Der Köder. Georg Sonnleitner

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Der Köder - Georg Sonnleitner

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ärgsten Feind. »Ich bin bereit!«, schrie er. »Komm nur her! Ich werde dich töten, ganz alleine!« Balus wütendes Gebrüll machte dem kleinen Kater mächtig Angst. Claire brachte das zitternde Bündel weg.

      Am nächsten Morgen regnete es noch immer. Schwarze Wolken jagten über den Himmel. Moritz kroch aus dem Stroh. Seine Mutter wollte mit ihm Mäuse jagen. Doch Moritz dachte nur an den Wolf. »Und wenn er herkommt?«

      »Das ist wohl sehr unwahrscheinlich. Wir bleiben einfach hier drin, bis die Gefahr vorbei ist. Zum Glück ist das Wetter so schlecht.«

      »Glaubst du, Balu wird ihn schnappen? Und was macht er dann mit dem Wolf?«

      »Er allein kann nicht viel machen. Aber der Bauer, mit seinem Gewehr ...«

      »Wird er den Wolf erschießen?«

      »Vielleicht.«

      Balu kam angerannt von der Weide, ganz außer Atem und aufgebracht – »Eine Tragödie!«, hörte Moritz ihn schon von weitem rufen. »Der Wolf, er ist in der Nacht am Hühnerstall gewesen, und er hat eine Henne geholt. Er hat sich das Getöse des Sturms zunutze gemacht!«

      Nun rasteten die Schafe vollends aus, und die Hühner flatterten herum, sie schienen knapp vor einem Nervenzusammenbruch. »Wir sind nirgends sicher, nicht mal hier im Stall!« – »So tu doch was, Balu! Du bist unsere einzige Hoffnung!«

      »Dieser Bastard wird nicht mehr lange sein Unwesen treiben, das verspreche ich euch. Ich werde ihn finden, und ich werde ihn in Stücke reißen. Bleibt zusammen, ich gehe ihn suchen.« Und der Hund machte sich durch den strömenden Regen davon.

      »Ohne ihn wären wir diesem Biest schutzlos ausgeliefert«, sagte ein Schaf. »Claire, Moritz – kommt herein in den warmen Stall. Hier wird uns der Wolf nicht finden.«

      »Ihr dürft jetzt nicht den Kopf verlieren«, sagte Claire.

      »Hast du nicht gehört? Er hat schon eine Henne geholt. Es ist nur eine Frage der Zeit!« – die Schafe blökten durcheinander.

      »Nur Mut. Bleibt schön zusammen.«

      »Damit uns der Wolf alle auf einmal frisst?«

      »Nein, ich wollte doch nur ...«

      »Du hast leicht reden, Claire. Du bist ja nicht hier eingesperrt. Du kannst dich aufs Dach retten, wenn er kommt.«

      »Balu wird ihn schon verjagen«, sagte Claire, um ihre Freunde aufzumuntern.

      »Ja, Balu wird ihn verjagen!«, stimmten viele mit ein. Ein kurzes Stimmungshoch wurde abgelöst von panischer Verzweiflung. Claire und Moritz schlichen sich davon und kletterten über die alte Holzleiter auf den Heuboden. Die weiße Katze saß auf den groben Dielen und sah hinaus durch die offene Dachlucke in den Regen, der in Fäden vom Himmel goss.

      Moritz: »Glaubst du, dass Balu den Wolf erwischt?«

      »Schon möglich.«

      »Hier oben kann uns der Wolf nicht erwischen, oder Mama?«

      »Bestimmt nicht.«

      Durch den Dunst sah Moritz die Bäume jenseits der Weide und den Wald. Er versuchte, sich den Wolf vorzustellen, mit seinen langen Klauen, roten Augen, ein riesiger Hund, sogar noch größer als Balu. Er wandte den Blick ab vom regnerischen Tag, wollte seine finsteren Gedanken abschütteln.

      »Bleib du hier«, sagte seine Mutter. »Ich gehe jagen. Bin gleich wieder da.«

      Moritz legte sich ins Heu und fiel in einen tiefen Schlaf.

      Als der kleine Kater aufwachte, war er ganz allein. »Mama?«, rief er und schoss herum. »Mama, wo bist du?«

      Claire kam hinter einem verstaubten Leiterwagen hervor. Im Maul trug sie eine tote Maus. Moritz war am Verhungern. Es regnete nicht mehr, und der Himmel klarte auf.

      »Ist Balu schon zurück aus dem Wald?«

      Claire verneinte – »Ich habe gesehen, wie der Bauer hinterher ist. Sie werden den Wolf schon finden.«

      Moritz war frohen Mutes, seine Angst war verflogen. Gern wäre er jetzt rausgegangen auf die Wiese, jetzt da es nicht mehr regnete.

      »Das ist viel zu gefährlich«, sagte seine Mutter. »Nein, wir bleiben hier drin.«

      Durch die Dachluke sah Moritz hinunter. Die Weide lag friedlich und leer da und erstrahlte in saftigem Grün. »Aber wenn wir kurz rausgehen, bis zum ersten Baum ...«

      »Nein, Moritz. Wer weiß, wo sich der Wolf herumtreibt? Er ist sehr gerissen.« Die grünen Wiesen lockten den kleinen Kater sehr. Doch sah er doch ein, dass seine Mutter recht hatte. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass der Wolf bis an den Stall herankam, er konnte keine Spur von ihm entdecken. »Wir warten ab, bis alles vorbei ist«, sagte sie. Das Abendrot war gesprenkelt von grauen Wolkenfetzen. Moritz und Claire waren im Stall bei den Schafen. Die Herde hatte sich beruhigt, und doch herrschte eine gewisse Anspannung. Alle warteten gespannt auf die Rückkehr von Balu, und sie hofften auf Entwarnung. »Sie werden ihn kriegen, ganz bestimmt«, sagte eines der Schafe. »Ihr werdet sehen.«

      »Balu ist stark. Verlasst euch auf ihn, Freunde!«

      Moritz: »Und wenn der Wolf noch stärker ist?«

      »Ausgeschlossen. Keiner ist stärker als unser Balu.«

      Das beruhigte Moritz. Solange, bis er die Besorgnis im Gesicht seiner Mutter sah. In der Dämmerung kam Balu zurück. Wild fluchend stürmte der Jagdhund in seine Hütte.

      »Was ist mit ihm?«, fragte Moritz.

      »Sieht nicht so aus, als ob er Erfolg hatte«, sagte Claire.

      Die Schafe erfuhren von Balus Rückkehr, und sie waren ganz aufgeregt und glaubten daran, dass Balu den Wolf vertrieben hat. »Frag ihn doch, hol ihn her!«, sagten sie zu Claire. »Er soll uns davon berichten, wie er das böse Untier besiegt hat!«

      »Es sieht Balu nicht ähnlich, es für sich zu behalten, wenn er siegreich war«, sagte die weise Katze.

      »Was meinst du?«

      Claire: »Ich glaube nicht, dass ...«

      »Frag ihn doch!« – »Ja, wir wollen es genau wissen!«

      Claire starrte Balus Zwinger an. Moritz hockte neben ihr. Sie hörten das Rasseln seiner Kette. Stumme Blitze zerissen das Schwarz der Nacht und ein leises Grollen zog übers Land. Der Hund hetzte auf und ab, bellte und knurrte wutentbrannt. »Verdammtes Biest. Ich werde dich töten, und wenn es das letzte ist was ich tue!«

      Claire trat aus dem Schatten. Als sie und Moritz aus den Stallungen kamen, spürten sie die ersten Regentropfen auf ihrem Fell. »Es dauert nicht lange«, sagte Claire zu dem Kleinen. Doch Moritz empfand den Regen nicht als unangenehm. Er war froh darüber, endlich einmal ins Freie zu kommen.

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