Faustdick hinter den Flügeln. Claudia Gürtler

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Faustdick hinter den Flügeln - Claudia Gürtler

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ich auch gleich ein Fensterchen öffnen?“ fragte Hans Engel und zappelte ungeduldig herum.

      „Kannst du“, beruhigte ihn Maria, „heute ist doch der erste Dezember.“

      „Willst du sehen, was drin ist?“ fragte Hans.

      „Nein“, lachte Maria, „ich seh mir mein eigenes Fensterchen an.“

      Sie ging in ihr Zimmer zurück, klebte den Kalender an die Fensterscheibe und öffnete das erste Fensterchen.

      „Oh, wie niedlich“, rief sie aus, „ein kleiner Igel auf dem Weg zur Krippe!“

      „Bei mir sind es zwei niedliche kleine Igel auf dem Weg zur Krippe“, behauptete Hans Engel. Maria rannte in Philipps Zimmer hinüber, das nun das Zimmer von Hans war, und überzeugte sich davon, dass er Recht hatte.

      „Hast du das im Voraus gewusst?“ fragte sie empört.

      Hans Engel wand sich nach allen Seiten. „Gewusst nicht“, meinte er verlegen, „aber gehofft hatte ich es schon.“

      „Weißt du was“, schnappte Maria wütend, „du machst wirklich einiges falsch! Aber heute Abend werde ich Mama und Papa sagen, dass du hier bist. Du wirst sehen, ehrlich währt am längsten.“

      Hans Engel schien von der Aussicht auf so viel Ehrlichkeit nicht überzeugt zu sein. Er bibberte, als fürchte er sich oder als habe er schreckliches Lampenfieber. Aber Maria ließ ihm keine Zeit für Einwände. Sie schnappte sich ihr Pausenbrot und ihren Ranzen, zog Jacke und Mütze an und polterte die Treppe hinunter. Weiter vorne in der Strasse sah sie Lorenzo und Johanna. Sie atmete erleichtert auf. Wenigstens kam sie nicht zu spät. Leider aber hatte Frau Brandmeier einen ihrer strengen Tage, und so kam Maria auch während der Schulstunden nicht zum Nachdenken.

       ***

      Zweiter Dezember

      Am ersten Dezember hatte sich keine Gelegenheit geboten, den Eltern die Sache mit Hans Engel zu beichten. Es war einer jener mühsamen Tage gewesen, an denen die Erwachsenen überhaupt nicht zuhörten. Mama und Papa schienen die Köpfe voller Schnee zu haben. Obwohl die Strassen geräumt worden waren, dachte Mama unentwegt an all die Katastrophen, die Autofahrern auf dem Weg zur Arbeit zustoßen konnten. Was für ein Glück, dass sie mittwochs frei hatte. Auch Papa redete vom Schnee. Er und die anderen Arbeiter hatten den Baukran vom Eis befreien müssen. Sie hatten später mit ihrer Arbeit beginnen können, sodass Papa abends Überstunden machen musste. Er kam spät, und er war „hundemüde“, wie er sagte.

      Und inzwischen war es still und leise Mittwoch geworden, und Hans Engel saß noch immer unentdeckt in Philipps Zimmer. Vielleicht war er schon verhungert oder vor Langeweile umgekommen. Maria zog die Handschuhe aus, steckte sie in die Jackentasche und zog sich an den Ohren. Nun begann sie schon selbst, sich Katastrophen auszudenken. Vielleicht wurde sie darin noch eines Tages so gut werden wie Mama. Aber wer wusste schon zu sagen, ob sich Hans Engel nicht so schrecklich gelangweilt hatte, dass er mit Philipps Schwungradauto gespielt hatte. Natürlich hätte Mama den Lärm gehört, und natürlich hätte sie sofort die Polizei alarmiert. Maria ging schneller, wurde aber gleich wieder langsamer. „Hätte ich es bloß gleich gesagt“, jammerte sie vor sich hin.

      Als sie leise die Wohnungstür öffnete, hörte sie, wie zwei Leute sich in der Küche unterhielten. Die eine Stimme gehörte unverwechselbar Hans Engel. „Die ganz düsteren, traurig dunkelbraunen Adventskalender sind die schönsten“, sagte er gerade, und Mama warf fröhlich ein:

      „Aber ein bisschen Glimmer muss schon drauf sein!“

      „Natürlich“, bestätigte Hans Engel eifrig, „ohne Glimmer ist ein Adventskalender gar nichts wert.“

      „Übrigens“, sagte Mama und lachte, „ihre rechte Augenbraue glitzert.“

      Und als Maria zögernd in die Küche trat, sagte Mama nichts weiter als:

      „Stell dir vor, Maria, der junge Mann hier mag Weihnachten genauso gerne wie ich. Es kann ihm gar nicht kitschig und glimmerig genug sein.“

      „Es wird das Beste sein, wenn ich einfach aufhöre zu denken“, beschloss Maria. Und so wunderte sie sich ganz und gar nicht, als der Gast im rosa-grau geringelten Pullover plötzlich vom Küchenhocker aufstand, Mama umständlich die Hand reichte und sagte: „Übrigens, ich bin Engel, Hans Engel!“

      Schon lange hatte Maria Mama nicht mehr so fröhlich lachen hören. „Wie ein Engel sehen sie aber nicht gerade aus“, sagte sie noch, und dann geschah das Unfassbare: sie bot Hans Engel Philipps Zimmer als Gästezimmer an – für ein paar Tage. Maria setzte sich eilends hin. Sie fühlte sich, als habe ein Riese sie kräftig durchgeschüttelt. In Wirklichkeit gibt es ja wohl keine Engel, oder?

      ***

      Dritter Dezember

      Auch Papa lernte Hans Engel kennen. Mit viel Schulterklopfen beschlossen sie, einander zu duzen, und es war nicht zu übersehen, dass sie sich auf Anhieb prächtig verstanden. Leider entdeckten die beiden zu Marias großem Verdruss an diesem Abend auch gleich ihre gemeinsame Vorliebe für das Kartenspiel „Schwarzer Peter“. Mama und Maria wurden überredet mitzuspielen. Zu viert sei das Spiel viel lustiger als zu zweit, meinte Papa.

      Mama holte „etwas zum Knabbern“, Hans Engel verriet ihr sein an sich geheimes Rezept für den himmlischen Himbeerpunsch, den Maria und er kurz nach ihrer ersten Begegnung getrunken hatten, und Papa mischte schon mal gründlich die Karten des schmuddeligen Spiels, das Hans Engel aus der Tasche gezogen hatte.

      Maria fand, „Schwarzer Peter“ sei ein schreckliches Spiel, und sie wusste, dass auch Mama es nicht mochte. „Warum spielen wir nicht Schnipp-Schnapp, Uno, Elfer-Raus, Halma, Domino oder Monopoly?“ fragte sie quengelnd. Papa und Hans Engel begannen gleichzeitig auf Maria einzureden, und gegen beide zusammen war einfach nicht anzukommen.

      „Spielen wir!“ rief Hans Engel enthusiastisch, fünf oder sieben oder neunundvierzig oder hundertzehn Spiele!“

      „Vier!“ sagte Papa, „damit jeder einmal gewinnen kann.

      Hans Engel, der sich zwischendurch ganze Hände voller „Knabberzeug“ in den Mund schaufelte, gewann die erste Runde. Maria verlor und Papa malte ihr mit einem Kohlestückchen einen schwarzen Schnauz auf. Maria ließ es grollend geschehen. Sie spielten weitere sieben oder acht Runden, und Hans Engel schnitt unentwegt Grimassen, fröhliche oder verzweifelte, je nachdem, welche Karte er gerade gezogen hatte. Maria und ihre Eltern kamen aus dem Lachen nicht mehr heraus. Mit den richtigen Mitspielern konnte sogar ein Spiel wie „Schwarzer Peter“ lustig sein. Längst konnte Maria kein Knabberzeug mehr essen. Der Bauch tat ihr weh – vom Knabbern und vom Lachen. Sie schielte nach der Uhr und bemerkte erstaunt, dass es nach neun war und dass Mama und Papa offenbar vergaßen, sie zu Bett zu schicken, obwohl doch morgen Schule war und obwohl sie wussten, dass Frau Brandmeier nichts mehr hasste als Kinder mit schmalen, müden Schlitzaugen.

      Auch Mama hatte längst einen schwarzen Schnauz, und als Papa in der neunten Runde verlor, griff Hans Engel nach der Kohle und stürzte sich mit triumphierendem Gekreische auf ihn. Papa wehrte sich lachend. Er rollte über den Teppich und versuchte, sein Gesicht mit den Armen zu schützen. Hans Engel verfolgte ihn eifrig mit der Kohle, und schließlich trug Papa, der ja schon Bart und Schnauz hatte, eine schwarze Stirn, schwarze

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