Faustdick hinter den Flügeln. Claudia Gürtler
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Maria lachte, bis ihr der Bauch wehtat. Was für ein komischer Kauz dieser junge Mann doch war. Und wie witzig er war! Maria wünschte sich plötzlich, er würde eine Weile bleiben wie ein lieber Besuch.
Plötzlich hob Hans Engel den Kopf und fragte erwartungsvoll:
„Kannst du kochen?“ Und als Maria nicht gleich antwortete, drängte er: „Ich meine: kannst du heißes Wasser machen? Und habt ihr Himbeersirup und Zimt und Zitronen da?“
„Ich glaube schon“, meinte Maria zögernd, „aber wozu sollten wir das denn brauchen?“
„Zum Aufwärmen natürlich“, sagte der Mann, „wozu sonst!? Nichts wärmt so gut wie heißer Himbeersirup mit viel Zitronensaft und einer Prise Zimt.“
Eigentlich durfte Maria nicht kochen, wenn sie alleine zu Hause war. Da konnten alle möglichen Katastrophen passieren.
„Nun mach schon“, sagte Hans Engel. „Es ist ja ein Erwachsener dabei.“
„Na gut, wenn du meinst...“, sagte Maria und drehte die Herdplatte an. Ob so ein durchgefrorener Mensch wohl Gedanken lesen konnte?
Sie tranken den heißen Sirup, und Maria war überrascht, wie gut das Getränk schmeckte. Hans Engel verdrehte entzückt die Augen und seufzte: „Himmlisch!“
Jetzt hörte Maria Mamas leichte Schritte auf der Treppe. Wie immer wühlte sie vor der Tür in allen Taschen nach ihren Schlüsseln. Maria überlegte nicht lange. Sie packte Hans Engel am Pullover und schob ihn in Philipps Zimmer. Philipp, ihr älterer Bruder, lebte nicht mehr. Vor zwei Jahren war er beim Rodeln verunglückt, und seither betrat niemand mehr sein Zimmer. Maria legte den Finger auf die Lippen und schloss leise die Tür. Sie wusste selbst nicht, warum sie einen jungen Mann, von dem sie nicht einmal sicher war, ob er wirklich auf den lächerlichen Namen Hans Engel hörte, im Zimmer ihres Bruders versteckte. Was sie tat, verwirrte sie selbst. Rasch stellte sie die beiden Sirupgläser in den Geschirrspüler. Gott sei Dank, die Herdplatte war schon kalt.
„Ich brauche etwas Zeit zum Nachdenken“, murmelte Maria, während sie die Tür aufriss und Mama um den Hals fiel.
„Schrecklich, dieser Schnee!“ rief Mama und drückte Maria fest an sich. Erst jetzt fiel Maria ein, dass Schnee seit Philipps Tod für Mama eine Katastrophe war. Schnee machte Mama traurig. Schnee weckte verzweifelte Gedanken und ließ Tränen fließen. Maria strich Mama tröstend über die Wangen und trug die Einkäufe in die Küche.
Zuoberst in der Einkaufstasche lag ein Adventskalender.
„Oh, ist der für mich?“ fragte Maria. Mama lächelte schon wieder.
„Gefällt er dir?“ fragte sie.
„Und wie!“ freute sich Maria. Der Kalender zeigte einen dunkelbraunen Stall in tief verschneiter Landschaft. Die Schneeränder waren mit silbrigem Glimmer verziert. Erst die geöffneten Fensterchen würden Leben und Farbe in das düstere Bild bringen.
Maria beschloss, den Kalender gleich in ihrem Zimmer aufzuhängen. Doch Papa unterbrach ihr aufgeregtes Hüpfen und Trällern. Auch er kam später von der Arbeit als gewöhnlich.
„Brr, ist das kalt“, beklagte er sich. Er zog die dicke Jacke aus und strich zwei Eiskörnchen aus seinem Bart.
„Ich hab dir was mitgebracht“, sagte er fröhlich. Maria streckte die Hand aus und nahm das Geschenk entgegen. Papa schwieg verdutzt, als er den genau gleichen Adventskalender in ihrer anderen Hand sah. Dann lachte er, zog Maria und Mama an sich und meinte: „Meiner hat aber mehr Glimmer drauf.“
Maria wurde immer verwirrter. War das etwa ein Zeichen? Ein Zeichen, dass ein ungerufener Gast lange bleiben sollte? Waren alle Zufälle vielleicht gar keine Zufälle? Sie nahm sich fest vor, unter der Bettdecke über alles nachzudenken. Aber sie schlief ein, noch bevor sie sich richtig zurechtgekuschelt hatte.
***
Erster Dezember
Maria hörte im Halbschlaf, wie Mama Frühstück machte. Es war Dienstag, der einzige Tag in der Woche, an dem die Eltern beide so früh zur Arbeit mussten, dass Maria alleine frühstückte. Gleich würde Mama im Mantel zur Türe hereinkommen und sagen: „Es steht alles für dich bereit. Steh nicht zu spät auf. Vergiss dein Pausenbrot nicht. Und schließe die Haustür zu.“
Warum sagen Mütter eigentlich immer dasselbe?
Erst nachdem die Eltern weg waren, fiel ihr Hans Engel wieder ein. Maria war mit einem Schlag hellwach. Sie sprang aus dem Bett und schlüpfte eilig in Jeans und Pullover.
„Wahrscheinlich habe ich das alles nur geträumt“, sagte sie halblaut vor sich hin. Um noch etwas Zeit zu gewinnen, fuhr sie sich mit dem feuchten Waschlappen zweimal übers Gesicht. Dann schlich sie auf Zehenspitzen durch den Flur und horchte an Philipps Tür. Es war nicht das Geringste zu hören. Vorsichtig öffnete Maria die Tür. Philipps Bett war unberührt, und es war niemand zu sehen.
„Huh!“ machte Hans Engel und sprang hinter der Tür hervor.
Maria fuhr zusammen. „Blödmann!“ sagte sie wütend. „Du hast mich zu Tode erschreckt.“
„Entschuldige“, sagte Hans Engel zerknirscht. „Ich mache immer alles falsch. Daran wirst du dich gewöhnen müssen.“
„Ich denke nicht daran“, zischte Maria, „bessere dich gefälligst.“
„Ja gut!“ versprach Hans Engel. Er sah wieder aus wie ein trauriger Bernhardiner, und Maria musste lachen, ob sie wollte oder nicht. Hans Engel nutzte dies gleich aus und fragte: „Kann ich den einen Adventskalender haben?“
„Ich wollte dir sowieso einen schenken“, sagte Maria. „Was soll ich schließlich mit zwei gleichen Kalendern?“
Sie holte die Kalender aus ihrem Zimmer und streckte Hans beide entgegen.
„Welchen willst du?“ fragte sie.
„Den anderen“, sagte er.
„Was genau meinst du mit dem anderen?“ fragte Maria verdutzt.
„Na ja“, meinte Hans Engel, „der eine, den dir deine Mama gebracht hat, hat dir doch so gut gefallen. Also nehme ich den anderen.“
„Der hat aber mehr Glimmer drauf“, beschwerte sich Maria.
„Eben“, bemerkte Hans Engel mit breitem Grinsen und zog sachte an Papas Adventskalender-Geschenk. Ein bisschen Glimmer blieb dabei an seinem Daumen hängen.
„Du schaffst es wohl immer, einen Vorteil für dich herauszuschinden“, seufzte Maria und überließ Hans den Kalender.
„Ich habe es doch nur gut gemeint“, jammerte Hans. „Aber wie man’s auch macht ist es falsch...“
Maria schüttelte den Kopf und versuchte verächtliche Schnalzgeräusche von sich zu geben. Sie konnte es noch nicht so gut wie Frau Brandmeier, ihre