Wintermärchen. Wolfgang Bendick

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Wintermärchen - Wolfgang Bendick

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diese durch eine Art drehbaren Riegel blockiert ist. Mit dem Taschenmesser gelingt es uns, diesen anzuheben, und schon stehen wir im Flur.

      Diese Hütte ist etwas grösser als die vorige, aber nach dem gleichen Schema gebaut. Zum Glück liegt im Flur noch genügend Feuerholz, und mit etwas trockenem Mist, anstelle von Kleinholz, gelingt es uns, etwas Wärme in die Stube zu bringen. Wir sind weniger nass als am Vortag, ziehen uns aber trotzdem um und hängen alles zum Trocknen. Wir sind ganz schön erledigt. Dann folgt dasselbe Ritual wie am Morgen zuvor.

      Am nächsten Abend brechen wir später auf. Wir lassen erst mal den Schnee gefrieren. Das spart Kraft und Zeit. Wir hatten die weitere Strecke gut von hier oben überblicken können. Was uns nicht gefiel, waren die dunklen Wolken, die sich hinterm Bodensee und den Schweizer Bergen auftürmten… Wir sind am höchsten Punkt angelangt. Noch etwas geradeaus weiter, dann rechts rüber, wo wir die Höfele Alpe erkennen konnten. Dort hatte ich, vor nicht zu langer Zeit, auf meinem Rückweg mit meinen neuen österreichischen Freunden ein letztes Gläsle Roten getrunken. Von hier aus führt, deutlich sichtbar unterm Schnee, das Band der Straße zu Tal. Nach zwei Stunden sind wir da. Hier unten liegt der Schnee weniger hoch und nach ein paar Kilometern können wir unsere Schindeln von den Schuhen abnehmen. Wir stellen sie hinter die kleine Kapelle, die uns am Wegrand begrüßt. Sie ist nicht verschlossen. Wir setzen uns hinein, verschnaufen und danken für die geglückte Flucht. Dann folgen wir wieder dem Weg. Als wir die Feuerstelle passieren, wo damals die Österreicher gelagert hatten, nehmen wir uns die Zeit zu einem Pfeifchen und ich erzähle die Story von ‚Oh Mann!‘ Bald sind wir am Mauthäuschen. Bis hierher war jemand mit einem Motorschlitten gefahren. Jetzt ist das Gehen einfach. Die ersten Häuser tauchen wie Schemen auf, wir laufen an der Käserei vorbei, lassen bald das Gasthaus ‚Zum Hecht‘ rechts liegen. Als es hell wird sind wir schon durch Hittisau durch und setzen uns erst mal eine Weile in einem Bushäuschen hin. Ein Winterdienst- Fahrzeug blinkt vorbei und bestreut uns leicht mit Salz.

      Es ist Tag, aber es will nicht so recht hell werden. Wie ein Vorhang nähert sich ein Schneeschauer. Wir halten die Daumen raus, wenn wir die Lichter eines sich nähernden Autos sehen. Niemand beachtet uns. Ein Schulbus hält an. Er fährt ohne uns weiter. Dann kommt ein alter VW Bus und hält auch prompt. Ein junges Pärchen darin, das davon träumt, so eine Reise wie wir zu machen. Deshalb haben sie sich die alte Kiste gekauft. Der Schnee geht in Regen über. Sie lassen uns in Dornbirn raus. Wir laufen zu der Wohnung der Dornbirner Freunde. Ich wusste, dass sie gestern nach Südtirol hatten aufbrechen wollen. Vielleicht hatten sie sich verspätet. Aber niemand da. Wir laufen durch den Ort bis auf die andere Seite. Der Regen dringt langsam in untere Lagen unserer Kleidung ein. Das scheinen auch die Autofahrer zu denken. Solche triefenden Schwämme wie wir will niemand in sein Auto nehmen!

      Nicht weit von der Straße sehen wir, mitten in einer Obstwiese, ein Bienenhaus. Wir stapfen durch die Schneereste und die unter jedem Schritt gurgelnde, aufgeweichte Wiese dorthin. Wir binden einen unserer Ponchos an der Rückwand an, den anderen legen wir auf den Boden und setzen uns darunter. Langsam wird uns kalt. Der einzige trockene Ort ist unser Schlafsack. Wir helfen einander, die nassen Klamotten vom Körper zu reißen, und bibbernd kriechen wir hinein. Diesmal kommen wir uns vor wie 14/18 in den Schützengräben. Zum Glück haben wir israelische Daunenschlafsäcke mit einer wasserdichten Segeltuchhülle außen rum. Vielleicht hatte man sie dort aussortiert, weil sie zu warm waren. Uns jedenfalls waren sie gerade recht. Als uns einigermaßen warm war, stellten wir unseren einzigen Topf unter die Traufe und warfen, immer noch halb im Schlafsack, den Benzinkocher an. Die erste Füllung gab einen heißen Tee, die zweite eine Nudelsuppe. Das und ein dicker Joint brachten unsere Lebensgeister zurück und auch genügend Zuversicht. Dann lagen wir, fast schon wie gewohnt, den ganzen Nachmittag im Schlafsack, während neben uns der Regen niederging, und die Obstwiese immer mehr dem nicht weit entfernten Bodensee ähnlich wurde. Was waren wir froh, jetzt nicht mehr da oben in den Bergen zu sein! Zum Glück war das Dach des Bienenhauses breit genug, um uns genügend Schutz zu gewähren. Heute und am nächsten Tag machten wir es wie die Bienen: Winterstarre mit gelegentlichem Nagen an unseren Vorräten. Durch den von der Traufe rinnenden Wasserfall schauten auf den dahinter niedergehenden Regen. Wir fanden, dass dieses eigentlich eine sehr gute Meditationsmethode sei. Auf jeden Fall für diejenigen, denen die Wüste zu trocken war. Am Nachmittag kam noch ein Nebel dazu, so dass es jetzt Wasser in allen Seinszuständen gab.

      Die Nacht war lang gewesen. Das Wasser reichte uns nun schon fast bis zu den Füssen. Die Obstbäume standen auf kleinen Inselchen, unsere Schlafsäcke waren klamm. Uns fröstelte leicht. Wir überlegten, ob die wasserdichte Umhüllung der Schlafsäcke dicht genug wäre, um auf dem Wasser zu schwimmen, wenn der Regen nicht nachlassen sollte. Das wäre doch was für den Soldaten des zukünftigen Friedenszeitalters: der Kanu-Schlafsack, anstatt des Mumien-Schlafsackes…

      Doch ehe wir das testen konnten, hatten wir uns entschieden: nix wie weg! Schnell in das geschlüpft, was noch einigermaßen trocken war, den Rest in den Rucksack gestopft. Das Längste war das Schuhe anziehen. Die feuchten Socken weigerten sich, in die nassen Stiefel zu schlüpfen. Dann jeder einen Poncho über den Kopf und in langen Sprüngen durch das spritzende Wasser zur Straßenerhöhung. Bei den Bienen hatten wir genügend Zeit gehabt, unsere Finanzen durchzugehen. Wir würden den Zug nehmen. Erst mal bis Innsbruck. Da würde das Wetter bestimmt besser sein!

      Bald saßen wir in einem warmen Abteil. Nach und nach befreiten wir uns von unseren Kleidungsstücken. Wir hängten alles über die Sitzlehnen, die Gepäcknetze, Kleiderhaken. Am längsten brauchten wir, um unsere Schuhe von den Füssen zu bekommen. Als wir das endlich geschafft hatten, beschlugen die Scheiben. Selbst der Kontrolleur zog sich schnellstens wieder zurück. Als wir in Innsbruck ankamen, war alles getrocknet, bis auf die Schuhe. Und wir waren auf Normaltemperatur. Doch wie sah es hier aus! Derselbe Regen wie am Bodensee, nur etwas dicker, flockenartig. Das veranlasste uns, einen anderen Zug zu nehmen, der zum Gardasee fuhr, via Bozen oder Bolzano. Hier stülpten wir unsere Stiefel auf das Gitter der auf volle Pulle gestellten Heizung. Vielleicht war das der Grund, warum die Zöllner ihre Kontrolle auf ein Minimum beschränkten! Als wir in Bozen ausstiegen, waren unsere Schuhe zwar noch nicht völlig trocken, dafür aber wohlig warm wie Wärmflaschen.

      Der Regen hatte sich verausgabt. Ein paar Wolken streiften als Nebelschwaden durch das Tal. Wichen diese ein wenig zurück, erblickten wir die majestätischen Berge, frisch mit einem Neuschneemantel bekleidet. Bald liefen wir an der sich durch die bunten, meist schon abgeernteten Weinberge windenden Landstraße, nach Süden. Mauern säumten die Straße oder hielten Terrassen zusammen, auf denen sich knorrige Weinstöcke aus der feuchten Erde erhoben, von Spalierdrähten geleitet und zu einer Art Laubendach zusammengeführt. Vereinzelte, vergessene Trauben leuchteten inmitten der letzten bunten Blätter. Wir konnten nicht anders, wir mussten hinaufklettern und sie pflücken! Das war konzentrierter Sommer, mit einer Spur von Wehmut, Herbst! Der feuchte Boden roch nach fermentierenden Blättern, Hagebutten reckten sich auf den manchmal etwas verwahrlosten Mäuerchen in den jetzt blauen Himmel. Gelbe Grasbüschel, ein paar von den Vögeln vergessene, übersüße Brombeeren. Manchmal verließen wir die Straße – was sollten wir auch auf dieser, es hielt eh niemand - und liefen auf den schmalen, grasigen Wegen in den Weinbergen. Wir hatten Hunger, und nach den letzten Regentagen waren wir wild auf die konzentrierte Sonne in den Früchten. Dann wieder kilometerweit auf dem Teer, ab und zu den Daumen raushaltend oder eine ganze Traube. War das Italien, das Paradies der Autostopper? Nein! Das war Südtirol, bis 1919 noch Österreich.

      Wir durchliefen große und kleine Dörfer, sahen abgelegene Weingüter, alles schick hergerichtet für die deutschen Sommerfrischler, die hier ihre zweite Heimat gefunden hatten. Vorbei an imposanten Weinkeltereien, durch deren riesige Portale immer noch Fuhrwerke ihre unermessliche Traubenflut anlieferten. Meist mit schmalspurige Traktoren, mit mehreren vollbeladenen Anhängern hinten dran, kleine Einachsschlepper, manchmal auch ein Ochsengespann. Die Menschen, meist etwas klein, eine blaue Schürze über ihrer einfachen Kleidung, regten sich überall auf den Hängen, von denen der letzte Nebel aufstieg. Dann brach voll die Sonne durch und das ganze Land loderte in den buntesten Farben. Bis auf die Berggipfel. Diese glänzten silbern vor Neid!

      Je

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