Bei lebendigem Leibe. Norbert Johannes Prenner
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Es gab aber nebenher auch sogenannte "scherzi musicali", kleine kurze Musikstücke über Wein, Vorgänger der heutigen Sauflieder, aber immer alles huldigend und odenartig musikalisch dargestellt. Karl und Peter hingegen priesen Gott jedenfalls auf ihre eigene Art und Weise. Nach dem ausgiebigen Abendessen verabschiedeten sie sich und begaben sich in eine der zahllosen Spielhallen, oder Spielhöllen, wie Eva sie nannte, um hier die Tageslosung auf lasterhaft elegante Art bei Spiel und Brandy wieder los zu werden. Und schließlich hatte man morgen ja wieder ein Konzert, das was einbrachte. Als sie schließlich spätnachts leicht angeheitert ins Hotel zurückkehrten, sangen sie lauthals „Innsbruuuck ich muuss dich laaassen – ich faaahr dahin mein Straaaßen – in fremde Land dahin – mein Schnaps ist mitgekooommen – ich bin schon ganz benooommen – wo ich im Elend bin“, umarmten sich und lachten lauthals dazu.
Am nächsten Tag ging es per Bahn nach Valladolid. Im Abteil freundete ich mich mit Fritz der Posaune näher an. Wir entdeckten dieselben Interessen an uns, die Berge. Fritz war natürlich um etliche Jahre älter und schon viel in der Welt herumgekommen, nicht nur mit dem Orchester. Seine letzte Bergtour führte ihn und seine Gattin auf den Kilimandscharo. Ich war weg! Mein Gott, das wollte ich auch alles machen, wenn ich… und so, na ja, später einmal, dachte ich dann. Karl hielt derweil im Nebenabteil mit seinen Jüngern Peter und Willi Hof. Es ging um den Flötenständer, den wir im Gepäck mit uns führten, und der aus vier hölzernen Stangen auf einer Bodenplatte bestand, die ich stets neben mir auf der Bühne stehen hatte, um die Flöten, die darauf steckten, gleich griffbereit zu haben, denn oft verlangte ein Stück zwei verschiedene Instrumente. Das war ganz praktisch mit diesem Ständer, die Flöten ruhten auf unterschiedlich langen Holzstäben und konnten somit leicht heruntergenommen werden, wenn man sie brauchte.
Karl fantasierte indessen darüber, dass Franz seine Eva zu Hause wohl heimlich da drauf setzen mochte. Und Eva würde in höchsten Tönen quietschen, malte er sich aus, hach, Franz, und jetzt auf die Längste da und er ahmte ihr Seufzen nach und dann, nachdem sie von dort abgestiegen wäre, machte Karl mit Finger und Mund ein Ploppgeräusch, so würde es sich anhören, wenn sie die Stäbe wechselte. Peter und Willi brüllten vor Lachen. Franz und Eva steckten ihre Köpfe zur Abteiltür herein und fragten, ob sie etwas versäumt hätten? Sicherlich, bestätigte Karl grinsend und schlug sich dabei auf die Schenkel. Der Professor schüttelte den Kopf, Eva aber zog sich mit rotem Kopf in ihr Abteil zurück und schien, als ahnte sie was. Die anderen lachten hinter der geschlossenen Schiebetür und hielten sich die Bäuche, während Tränen ihre Wangen hinunterkullerten.
Durch seine Höhenlage auf 665 Meter über dem Meeresspiegel und das kontinentale Klima sind die Sommer in Valladolid heißer und trockener, die Winter jedoch deutlich kälter als etwa in den Städten am Mittelmeer. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 12 Grad Celsius. Im Januar beträgt die Monatsdurchschnittstemperatur vier Grad Celsius, der kälteste Monat, aber der Februar hier war auch nicht ohne. Gottlob hatte ich eine warme Jacke mit. Am 20. Mai 1506 starb hier Christoph Kolumbus. Aha! Trotz der grandiosen Vergangenheit dieser interessanten Stadt sind nur wenige historische Bauwerke erhalten, darunter die unvollendete Kathedrale Nuestra Señora de la Asunción. Nach einem wie üblich üppigen Abend-essen, ich nahm diesmal Steak vom Stier, machte ich mit Fritz der Posaune noch eine Abendrunde durch die Altstadt.
Das fiel langsam auf, denn Evalein machte ein Faltenmündchen als wir vom Tisch aufstanden und uns verabschiedeten. Willi, Peter und Karl waren gleichfalls aufgebrochen, zum allabendlichen Spiele in einer der Lasterhöhlen. Franz und Evalein wurden wortkarg von Ernst in ihrer Zweisamkeit unterstützt. Franz durfte auch an diesem Abend keine Zigarette rauchen, obwohl alles so entzückend war in diesem Restaurant. Offiziell, versteht sich, durfte er nicht. Als wir nach Hause kamen, trafen wir den Professor - im Lift, rauchend. Keiner wusste, wie oft er damit schon auf- und abgefahren war. Aber er war guter Dinge. Mich sah er etwas kritischer an als sonst, oder bildete ich mir das ein? Fritz und ich mussten diesen und den nächsten Abend ein Zimmer miteinander teilen. Aber das war ok, obwohl, wie ich die erste Nacht feststellen musste, Fritz die ganze Nacht zumindest wie ein Wildschwein schnarchte.
Am nächsten Abend spielten wir in einer Art Kinosaal vor mindestens vierhundert Zuhörern, die allesamt sehr begeistert waren und lang und heftig applaudierten. Danach, Abendessen. Steak. Weil es eben so billig war hier. Zu Hause hätte das ein Vermögen gekostet. Fritz und ich machten einen Verdauungsspaziergang und zogen uns dann auf unser Zimmer zurück. Am nächsten Morgen hieß es wieder einmal Koffer packen. Und wieder eine Bahnreise. Diesmal nach León, und am Abend würde Stefan Svancera zu uns stoßen und seine Arien schmettern. Also kleine Programmänderung. León, das ist eine Stadt in der Autonomen Gemeinschaft Kastilien und León ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und – war die Hauptstadt der Königreiches León, einer der wichtigsten „Vorläufer“ Spaniens. Aber das war schon lange her. Bekannt ist es für seine gotische Kathedrale und andere Gebäude wie die Basilika San Isidor, in der wir an diesem Abend spielen würden. Überdies war León eine alte Station auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela.
Aber da wollten wir diesmal ja nicht hin. Auffallend war, dass Evalein mir bei den Proben nicht in die Augen sah, obwohl ich sie ständig fixierte, wie´s ausgemacht war. Irgendwie ahnte ich etwas. Außerdem hackte sie ständig auf Fritz herum, dass er diesmal das Hotel nicht nach ihrem Geschmack ausgesucht hätte und warum man nicht da und dort noch hingefahren wäre und überhaupt. Das drückte auf die allgemeine Stimmung. Wie auch immer. Stefan ließ trotz allem an diesem Abend sein eindrucks-volles Organ für alle überzeugend erklingen und wir bliesen und strichen ohne Unterlass, was die Instrumente hergaben. Das Publikum jubelte. Franz verteilte die Gagen hinterher. Das Abendessen verlief zwischen Franz, Evalein und uns anderen bis auf Stefan und Ernst eher kühl. Letztere scharwenzelten eifrig um den Professor und seine Gattin herum, sodass es nicht besonders auffiel, als sich die beiden übrigen Truppenteile wie gewohnt unauffällig zu entfernen anschickten. Abendspaziergang und Spielhalle war angesagt, wie gehabt.
Fritz und ich ließen uns in einer kleinen Bar nieder, in der einige Gäste um einen winzigen Fernseher herumsaßen, über den man soeben life einen Stierkampf miterleben konnte und nahmen noch etwas Schinken und Rotwein zu uns. Hier war die Stimmung besser als vorhin bei uns. Olé brüllten die Leute im Lokal jedes Mal, wenn der Matador mit seinem roten Tuch vor den Augen des armen Tieres herumfuchtelte, und wenn der Lärm verebbte, erzählte Fritz von seinen Orchesterreisen nach Japan und Amerika und wie wundervoll das alles gewesen war. Ich beneidete ihn und ärgerte mich darüber, nichts Ordentliches gelernt zu haben. Wenigstens Klarinette oder so. Aber für einen wie mich, der gar nicht Musiker sein und werden wollte, war das alles recht witzig.
Die kommenden Tage verbrachten wir, inklusive den freien Tag in Salamanca, entweder im Zugabteil oder in eisigkalten Kirchen, teils mit Proben teils konzertierend, bis man schließlich Bilbao, das vorläufige Endziel der Tournee, erreicht hatte. Die Bank von Bilbao hatte dieses letzte Konzert finanziert und Fritz hatte das eingefädelt, und wir waren hervorragend untergebracht. Mein Verhältnis zu Franz und Eva bröckelte mit jedem Abend mehr, den ich mit Fritz verbrachte. Aber es war mir irgendwie egal, denn schließlich hingen Willi, Karl und Peter ja auch nicht andauernd am Rockzipfel Evaleins. Schließlich bestiegen wir wieder einmal das Flugzeug und jetteten die stürmische Atlantikküste entlang Richtung Paris. Von oben konnte man die weißen Schaumkronen der Gischt auf den wahrscheinlich hohen und dunkelblau scheinenden Wellen gut erkennen.
Der erste Abend bescherte uns ein Willkommensdiner beim Botschafter, der uns in seiner Residenz an einer riesigen übervoll gedeckten Tafel herzlich willkommen hieß. Da gab es allerlei zu sehen: Terrinen mit Soßen