Europas Kreuz. Georg Alfons Schmucker
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Tausende von Kilometern weiter im Westen beschäftigte sich Major Natascha Netilowna tatsächlich gerade mit dem Président de la République française. Godart schritt mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf und ab, nachdem er Natascha auf ein Geheimdossier aufmerksam gemacht hatte, dass er absichtlich nachlässig auf seinen Schreibtisch geknallt hatte. Aber jetzt, in diesem Augenblick, hielt er in seinem Schritt inne und näherte sich ihr von hinten, in seinem großräumigen Arbeitszimmer im Élysée-Palast.
Natascha reckte ihm scheinbar unbekümmert ihr provozierendes Hinterteil entgegen. Sie gab vor, das Geheimdossier auf seinem Schreibtisch zu lesen. Aber sie wusste sehr wohl, dass Godart gerade mit unverhohlener Bewunderung ihren verlängerten Rücken studierte. Er hielt sich nur mit Mühe davor zurück, sie mit seinen fleischigen Wurstfingern in der Taille zu umfassen. Gut so! Man musste die Männer zuerst verrückt machen, bevor man sie langsam, Stück für Stück, in die Zuckerdose greifen ließ. Wenn man sich allzu schnell ergab, wenn man eine zu leichte Beute war, verloren sie rasch das Interesse. In diesem Augenblick spürte sie, dass Godart tatsächlich die Finger nach ihr ausstreckte. Aha, der Fisch hatte angebissen
Unvermittelt wandte sie sich um und zeigte Godart, dem drittmächtigsten Mann Europas, ihr Gesicht, mit den lüsternen, knallroten Lippen und den katzenartigen, leicht geschlitzten Tigeraugen, die in der Iris goldgelb gesprenkelt waren. Sie spitzte den Mund und warf ihm seidenweich die Worte zu: „Monsieur le Président, dieses Dokument beweist es. Ich glaube, dass Sie recht haben und C. G. Geon unrecht. Wenn man den Russen nicht sofort auf die Finger haut, nehmen sie sich alles Mögliche heraus. Es ist wie im wirklichen Leben.“
Bei diesen Worten schlug sie Godart leicht auf die Wurstfinger, die dieser noch immer nach ihr ausgestreckt hielt.
Wie ein ertappter kleiner Bauernlümmel zog der französische Staatspräsident seine Finger zurück. Dieses Weib, das er so weit in der politischen Hierarchie hatte aufsteigen lassen, trieb ihn zur Weißglut. Trotzdem hatte er es bislang noch nicht geschafft, sie in die Horizontale zu bringen.
„Erklären Sie sich näher, Natascha!“, erwiderte er, während er ihr einzigartiges Gesicht studierte, von dem er sich ebenfalls nicht losreißen konnte.
„Ich glaube, die Russen verstehen nur eine Sprache: den Krieg!“, erwiderte seine Staatssekretärin wie aus der Pistole geschossen
Godart lächelte. Er hatte alle Bedenken seines Sécurité-Personals beiseite gefegt und ihnen hundert Male erklärt, dass Natascha Netilowna kein Sicherheitsrisiko darstellte. Wenn Natascha eine Agentin war, dann war er der Sonnenkönig! Eine russische Agentin würde Frankreich nie und nimmer zum Krieg gegen ihr eigenes Vaterland aufhetzen! Ihre Antwort zeigte einmal mehr, dass sie eine treue Dienerin Frankreichs war.
Natascha trat in diesem Moment überraschend näher auf ihn zu, so dass er auf einmal ihr erregendes Parfüm wahrnahm. Es benebelte ihm die Sinne.
Seine Staatssekretärin, die secrétaire d`État, schien nichts zu bemerken. Sie sagte nur: „Nehmen wir an, die Russen sind so dumm, in die Ukraine einzumarschieren. Dann schlägt Europa natürlich zurück. Wo, Monsieur le Président, würden wir zuschlagen? Wo würden wir den russischen Bären zuerst kitzeln?“ Sie trat bei diesen Worten provokant noch einen weiteren kleinen Schritt auf ihn zu, so dass ihre Hügel auf einmal direkt vor seinen Augen standen, denn sie war um einiges größer als er.
Major Natascha Netilowna selbst hielt den Atem an. Die nächsten Sekunden waren allesentscheidend. Wenn Sie Präsident Putschjew mitteilen konnte, wie die strategisch- militärischen Entscheidungen Europas aussehen würden, war der drohende Krieg bereits so gut wie gewonnen.
Godart starrte nur wie hypnotisiert auf ihre Amorhügel. Im Gegensatz zu ihr atmete er schwer. Dann entgegnete er: „Wir sollten uns über diese heikle Frage an einem sehr viel privateren Ort unterhalten! Schließlich geht es hier um Staatsgeheimnisse, ma cherie! “
Major Natascha Netilowna trat unwillkürlich einen Schritt zurück, wobei ihre Hügel leicht nachzitterten. Bei allen verlogenen Popen und verruchten Zaren! Sie würde sich von diesem kleinen, fetten, geilen Franzosen nicht doch noch ins Bett zerren lassen müssen?
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