihre Finger in seine Hand und ließ sich von ihm aufhelfen. Er merkte, dass sie leicht zitterte und so schenkte er ihr ein aufmunterndes Lächeln. Sie wollten gerade die Pferde, die in der Nähe gegrast hatten, einfangen, als aus den Hecken plötzlich zwei Gestalten hervorbrachen. Lucthen erstarrte. So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen. Die Kreaturen gingen auf zwei Beinen, ihre wuchtigen Körper waren von schwarzen Lederrüstungen verdeckt, doch ihre Gesichter hatten nichts Menschliches. Ihre Haut war wie die einer Kröte, dunkel und vernarbt. Die unteren Eckzähne sahen aus wie die Hauer eines Wildschweins und ihre Augen waren völlig schwarz. Die Tatsache, dass sie mit gezogenen Äxten auf sie zustürmten, beunruhigte Lucthen lange nicht so sehr wie ihr seltsames Aussehen. Neben ihm schrie Crystal erschrocken auf und er begriff, dass das kein Traum war. Er reagierte instinktiv. Seine Hände formten die Geste der Bewegung und dann ihre Umkehrung. Zufrieden registrierte er, dass eines der Krötenwesen mitten im Lauf erstarrte. „Schnell, zu den Pferden!“, rief er. Als Crystal nicht reagierte, wollte er sie am Arm packen und mit sich ziehen, doch dann sah er wie Dawn aus ihrer Satteltasche ein Schwert zog und er blieb stehen. Sein Verstand sagte ihm, dass es nur eine Waffe war. Eine Waffe in den Händen eines Freundes und somit weniger gefährlich als die Krötenwesen; und doch hatte er einen Moment lang das Gefühl, dass er sich lieber in die Äxte der Feinde stürzen würde, als Dawn zu nahe zu kommen. Panische Angst stieg in ihm auf und raubte ihm den Atem – ihm wurde schwarz vor Augen… Dann war der Moment vorüber. Entschlossen zog er Crystal mit sich und beobachtete aus den Augenwinkeln wie Dawn auf eine der Kreaturen zulief.
„Du musst ihr helfen!“, stieß Crystal hervor. Corus lief Dawn hinterher und Lucthen zögerte kurz. Schließlich gab er sich einen Ruck und folgte den Beiden. Crystal hatte Recht. Dawn hatte gegen die Krötenwesen keine Chance. Das Schwert sah so groß und wuchtig aus, dass Lucthen ernsthaft bezweifelte, dass ihr damit auch nur ein einziger Schlag gelingen würde. Er war noch nicht weit gekommen, als Dawn den ersten Angreifer erreicht hatte. Corus schrie eine Warnung und Lucthen fluchte leise. Das Gör würde sich umbringen! Doch dann sah er mit Erstaunen, dass Dawn den ersten Hieb der Axt geschickt parierte und im Gegenzug ihr Schwert mit voller Wucht in den Hals des Angreifers trieb. Mit einem einzigen Streich trennte sie den Kopf vom Rumpf. Ohne innezuhalten sprang sie zu der zweiten Kreatur, die immer noch in Lucthens Zauber gefangen war, und tötete auch diese. Der Magus wusste nicht, ob er befreit aufatmen oder sich vor Dawn in Acht nehmen sollte. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr, drehte sich um und lief sofort los. Zwei weitere Kreaturen waren hinter ihnen aufgetaucht. Sie hatten Crystal, die alleine stand, erspäht und hasteten auf sie zu. Crystal hatte sie noch nicht bemerkt und Lucthen rief eine Warnung. Auch Dawn und Corus hatten die neuen Angreifer bemerkt und beeilten sich, Crystal zu Hilfe zu kommen. Doch sie würden es nicht schaffen. Der erste Krötenmensch hatte die Bardin bereits erreicht. Er holte mit seiner Axt aus und schmetterte sie ihr entgegen. Lucthens Herz setzte einen Moment lang aus. Dawns Schrei gellte ihm in den Ohren.
„Crystal! Nein, bitte nicht!“
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