Y. null DERHANK

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Y - null DERHANK

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verloren hatten und ihm seltsam groß erschienen. Die Finger waren lang geworden, lang und knochig und die Zwischengelenke wie angeschwollen. Er hob die Linke vorsichtig an, betrachtete sie, krümmte sie. Wann hatte er das letzte Mal seine Finger angeschaut? Und wann das letzte Mal gekrümmt? Es tat weh, aber das Wehe war auch angenehm, wie die Entspannung nach einem Krampf.

      Das Motorenbrummen wurde lauter, ein dumpfer Schlag, als der Gang eingelegt wurde, dann wackelte der ganze Hänger. Yosy verlor das Gleichgewicht, rutschte nach vorne und drückte unwillkürlich seine Klauen in die Späne. Die Gurte verhinderten, dass er zu Boden fiel, aber seine Gelenke knackten, und es klang, als würden sie wie Teile eines Steckpuzzles erst jetzt richtig einrasten. Als Yosy sich wieder gefangen hatte, hob er die flach gepresste Faust erneut vors Gesicht, drehte sie und betrachtete die Haare, die sich auf seinem Handrücken kräuselten. Das Öffnen der Finger war noch schwerer als das Schließen; erst durch Scharren und gleichzeitiges Drücken auf den Boden zog sich die Hand wieder in die Länge.

      Das anfängliche Ruckeln, Neigen, Bremsen und Beschleunigen ging bald in ein gleichmäßiges Brummen über. Fahrtwind strich von oben über Yosys Kopf und verfing sich in seinen verfilzten Locken. Ach Mutter, dachte er, ich bin seit Monaten nicht beim Friseur gewesen.

      Nach einer Weile schmerzten seine Knie, auf denen sein ganzes Gewicht lag. Yosy sah prüfend an sich hinunter, wollte feststellen, wie viel Spiel seine Beine noch hatten. Stämmig, muskulös, sehnig und drall waren die Oberschenkel geworden, verschwitzt glänzten sie unter drahtigen Haaren wie reife Keulen. Wie graue Keulen. War es das schwache Licht oder war etwas mit seinen Augen? Sein Körper war so grau wie alles.

      Yosy verlagerte sein Gewicht nach vorne, stützte sich auf die flachen Riesenhände und zog das rechte Knie an, bis er dahinter seine Zehen erkennen konnte. Die schleppten sich krümmend und spreizend durch die Späne als wären es eingespannte Riesenmaden, die den restlichen Fuß wie einen urzeitlichen Karren hinter sich herzogen. Schließlich hockte Yosy erst rechts und dann auch links auf seinen Ballen, die Fersen hinten hochgezogen.

      Er fragte sich, seit wann er so gewaltige Füße hatte. Sprungfüße, mit einem lang gebogenen Spann und haarig. So haarig, wie überhaupt sein ganzer Körper viel behaarter war, als er in Erinnerung hatte. Dabei waren Yosy schon seit einiger Zeit Veränderungen an sich aufgefallen. Und er hatte gewusst, dass die Kindheit zu Ende gehen würde, seine Eltern hatten ihn immer wieder darauf hingewiesen. Aber dass dieses Ende so abrupt sein würde, damit hätte er nie gerechnet. Und dass man ihn dann holen würde, davon war nie die Rede gewesen. Und wenn doch, dann nur zum Spaß, oder als erzieherische Drohung, »du kommst ins Heim!«, oder etwas in der Art, wenn er abends zu lange ausgeblieben war.

      Bis heute hatte er immer gedacht, ein durchschnittlicher Junge in einer durchschnittlichen Familie zu sein, die in einer durchschnittlichen Kleinstadt lebte. Einer Stadt im Ruhrgebiet, mit Fußgängerzone, Schlackeberg und Zeche, in der sein Vater arbeitete. Sie bewohnten ein dunkelrotes Reihenhäuschen in einer dunkelroten Reihenhäuschensiedlung neben einem hohen Deich; und dahinter ein müder, schmutziger Bach oder Fluss, den man 'Emscher' nannte, und der immerzu wie altes Obst roch. Yosys Schule war ein riesiger, aber nicht ungewöhnlicher Waschbetonkomplex, nicht anders als andere Schulen, mit farbigen Fensterrahmen und einer Mensa, in der es Hühnerfrikassee und Dampfnudeln gab.

      Nie war einer seiner Klassenkameraden abgeholt worden.

      Doch als er genauer darüber nachdachte, musste er sich eingestehen, dass SEINE Kindheit durchaus anders verlaufen war. Anders als die der Anderen. DIE hatte er nämlich gemieden, selbst auf dem Spielplatz, wo er immer in sicherer Entfernung geblieben war. Er war immer randständig gewesen, ohne sogenannte »Freundschaften« oder das, was sein Politiklehrer »soziale Kontakte« nannte. Aber wie die anderen war er jeden Morgen im Unterricht erschienen, und jeden Abend am Esstisch; er hatte in seinem Jugendbett geschlafen oder die Eltern nachts vor dem Fernseher beobachtet.

      Es wurde heiß. Durch die Fensterluke kam eine drückende, feuchte Luft, die ihn müde und benommen machte. Als der Wagen anhielt, fiel er nach vorne und hätte sich fast mit dem Hals im Strick verfangen. Die Heckklappe wurde entriegelt und Yosy, der Mühe hatte, nach hinten zu schauen, roch plötzlich rohes Fleisch. Ein nasser Klumpen streifte seinen Schenkel und plumpste in den Staub. Dann zwickte etwas seinen Hintern und zwang ihn, den Kopf zu drehen - gerade so, dass er mit dem linken Auge die Silhouette eines der Männer erkennen konnte. Der eklige, zugleich aber auch seltsam aufregende Geruch drang tief in Yosys Nase. Er spürte den Hunger, den flauen Magen und die allgemeine Schwäche in den Knochen. Den ganzen Tag hatte er noch nichts gegessen, nur zum Frühstück bei den Eltern ein paar Haferflocken in Milch. Der Mann schob den feuchten Klumpen mit dem Bambusstab weiter in seine Richtung und schnalzte mit der Zunge, so, als müsste er Yosy noch ermuntern. Dabei war das nicht nötig, Yosy hätte sich gerne das Stück geschnappt, er war ganz gierig danach. Aber der Strick und die Enge und seine ganze Haltung hinderten ihn daran. Das ließ ihn resignieren, er wollte am liebsten aufgeben, aber der Duft machte seinen trockenen Mund ganz schaumig. Seine schrecklich lange Nase, deren stumpfes Ende er mit beiden Augen sehen konnte, hatte die Nüstern aufgeblasen und schnaubte so sehr, dass Staub aufwirbelte. Diese ihm noch völlig fremde Veränderung betraf im Übrigen nicht nur die Nase. Auch seine Lippen schienen ein ganzes Stück vorgeschoben zu sein. Tatsächlich war sein Gesicht so lang geworden, dass er damit, wenn er den Kopf nur weit genug nach hinten streckte, das Fleisch berühren konnte. Yosy streckte sich also, bis ihm der Strick in den Hals schnitt, und presste seinen Mund in die kühle, weiche Masse. Er drückte sie nieder und zog dann den Kopf sachte zurück, schleifte so das staubige Stück wie einen nassen Lappen durch die Späne. Er musste mehrmals nachhaken, bis er seine vordersten Zähne - winzige, nadelspitze Zähnchen - hineinbohren und den ganzen Klumpen mit einem Ruck heranziehen konnte. Das genügte dem Mann. Er schlug die Klappe wieder hoch und gleich darauf hörte Yosy das schon vertraute Motorbrummen. Diesmal vermochte er sich wesentlich sicherer gegen das Wackeln beim Anfahren zu stemmen.

      Das Fleisch, es handelte sich um ein Rippenstück, war längst nicht so frisch, wie er es sich erhofft hatte. Aus der Nähe roch es nach einsetzender Verwesung, und am Fettrand hingen kleine, weiße Maden. Die Enttäuschung wurde größer, als Yosy feststellen musste, dass seine Schnauze kaum in der Lage war, mundgerechte Portionen abzubeißen. Diese wulstigen Lippen waren immer im Weg, und was waren das nur für Zähne?

      Die mürbe Konsistenz seiner Mahlzeit machte es immerhin möglich, durch Festbeißen und Hin-und-Her-Schleudern kleine Fetzen herauszureißen. Der erste Bissen war dennoch zu groß, Yosy würgte und kam nicht dazu, auf den Geschmack zu achten. Erst als die ungekaute Masse die Speiseröhre hinunterglitt, empfand er so etwa wie Wohlbehagen. Damit der Rest nicht durch das Geschleuder verloren ging, klemmte ihn Yosy zwischen seine Vorderpfoten. Als er das zweite Mal zubiss, fühlte er die auf dem Fleisch klebenden, trockenen Späne in seinem Speichelschaum. Und er schmeckte das Faulige heraus, was aber nicht so schlimm war, wie befürchtet. Im Gegenteil, gerade DAS war ein - allerdings schauerlicher - Genuss. Sollte er zum Aasfresser geworden sein? Nicht aus Widerwillen, sondern vielmehr wegen dieser ungeheuerlichen Vorstellung beendete er die Mahlzeit nach wenigen Bissen. Den Rest schleuderte er mit einer scharrenden Bewegung der Pfoten nach hinten.

      Yosy döste ein, wurde aber jedes Mal wieder wach, wenn sich sein langsam wund scheuernder Hals im Strick verfing. Der pelzige Nachgeschmack machte ihn durstig, und der zunehmende Verwesungsgeruch des Knochens quälte ihn. Ihm wurde schlecht. Er streckte seine Schnauze so gut es ging nach oben; hin zu der Fensterluke, durch die ein heißer, aber wenigstens nicht übel riechender Wind hereinblies. Es gelang ihm, trotz Gurten und Strick, sich so zu dehnen, dass die Spitze seiner Nase die untere Kante der Öffnung berührte. Mit weiteren Anstrengungen schoben sich die Nasenlöcher darüber hinaus, sodass er dem Gestank schließlich entkam. Diese Haltung war schmerzhaft. Seine Hände konnten sich nur auf die Fingerkuppen stützen, sein Rückgrat verspannte und das Fensterblech drückte sich in die Haut zwischen Oberlippe und Nasenansatz. Yosy streckte sich noch mehr, strapazierte Finger und Nacken, bis sich sein Mund ebenfalls aus dem Fenster schob. Dabei zogen sich aber seine Lippen

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