STURM ÜBER THEDRA. Michael Stuhr
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Читать онлайн книгу STURM ÜBER THEDRA - Michael Stuhr страница 21
Das Fremdenrecht war hart in jener Zeit in Thedra.
Gerit ging als erster durch das Tor des Fremdenhauses, aus dem der kleinen Gruppe ein Geruch von feuchtem Stroh entgegenschlug.
"Unsere Reise fängt gut an", bemerkte Tana mit einem Blick auf den verschmutzten Steinboden.
"Wieso?" Gerit fand den Zustand der Höhle offenbar ganz normal.
Teri schaute sich interessiert um. Schon immer hatte sie es sich gewünscht, einmal hier schlafen zu dürfen. - Aber das kam für Thedraner natürlich überhaupt nicht in Frage. Jetzt waren Tana und Gerit durch ihre Lossagung zu Fremden geworden, was Teri endlich Gelegenheit zu der lange ersehnten Übernachtung im Fremdenhaus gab.
Noch stand die Sonne ein gutes Stück über dem Horizont und von den derzeitigen Bewohnern war nichts zu sehen. Nur eine ältere, dunkelhäutige Kraanfrau kochte auf einem kleinen Feuer in der Mitte des Raumes ein seltsam riechendes Mahl. Um sie herum lagen einige herrenlose Bündel, deren Besitzer wohl in der Stadt waren.
Die Kraan waren auf dem ganzen Kontinent als Artisten und Spaßmacher bekannt, und Teri war bei all ihren Vorstellungen gewesen, aber die Alte am Feuer hatte sie noch nie gesehen.
Gerit grüßte die Alte und Tana suchte im Dämmerschein der Höhle die am wenigsten verschmutzte Ecke aus, um ihre Decken auszubreiten. Teri ging zu der Kraan hinüber und spähte neugierig in den großen Topf. Irgendwelches Grünzeug war mit einigen wenigen Fleisch- und Fischfetzen zu einem würzig duftenden Brei verrührt, der beim Kochen blubbernde Geräusche von sich gab.
Freundlich schaute die Frau Teri an und sagte einige Worte in einer fremden Sprache.
"Riecht gut!" Teri machte mit der Hand ein paar wedelnde Bewegungen zu ihrer Nase hin und ging dann lieber schnell weg. Die Alte gab einige glucksende Töne von sich, was wohl Lachen sein sollte. Teri drehte sich im Gehen um und grinste verlegen.
"Pass doch auf, wo du hinläufst!" Tana war nicht gerade bester Laune, und dass Teri gerade eben mit ihren Holzschuhen in das frisch eingerichtete `Schlafzimmer' getrampelt war, hob ihre Stimmung auch nicht sonderlich.
Schnell hopste Teri von der ausgebreiteten Decke herunter und schaute Tana entschuldigend an. Das Lachen der Kraan wurde lauter. Teri warf ihr einen bösen Blick zu.
"Sei vorsichtig", warnte Gerit. "Die Kraan können zaubern! Wenn du die Frau böse machst, hoppelst du vielleicht als Erdhörnchen hier heraus, und für einen Käfig haben wir keinen Platz auf dem Schiff."
"Och, die tut mir nichts", meinte Teri leichthin. "Die mag mich!"
Ein schwaches Husten ließ Teri aufmerksam werden. Das Geräusch war aus einer dunklen Ecke gekommen. Auch Gerit hatte es gehört. Er machte einige Schritte in die Richtung, als die Stimme der Alten am Feuer ihn aufhielt.
"Nicht gehe da hin!", rief sie Gerit an. "Mann krank! Ziegemann von Kaji ganz krank! Bald tot! Wenn du gehe zu Mann, du auch krank, du auch tot! - Komme zu Feuer mit Frau!" Aufgeregt winkte die Alte sie mit ausholenden Handbewegungen heran, und folgsam scharten die drei Neuankömmlinge sich um das Kochfeuer. Dort machte die dunkelhäutige Frau ihnen in ihrem seltsamen Idiom klar, dass auch die Kraan den Mann schon in der dunklen Ecke vorgefunden hatten. Er gehörte zu einer Gruppe von drei Ziegenhirten aus Kaji, einer Stadt, von der noch keiner der drei jemals etwas gehört hatte und war mit dem Schiff vor etwa dreißig Tagen hier angekommen.
Nachdem die Männer ihre Herde verkauft hatten, waren die ersten Anzeichen der Fenko-Krankheit bei dem Hirten aufgetaucht und der Kapitän ihres Schiffes hatte sich geweigert, ihn an Bord gehen zu lassen. Vor etwa zehn Tagen hatte das Schiff dann abgelegt, und mit ihm waren auch die Gefährten des Mannes verschwunden. Noch nicht einmal Zehrgeld hatten sie ihm dagelassen. Als die Kraan-Leute ankamen, hatte er schon tagelang nichts mehr gegessen und getrunken gehabt.
Die Kraan, weitgereist wie sie waren, hatten seine Krankheit erkannt und ihn mit dem Nötigsten versorgt.
Einer der Kraan hatte als Kind eben diese Krankheit selbst gehabt und überlebt, wenn auch nur knapp. Dieser Mann konnte dem Kranken Essen und Wasser bringen, ohne selbst angesteckt zu werden. Aber trotzdem hatte sich dessen Zustand seitdem eher verschlechtert. In zwei Tagen nun würden die Kraan mit der Abendflut zur Kaiserstadt aufbrechen, dann würde der Mann wohl bald sterben.
"Du nie schlafe unter Fenko-Baum mit Federblätter", hatte die Alte ihre Erzählung abgeschlossen. "Sonst du auch krank!" Dabei hatte sie Teri so ernst und mahnend angesehen, dass diese sich sofort vorgenommen hatte, niemals unter einem Fenko-Baum zu schlafen, wo immer diese Dinger auch stehen mochten.
"Ihr lauft mit der Abendflut zur Kaiserstadt aus?" Gerit übte sich schon mal ein wenig in der Seemannssprache. "Wie heißt euer Schiff?"
"Kao-lad - Seidenprinzessin“, antwortete die Frau.
"Dann werden wir zusammen reisen", stellte Gerit erfreut fest. Tana und er hatten ebenfalls mit dem Kapitän der `Kao-lad' eine Passage vereinbart. Dass der Name des plumpen Zweimasters `Seidenprinzessin' bedeutete, hatten sie allerdings nicht gewußt.
"Inzwischen war es draußen dunkel geworden und am Eingang wurden Stimmen laut. Herein kamen einige schwarzhäutige Menschen. Männer und Frauen grüßten freundlich in einer fremden Sprache und setzten sich ans Feuer.
"Ich muß uns ja auch noch etwas kochen", stellte Tana fest und wollte sich erheben.
"Du esse hier!" Mit einer Handbewegung gebot die Alte Tana sitzenzubleiben. "Alle esse hier! - Nur hole Löffel!"
Brav folgte Teri der Anweisung, die die Alte ihr gegeben hatte, ging zum Gepäck und kam mit drei Holzlöffeln zum Feuer zurück. Dabei sah sie sich die Gruppe, die in der Mitte des großen Raumes hockte, genauer an.
Schwarzhäutige Menschen waren in Thedra nicht gerade die Regel, aber auch nichts so Besonderes, dass ihnen jeder nachgestarrt hätte. Mit dieser Gruppe verhielt es sich allerdings anders. Die bunten Kleider und die seltsamen Geräte, die sie mit sich führten, lenkten sicherlich die Blicke aller Thedraner sofort auf sich. - Und so sollte es auch sein; denn immerhin leben Gaukler von Aufmerksamkeit.
Anführer der Kraan war ein kräftiger junger Mann in einem weiten Umhang. Schon bei der Vorstellung im Schneckenschiffhafen hatte er den anderen Artisten Anweisungen gegeben, und auch hier war er es, der am häufigsten von den anderen angesprochen wurde. Passend zu seinem Mantel trug er eine aus mehreren verschiedenfarbigen Stoffen zusammengenähte Mütze, die sein Haar vollständig aufnahm, während sich seine Gefährten mit erheblich kleineren Kappen begnügten. Direkt hinter ihm lagen ein, teilweise mit Kupferblech beschlagener, großer Holzreif und ein Seil.
Auch die anderen Mitglieder der Gruppe hatten ihre Handwerkszeuge hinter sich gelegt. Teri sah all die kurzen Leitern und kleinen Podeste, die langen und kurzen Holzstäbe, eine lange Peitsche mit kurzem Griff und noch vieles mehr, was die Kraan bei ihren Vorführungen benutzt hatten.
Besonders hatten es Teri die ellenlangen, starken Stäbe aus dunklem Holz angetan, die an beiden Enden mit kinderfaustgroßen Kupferkugeln versehen waren und mit denen die Artisten so herrlich jonglieren konnten. Fast noch interessanter fand sie die seltsam geformten Krummhölzer in den Gürteln der Frauen, die bei der Darbietung immer wieder in weitem Bogen zu ihren Werferinnen zurückgekehrt waren.
Schweigend