EIN ZACKEN AUS DER KRONE. Frank Solberg

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EIN ZACKEN AUS DER KRONE - Frank Solberg

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zu. In diesem Haus ging es zu, wie im Taubenschlag. Da wurde ein- und und ausgezogen, dass es eine helle Freude war. Kaum, dass man einen Flurnachbarn richtig mit Namen kannte, war er schon wieder weg und ein neuer trat an seine Stelle.

      Da wurde die Nacht zum Tage gemacht und die hellhörigen Wände ermöglichten es spielend, morgens um 3 gleichzeitig fünf verschiedene Radio- und TV-Programme zu genießen, parallel dazu einem intensiven Familienstreit zu lauschen oder das genaue Gegenteil davon hautnah zu erleben – mit allen zugehörigen Lauten. Leider waren die Wände nicht dünn genug, um die Darbietungen auch optisch zu verfolgen. Es hätte keines Fernsehers mehr bedurft.

      Nach zwölf interessanten Monaten gaben wir entnervt auf. Wir gingen den goldenen Weg der Mitte und wechselten in ein Sechs-Familienhaus. Einige Jahre verbrachten wir in relativem Frieden. Die Hausgemeinschaft war intakt, Miete und Nebenkosten annehmbar. Da änderte sich schlagartig, als das Gebäude verkauft wurde. Die neuen Eigentümer, jung, dynamisch und habgierig, wollten offenbar mit Macht reich werden. Sie erhöhten den Mietzins so gewaltig, dass uns die Augen tränten.

      Die Schmerzgrenze war erreicht. „Wir werden“, so sprach ich zu meinem Weibe, „jetzt Konsequenzen ziehen und uns nach einem eigenen Haus umsehen.“

      „Und wovon“, erkundigte sich die Angesprochene, sie ist manchmal penetrant penibel in solchen Dingen, „werden wir das bezahlen?“

      Die Frage war berechtigt. Aber ich stellte die Beantwortung einstweilen zurück. „Wir werden sehen. Kommt Zeit, kommt Rat.“

      Und wirklich, wir haben gesehen, lange und mehr als genug, nur der erhoffte Rat wurde uns nicht zu teil. Ein halbes Jahr lang fuhren wir durch die Lande und betrachteten, begutachteten, beurteilten und bewerteten, was der Immobilienmarkt so anbietet. Und es ist nicht immer erbaulich, was da so alles für teures Geld gebaut, angebaut, umgebaut, zugebaut und verbaut wird.

      Irgendwann zeigte meine Frau erste Ermüdungserscheinungen. „Ich bin es leid“, dokumentierte sie ihren Unwillen, „meine Wochenenden in Wohnparks, auf Baustellen und mit unablässig redenden Maklern zu verbringen. Außerdem hast du mir bis heute noch nicht gesagt, ob und wie wir das überhaupt finanzieren können.“

      Sie brachte es auf den Punkt, wie immer. Ein spitzer Bleistift und ein Taschenrechner brachten es an den Tag, wir konnten es uns eigentlich gar nicht leisten, ein Haus käuflich zu erwerben. Ich verdiente zwar von Rechts wegen gutes Geld, der Haken ist jedoch, ich bekomme es nicht. Meine Vorgesetzten waren und sind hier eindeutig anderer Meinung als ich.

      Es war zwar nicht unmöglich, entsprechende Hypotheken zu erhalten, aber die laufende Belastung wäre nur tragbar gewesen, wenn wir uns im Keller eingenistet und die Wohnräume vermietet hätten. Das aber entsprach nicht ganz unseren Vorstellungen.

      Ich gab die Hoffnung trotzdem nicht auf und erbat mir noch eine letzte Chance. „Lass es uns noch einmal versuchen“, überredete ich sie. „Einmal noch, am kommenden Samstag. Und dann ist Schluss.“

      Wir machten uns erneut auf den Weg. Dieses Mal in eine kleine Nachbargemeinde. Und hier gerieten wir in eine Sackgasse. Das Haus, ein Bungalow mit Walmdach und großem Garten in Mitten einer kleinen Stichstraße, gefiel uns auf Anhieb. Liebe auf den ersten Blick sozusagen. Es passte fast alles, die Lage, die Ansicht, der Grundriss und die Ausstattung, nur der Preis passte uns nicht, wie üblich.

      „Zu teuer“, beschied ich dem anbietenden Makler, „viel zu teuer.“

      „Herr“, erwiderte dieser beleidigt, „das ist ein echtes Schnäppchen. Ein solches Komfortobjekt zu diesem Preis findet man nicht alle Tage. Das ist immerhin ein frei stehendes Haus mit 1.000 qm Grundstück. Zwanzig Jahre alt und gut in Schuss.“

      Natürlich hatte er Recht, aber es ging eben nicht. Ich nannte ihm die Summe, die wir in der Lage waren aufzubringen.

      Er zuckte zusammen. „Für das Geld“, spottete er, „bekommen sie mit Leichtigkeit einen festen Stellplatz beim Camping, aber kein Haus.“

      Aus der Traum. Es brach uns fast das Herz.

      Selbigen abends bekamen wir Besuch. Onkel Ewald, er ist der ältere Bruder meiner Mutter und außerdem steinreich, kam auf einen Sprung vorbei, um nach uns zu sehen.

      „Was macht ihr bloß für Gesichter?“, fragte er besorgt. „Geht's euch nicht gut oder fehlt euch was?“

      „Uns fehlen 100.000 Euro“, entgegnete ich sarkastisch. Dann erklärte ich ihm die Sachlage.

      „Kinder“, er schüttelte seinen Kopf, „warum seid ihr nicht schon längst zu mir gekommen? Ihr werdet mich doch sowieso beerben. Was soll mich also daran hindern, schon mal eine kleine Anzahlung zu leisten?“

      Wir fielen aus allen Wolken. „Meinst du das im Ernst?“, stotterte ich.

      „Wenn's um Geld geht, verstehe ich keinen Spaß“, sagte er vergnügt und klopfte mir auf die Schulter. „Morgen früh schauen wir uns das Prunkstück an.“

      „Die Sache muss einen Haken haben“, sagte meine teure Gattin, als der Besuch gegangen war.

      „Er war immer recht großzügig zu uns“, wandte ich ein. „In den letzten Jahren hat er uns einiges zukommen lassen.“

      Sie stimmte mir zu. „Geizig ist er nicht, aber 100.000 Euro sind ja kein Pappenstil.“

      „Er weiß doch genau, dass er das Geld nicht mitnehmen kann. Außerdem ist er ein Fuchs. Auf diese Weise sparen wir Erbschaftssteuern. Er schenkt uns das Geld halt in Raten.“

      „Ein alter Fuchs ist er gewiss“, grübelte meine Frau, „und deshalb sage ich dir, es steckt noch irgendetwas anderes dahinter. Hoffentlich führt das nicht in eine Sackgasse.“

      „Wir werden sehen“, beschloss ich das Gespräch, „kommt Zeit, kommt Rat.“

      Wenige Wochen nach diesem bemerkenswerten Abend waren wir notariell beglaubigte, ins Grundbuch eingetragene Eigentümer eines Walmdachbungalows, frei stehend, solide gebaut und ebenso finanziert.

      Ich schwebte auf Wolke Neun. „Was habe ich gesagt?“, frohlockte ich, als wir die Urkunden in Empfang nahmen. „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.“

      „Ich weiß nicht so recht?“, sagte meine Gattin. Sie ist manchmal etwas skeptisch, die Gute. Nicht etwa, dass ihr Onkel Ewald unsympathisch wäre, im Gegenteil, aber sie meint, dass es doch einen gewaltigen Unterschied macht, ob er mal kurz vorbei schaut oder ob er sich häuslich bei uns einnistet. Immerhin hat er sich ausbedungen, dass wir ein Gästezimmer für ihn frei halten müssen. Er kann kommen und bleiben (unseretwegen auch gehen), wann immer er mag, rechtlich verbrieft.

      Zum Glück ist er schon 88 und viel auf Reisen. „Wir werden sehen“, sprach ich. „Kommt Zeit, kommt Ewald.“

      Onkel Ewald

       Im Paradies war der Mensch unsterblich, erst die Vertreibung machte ihn zu einem sterblichen Wesen. Immerhin aber weiß die Heilige Schrift zu berichten, dass Adam noch mit 130 Jahren Nachwuchs zeugte und schlaffe 930 Jahre alt wurde. Auch seine direkten Nachkommen erreichten eine solch ‚biblische Bejahrtheit‘. Nur ein gewisser Henoch fiel etwas aus dem Rahmen; er starb 365-jährig. Den heutigen Sozialpolitikern würden ob dieser Lebenserwartung die Haare einzeln zu Berge stehen und die Rentenversicherungsträger wären mutmaßlich schon längst

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