Die Recherche. Werner Siegert
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Werner Siegert
Die Recherche
Ein Frauenschicksal
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Inhaltsverzeichnis
Die Recherche
Wieso? Wieso? Wieso? Bettina musste sich erst einmal setzen, musste sich erst einmal in einem Bistro am Marienplatz einen Kaffee bestellen. Und einen Cognac dazu!
Ja, sie trug im Sommer ihre Haare gern kurz. Wegen des Schwimmens. Sie trocknen dann schneller. Auch wenn man verschwitzt ist, fällt einem das Haarewaschen leichter. Aber wegen einer Kurzhaarfrisur war sie doch nicht gleich lesbisch!
Wieso? Wieso hat der Chefredakteur sie so hämisch angeschaut? Und wieso hat er ihr dann – mit diesem dämlichen Grinsen – angetragen, sie könne doch mal eine tolle Reportage machen über die Lesbenkultur in der Stadt? Eine Dreiviertelseite hätte er dafür frei! Und wieso hat sie ihm eigentlich nicht ins Gesicht gesagt, dass sie mit Lesbischsein nichts am Hut hat? Nur weil eine Dreiviertelseite endlich wieder die Ebbe in ihrem Geldbeutel beseitigen würde?
Sie – und lesbisch! Ausgerechnet! Na ja, mit ihren 32 Jahren, ohne Mann, Kurzhaarfrisur, Kostümjacke, emanzipiert, da entsteht halt so ein Verdacht. Da rutscht man leicht in so eine Schublade. Lesbisch! Aufgewühlt im tiefsten Inneren begann sie doch tatsächlich, mal an den Fingern einer Hand die Namen der Männer aufzuzählen, mit denen sie Affären und mehr als das durchlebt hatte. Siehe da, die Finger einer Hand reichten nicht. Sollte sie flüchtige Abenteuer mitzählen? Nur mal so eine Nacht? Und erstes Petting als Backfisch? Von lesbisch keine Spur! Allerdings – von Männern hatte sie jetzt die Nase voll. Das mit Michael hatte ihr gereicht. Endgültig. Nie wieder! Nie wieder Sex?
Lesbisch – was ist das überhaupt? Ist gegenseitiges Eincremen mit Sonnenschutz schon lesbisch? Wenn man Vergnügen daran findet? Und früher, die Doktorspiele unter Freundinnen? Wenn man Vergnügen daran gefunden hat? Dann wäre ja wohl jede Frau lesbisch. Sind neidvolle Blicke auf schlanke Taillen und üppige Dekolletés flanierender Frauen schon erste Anzeichen? Und aufkeimende Wut über Macho-Allüren?
Und nun sollte sie in der Lesbenszene recherchieren! Für eine Dreiviertelseite, möglichst mit Fotos! Wo wabert denn die Lesbenszene in dieser katholischen Stadt? Wo und wie anfangen? Wo ist der Zipfel, an dem sie die Decke über dieser Community – wie man heute zu sagen pflegt – anlupfen könnte? Sie würde im Internet „Lesben München“ anklicken. Google weiß schließlich alles.
In diesem Augenblick steuerte eine Frau auf ihren Tisch zu.
Ob sie Platz nehmen dürfe. Bettina war noch zu sehr in ihrer Wut und Selbstbetrachtung versunken, als dass sie ihre Tischnachbarin näher gemustert hätte. Warum auch. Jetzt erst recht nicht. Oder?
„Hast du mal Feuer?“
Jetzt erst hob Bettina den Kopf. „Du“? „Feuer“? Ihre Augen fixierten ein rosiges, vitales Gesicht unter üppigen blonden Locken. Volle Lippen, feuerrot geschminkt. Offenherzige Rüschenbluse, unter der sich ein spitzengesäumter BH abzeichnete. Tragetasche von Bogner. Handtasche von Cartier.
„Leider .... ich rauche nicht!“
Der Blondschopf schmunzelte.
„Ärger gehabt?“
„Wie man’s nimmt?“
„Na ja, die Männer, die kannst du doch alle abhaken. Nichts wie Zoff und Arroganz!“
Bettina versuchte, einem Gespräch aus dem Wege zu gehen. Die Kellnerin kam, konnte das gewünschte Feuer spenden und die Bestellung aufnehmen. Warum eigentlich hatte sich die Blonde nicht an einen anderen Tisch gesetzt? Es waren doch noch einige frei? Und wieso zog sie gleich so über die Männer her? Mit ihrer attraktiven Figur brauchte sie sich doch wirklich nicht zu verstecken. So ein draller, braungebrannter Busen – was für ein Blickfang für junge Burschen! Aber hoppla, Bettina, was geht da in dir vor? War da was mit lesbisch oder nicht? Und warum hat sich dieses Prachtweib ausgerechnet zu dir gesetzt? Sollte nicht nur ihr Chef, sollten auch andere Signale empfangen, die sie eigentlich gar nicht senden will? Kurzhaarfrisur, Nadelstreifen, Financial Times, Aktenkoffer, getönte Brille?
Jetzt auf kühl und sachlich machen und jedes Gespräch verweigern, würde sie dann nicht sogar „den Mann geben“?
Die Blonde setzte sich entspannt zurück und sog an ihrer Zigarette. Sie schien mit sich und der Welt zufrieden – bis auf die Männer! Die beiden Frauen musterten sich. Bettina hatte nicht soviel in der Bluse. In ihrer hellblauen Business-Hemdbluse. Ziemlich hoch geknöpft. Wie zufällig