Winger. Peter Schmidt

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Winger - Peter Schmidt

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Sie etwa auch einer von diesen unausstehlichen kleinen Zynikern, die längst auf Spott statt Menschlichkeit umgeschaltet haben?"

      "Nein, wenn Sie mich erst besser kennengelernt haben, werden Sie finden, dass ich ein ganz patenter Kerl bin."

      Anscheinend war Linda nicht so hart im Nehmen, wie sie vorgab. Aber eine Viertelstunde später schien sie schon wieder fast die Alte zu sein. Sie spazierte durch das Apartment, stieß mit der Fußspitze gegen meine Klappliege, öffnete die Einbaukleiderschränke, wühlte ohne Hemmungen in ein paar Aktenstapeln und setzte sich dann auf einen der drei Besucherstühle, um spöttisch und mit übereinandergeschlagenen Beinen mein Treiben zu beobachten.

      "Wo duschen Sie eigentlich, Winger?"

      "Im Flur gibt es eine Gemeinschaftsdusche für die ganze Büroetage."

      "Gemeinschaftsdusche, aha. Ist es überhaupt erlaubt, in seinem Büro zu wohnen?"

      "Bis jetzt hat sich noch niemand darüber beschwert."

      "Und warum haben Sie keine eigene Wohnung wie jeder normale Mensch?"

      "Finden Sie nicht, dass das meine Privatsache ist?"

      "Nehmen wir mal an, ich würde zu Ihnen ziehen ..."

      "Ja?"

      "Nur hypothetisch. Glauben Sie im Ernst, dass eine Frau in diesem Loch mit Ihnen zusammenleben könnte?"

      "Ihre Fragen erinnern mich an die Sprüche der guten alten Briefkastentante, die für alles eine Lebensregel parat hat und auf alles eine Antwort weiß. Aber es gibt eine Menge Burschen hier im Lande, die unter Markständen übernachten und sich dabei ganz wohl fühlen."

      5

      Elmonds Jagdhaus lag weit draußen im Südosten hinter einem beschaulichen Viertel mit dem hübschen Namen Rosenhöhe. Wenn man die Landstraße zum Forsthaus entlangfuhr, wirkten die Hochhaustürme der Stadt beim Blick durch die Heckscheibe wie eine Fata Morgana – als schwebten sie über dem Smog und Dunst wie eine flirrende Luftspiegelung, die nach dem nächsten Wimpernschlag zerstieben könnte.

      Aber sie waren realer als das meiste, was Klienten und Täter, Zeugen und Ermittler jemals als Meinung oder sogenannte "Tatsachen" in einem Fall mitteilen könnten – von der Absicht dreist zu lügen, ganz zu schweigen. Weil Meinungen und sogenannte Tatsachen in einem Mordfall nun einmal genauso unbeständig und flüchtig sind wie Luftspiegelungen.

      Ein Zeuge, der jemanden aus fünfzehn Metern Entfernung dabei beobachtet, wie er auf sein Opfer mit einem Messer einsticht, wird bei der polizeilichen Vernehmung vielleicht plötzlich zu dem Schluss kommen, er habe sich von einem Schattenspiel in die Irre führen lassen, von einem Messer, das nur ein Füllhalter war, von einem drohenden Zeigefinger.

      Und natürlich gibt es für diesen Sinneswandel Gründe. Die Suggestivfragen des Beamten, das Unbehagen, verhört zu werden, die Angst, vor Gericht aussagen zu müssen, die Furcht vor Rache, Bequemlichkeit, Müdigkeit, plötzliche Erinnerungslücken.

      Es gibt so viele Gründe wie Menschen.

      Deshalb war Lindas Absicht, noch einmal mit Robert Elmonds Hausverwalter Gerlach zu sprechen, gar nicht so abwegig. Angeblich hatte er die verbrannte Leiche hinter dem Haus beim Vergraben von altem Laub entdeckt. Aber der Wald um das Jagdhaus bestand aus Fichten. Linda war sich da ziemlich sicher, während ich glaubte, an der Ausfahrt zur Straße eine Wiese mit alten Laubbäumen gesehen zu haben.

      Doch was noch schwerer wog: Gerlach hatte eine erstaunliche Vergangenheit für einen einfachen Hausverwalter. Er war lange Zeit Parteivorsitzender der Nationalen Vereinigung gewesen, einer rechtsradikalen Partei, die man wegen verfassungsfeindlicher Tendenzen verboten hatte.

      Was brachte einen angesehenen Rechtsanwalt und konservativen Politiker wie Robert Elmond dazu, einen solchen Mann einzustellen?

      Linda hatte nach ihrem ersten Gespräch mit Gerlach noch mehr über ihn herausgefunden: nämlich dass er kürzlich von der Polizei verwarnt worden war, weil er Elmonds Jagdhaus ein paar alten Parteigenossen für eine Tagung zur Verfügung gestellt hatte, die im Verdacht standen, das alte Gedankengut der Nationalen Vereinigung neu beleben zu wollen. Ohne Wissen Robert Elmonds allerdings, denn der Verdacht, rechten Gruppen nahezustehen, wäre ihm bei seinem politischen Comeback sicher hinderlich gewesen.

      "Gerlach ist mir irgendwie unheimlich – bitte bleiben Sie lieber in der Nähe, wenn ich mit ihm spreche, ja?“, sagte Linda, als wir vor dem Gartentor in der Einfahrt hielten. Die Laubbäume auf der Wiese waren zwei armselige Birken, flankiert von einem Wäldchen hoher Fichten, und weiter hinten, nur durch zwei schmalere Wiesenstücke getrennt, wurde der Nadelholzwald so dicht, dass man nicht mehr hindurchsehen konnte.

      "Kein Problem. Dafür bin ich schließlich engagiert worden."

      "Haben Sie eine Waffe?"

      "Nein, wozu?"

      "Weil diese Burschen von der Nationalen Vereinigung hier im Wald angeblich schon zweimal Schießübungen abgehalten haben sollen."

      "Wer sagt das?"

      "Nachbarn, die nahe genug wohnen, um Schüsse hören."

      "Dies ist schließlich ein Jagdhaus. Zu einem Jagdhaus gehört ein Jagdrevier. Wahrscheinlich gibt es oben am Hang ein paar Hochstände und Schneisen für den Ansitz. Wenn es da mal in der Nacht knallt, spricht das nicht gleich für Schießübungen rechtsradikaler Kommandos."

      "Eben, es ist verdammt unverdächtig."

      "Damit wollen Sie sagen, es ist so unverdächtig, dass es sich bestens für so was eignet?"

      Das Gittertor war abgeschlossen, sonst wären wir bis zum Parkplatz gefahren. Da wir nicht in der Einfahrt parken wollten, fuhr Linda den Wagen über den abzweigenden Seitenweg zu einem asphaltierten Wendeplatz mit Streusandkisten. Glücklicherweise schien jemand vergessen zu haben, die kleine Tür für Fußgänger neben dem Haupttor zu schließen. Erst als ich einen Blick auf das Schloss warf, entdeckte ich, dass es kein Zufall war: In der Aussparung steckte ein Stück zerknülltes Papier.

      Der Haupteingang lag auf der anderen Seite. Ich folgte Linda zum Bach und dann am Ufer entlang bis zu der Stelle, wo ein wackliger Holzsteg ohne Geländer zur Veranda führte. Linda blieb stehen und wandte sich nach mir um. "Und warum trägt ein Kerl wie Sie bei seinem Job keine Waffe?"

      "Ich hatte mal eine, während meiner Zeit als Leibwächter. Aber als ich den Job hinschmiss, hat man mir den Waffenschein abgenommen."

      "Sie waren Leibwächter? Das wusste ich nicht."

      "Ich war schon so ziemlich alles, was irgend etwas mit Sicherheit und Ermittlungen zu tun hat. Fahrer eines Geldtransporters, Trainer für Nahkampftechniken in den Geheimdiensten, Bodyguard für Politiker."

      "Weil Ihre Detektei nie genug abgeworfen hat?"

      Linda hatte eine spitze Zunge. Viele Frauen, die so aussehen wie sie und zugleich intelligenter als harmlose Modepuppen sind, scheinen zum Spott, ja sogar zum Zynismus zu neigen. Genau zu der Art von Zynismus, die sie mir eben noch selber hatte unterstellen wollen. Vielleicht liegt das daran, dass sie glauben, die Männer durchschaut zu haben, und das Ergebnis ist nun mal in aller Regel kläglich:

      Sex,

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