Stumme Gier. Günther Tabery

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      „Ich habe mit meinem Kollegen Peters am Telefon ein interessantes Gespräch geführt und er hat mir angeraten, mit Ihnen zusammen zu arbeiten. Er sagte, dass Sie über eine kriminalistische Intelligenz verfügen und die Indizien richtig kombinieren können.“

      Martin wurde rot. Er war geschmeichelt über das Lob des Kommissars.

      „Nun gut. Die Theorie, dass Sie den Mord verübt haben könnten, habe ich nach dem Gespräch mit Peters, der mir versicherte, dass Sie absolut integer sind, bei Seite gelegt. Ich bin bereit, mit Ihnen zusammen zu arbeiten, wenn Sie eine Idee oder einen Ansatzpunkt haben. Vielleicht ist es nicht schlecht, wenn Sie als eine Art unauffälliger Detektiv agieren. Seien wir also offen und berichten wir, was wir bisher herausgefunden haben.“

      Martin dachte an die Annonce. Das war der einzige Hinweis, den er hatte, aber leider hatte sich dieser Weg zerschlagen und es gab keine Möglichkeit mehr für ihn, mit der Familie Kontakt aufzunehmen. „Ich habe Ihnen nicht die ganze Wahrheit erzählt“, begann er. „Ich habe bei dem Toten einen Zeitungsauschnitt gefunden, den ich Ihnen unterschlagen habe.“

      Franks Augenbrauen hoben sich und seine wachen Augen blitzen.

      „Sehen Sie“, er holte den Ausschnitt aus einer Schublade seines Schreibtisches, „hier ist er. Darauf ist eine Verlobungsannonce markiert.“

      Frank musterte den Ausschnitt und las die Anzeige. „Und was haben Sie bis jetzt unternommen?“

      „Ich habe Kontakt aufgenommen zu der Familie und habe meine Dienste als Fotograf angeboten.“

      „Sehr gut.“

      „Aber leider wurde ich abgelehnt und ich sehe jetzt keine Möglichkeit mehr, an die Familie heran zu kommen.“

      „Ich verstehe.“

      „Man weiß natürlich nicht, ob überhaupt jemand aus dieser Familie verantwortlich ist für den Mord oder ob es nur reiner Zufall war. Vielleicht hatte der Tote die Annonce aus einem ganz anderen Grund in seiner Hosentasche stecken. Vielleicht wollte er auch nur an der Feier teilnehmen. Wir wissen ja nicht, wer der Tote war.“

      „Ja, das scheint mir nur eine vage Spur zu sein. Eventuell werden wir dort auch noch einmal nachhaken. Später, wenn wir nichts anderes Greifbares in der Hand haben.“

      „Haben Sie denn eine Spur?“, wollte Martin wissen.

      „Wir haben den Toten identifiziert.“ Er holte sein Notizbuch heraus und las: „Er heißt Daniel Hellter und wurde 1971 in Karlsruhe geboren. Er war nach der Schule häufig in Neuseeland, machte dort `Work and Travel´. Später absolvierte er eine Ausbildung zum Schreiner und arbeitete seitdem in einem kleinen Familienbetrieb in Karlsruhe-Daxlanden. Er ist ledig und hat keine Kinder. Es gibt keinen Eintrag im Polizeiregister. Er lebte vollkommen unauffällig. Wir sind gerade dabei, sein Umfeld zu überprüfen, Freunde, Verwandte und so weiter. Die Kollegen arbeiten fieberhaft daran, die letzten Stunden seines Lebens zu rekonstruieren.“

      „Ist er vergiftet worden?“

      „Ja. Er starb an einer Taxin-Vergiftung. Das Taxin stammt von der hochgiftigen Eibe, die eine häufige Zierpflanze in deutschen Gärten ist. Jemand hat ihm eine tödliche Dosis zugeführt. Die Rinde wurde zerrieben in einem Stück Kuchen serviert. Es dauert eine gewisse Zeit, bis das Gift anschlägt. Das macht es so schwierig herauszufinden, wer ihm das Gift verabreicht hat.“

      „Ich verstehe. Darum ist es äußerst wichtig, zu wissen, was er die letzten Stunden gemacht hat.“

      „Richtig. Das ist unsere Spur, die wir verfolgen. Es könnte sein, dass der Täter bei Ihnen erscheint. Vielleicht möchte er sich vergewissern, dass Sie ihn nicht erkannt haben? Vielleicht war es Absicht, dass der Tote ausgerechnet bei Ihnen gestorben ist? Vielleicht war der Zufall in Wirklichkeit arrangiert?“

      „Ich werde die Augen offen halten und Ihnen Bericht erstatten, sobald mir etwas Ungewöhnliches auffällt.“

      „Genau darum wollte ich Sie bitten. Bleiben wir also in Kontakt. Wenn wir etwas herausgefunden haben, werden wir uns wieder treffen und gemeinsam beraten.“

      Kommissar Frank erhob sich. „Es gibt einiges zu tun. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.“

      Martin begleitete den Kommissar zur Tür. Nachdem dieser gegangen war, atmete er tief durch. Nun war er wieder mitten in einen Mordfall verwickelt und dieses Mal sogar in offizieller Funktion.

      In dieser Nacht schlief Martin unruhig. Zu viele Gedanken gingen ihm im Kopf herum. Morgen wollte er wieder ins Studio gehen und die Augen offen halten. Vielleicht hatte er ja etwas übersehen. Und dann, spät in der Nacht, kamen ihm wieder diese blauen Augen in den Sinn. Die Augen, denen er nicht widerstehen konnte. Würde er sie je wieder sehen?

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