Auf der Suche nach dem idealen Ort. Manfred J. Reichard

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Auf der Suche nach dem idealen Ort - Manfred J. Reichard

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der Polizei, weil einige der Bewohnerinnen eine große Gewaltbereitschaft zeigten. Sie waren bei Krawall-Demos immer in der ersten Reihe zu finden, schlugen am Ku’damm mit Pflastersteinen, die sie entweder in ihren Rucksäcken mitführten oder mit langen Messern aus dem Bürgersteig brachen, die Glasvitrinen ein. Auch in der Fabrik hatte man mit ihnen zu tun. Alle paar Wochen musste man das Treppenhaus neu streichen, um ihre gesprayten Sprüche zu übertünchen. „Schwanz ab!“ gehörte da schon zum Standardrepertoire.

      Diotima entschloss sich sofort, mitzukommen. Sie zwängten sich alle in Tristans DS und fuhren hin. Der Laden war wie immer rappelvoll. Man war schon froh, wenn man es geschafft hatte, einen Stehplatz links neben dem Tresen zu ergattern, bevor man sich peu à peu zu der Tanzfläche nach hinten durcharbeiten konnte. Tristan trank seinen obligatorischen Tequila Sunrise, tanzte ein wenig, stand mit den anderen rum und versuchte sich bei der lauten Musik zu unterhalten. Als sie später wieder in der Fabrik ankamen, machte Diotima den Vorschlag, noch zum Café Kreuzberg zu laufen und einen Absacker zu trinken. Die anderen wollten ins Bett, und so machten sich Tristan und sie allein auf den Weg.

      Diotima war nicht gerade schlank aber auch nicht dick, sie trug kurze schwarze Haare und hatte leicht mongolische Züge, also hohe Wangenknochen und leicht geschlitzte Augen. Sie stellte sich als sehr unterhaltsam und witzig heraus. Eine Wohltat nach all dem Stress und den Diskussionen, die er mit Rachel hatte. Um 3 Uhr gingen sie nach Hause. Sie verabschiedeten sich im Treppenhaus mit zwei flüchtigen Wangenküsschen, und Diotima sagte ihm, dass es ein schöner Abend war und er sie doch mal besuchen kommen sollte.

      Gleich am nächsten Abend klingelte er an Tür von Diotimas WG. Mary öffnete die Tür und ließ in herein. Diotima war nicht da, und von den anwesenden Frauen spürte er eine Atmosphäre, die zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung schwankte. Er verabschiedete sich sofort und beschloss, das nächste Mal vorher anzurufen.

      Am nächsten Tag rief er unten an. Diotima war da und lud ihn ein, nach unten zu kommen. Diotima stellte ihn den anderen Frauen vor. Man war sich zwar schon vorher des Öfteren im Hof oder im Treppenhaus begegnet, kannte sich aber nicht mit Namen. Sie saßen alle am großen WG-Tisch und tranken eine Flasche Cognac. Später kam Diotima mit zu Ihm in seine Etage.

      Gerade als Beide mit einer Sektflasche in sein Zimmer gehen wollten, kam Rachel herein. Die Beiden kannten sich natürlich. Rachel stutzte kurz, meinte, sie habe auf ihn gewartet, weil sie doch reden wollten und verzog sich gleich wieder. Genau das hasste er mittlerweile an ihr. Unangekündigt auftauchen. Probleme wälzen wollen. Es ging ihr nur um ihre Bedürfnisse. Ihm graute schon vor der nächsten Begegnung.

      Nachdem Beide die Sektflasche geleert hatten und einige Joints geraucht hatten, beschlossen sie, noch ins Max und Moritz zu gehen. Auch dort unterhielten sie sich angeregt, kifften mit den anderen Gästen. Es war völlig normal, dass eine große Tüte herumgereicht wurde, und jeder, der wollte, daran ziehen konnte. Wieder zurück, tranken sie in Tristans WG noch einen Kaffee, und um 4 Uhr verabschiedete sich Diotima mit einem zärtlichen Abschiedskuss. Wie verheißungsvoll! Er wusste nun, es würden noch viele Küsse nachkommen. Und mehr….

      Es kursierte in der Fabrik das Gerücht, dass Diotima, als sie nach Berlin kam, die ersten Jahre als Prostituierte gearbeitet hätte. Er hatte sie im Max und Moritz darauf angesprochen. Sie hatte völlig cool reagiert und ihm die Geschichte erzählt. Es war ihr egal, was die Leute in der Fabrik über sie erzählten, sie bat Tristan aber, nun nicht rumzulaufen und dieses Gerücht zu bestätigen.

      Das Gespräch mit Rachel stand nun an. Er ging zu ihr nach oben und schlug ihr vor, dass sie es erst einmal bei einer Freundschaft belassen sollten, aber mit der Perspektive, dass sich alles wieder zusammenfügt.

      Rachel ging am selben Tag noch zu Diotima, sagte ihr, dass sie keine Besitzansprüche stellt, und dass sie mich haben kann. Als Diotima ihm das erzählte, kam sich Tristan wie eine Ware vor, dazu noch eine gebrauchte. Diotima wusste, was in ihm vorging und schmunzelte.

      Er hat das Datum nicht vergessen: Es war der 29. Januar 1982. Tristan und Diodima trafen sich nach der Arbeit und gingen ins Werkbundarchiv zur 50er Jahre Ausstellung und danach noch ins Schwarze Café, das nun genau wie Tristans Fabriketage weiß gestrichen war. Das einzige aus der schwarzen Ära war auf der Speisekarte das Schwarze Frühstück: ein schwarzer Kaffee und eine Gauloises ohne Filter.

      Sie gingen dann in ihre WG. Die Frauen waren nicht da. Diotima machte ihnen ein Brathähnchen, und als sie es gegessen hatten, gingen beide am Schlafzimmer der Frauen vorbei, in dem diese ein acht Meter langes Hochbett gebaut hatten, auf dem sie alle nebeneinander lagen, in Diotimas Zimmer, in dessen Mitte ein Himmelbett stand.

      Sie setzten sich nebeneinander auf den Rand. Beide waren sehr schüchtern und irgendwie gehemmt. Es dauerte lange, bis Diodima sich küssen ließ, dann zogen sie sich gegenseitig aus, Stück für Stück mit langen Pausen. Nun waren beide nackt und kuschelten sich unter der Decke eng aneinander. Als Tristan in sie eindringen wollte, schob sie ihn leicht zur Seite und tupfte etwas Vaseline aus ihren kleinen Tiegel neben dem Bett auf und in ihre Möse. Sie sagte ihm, dass das nichts mit ihm zu tun hat, es ist eine Folge aus ihrer Zeit als Prostituierte. Sie wird nicht nass, und bekommt sehr schwer einen Orgasmus, aber es macht ihr trotzdem Spaß und es erregt sie, nur leider ohne diese Begleiterscheinung. Das alles verwirrte Tristan, und er hatte Schwierigkeiten, in sie einzudringen. Sie schmusten und küssten sich leidenschaftlich und schliefen dann beide nebeneinander ein.

      Am nächsten Morgen, beim Frühstück bei ihr, erzählte sie ihm, dass sie drei Stunden im Gemeinschaftsraum geschlafen hat, weil er so schnarchte. Seltsam, das hatte Rachel nie gestört!

      Es entwickelte sich ein ähnliches Verhältnis wie mit Rachel. Mal kochte sie bei sich, und er ging nach unten, oder sie kam zu ihm, wenn er oder jemand anderes bei ihm kochte. Mal schliefen sie bei ihm, mal bei ihr, aber meist wachte er alleine auf, weil sie während der Nacht gegangen war. Sie lobte ihn und bedankte sich bei ihm, auch wenn andere es hören konnten, dass er so rücksichtsvoll ist und ihr immer Platz für ihre Hand lässt, damit sie an ihre Klitoris kommt.

      Er fuhr morgens immer früher los zur Arbeit als sie, und meist lag dann ein Brief bei ihm auf dem Tischchen in der Gemeinschaftshalle neben dem Telefon, wenn er nach Hause kam, in dem sie ihm eine liebe Nachricht hinterlassen hatte, bevor sie zur Arbeit fuhr.

      Tristan erinnerte sich gerne an diese Zeit, als noch nicht jeder zu jeder Zeit online war, als es noch Zeit kostete, bis man einen Brief erhielt, als es noch spannend war, ob nun ein Brief angekommen war oder nicht, und man sich bis dahin Gedanken machte oder sich freute.

      Anfang Februar gingen alle WGs ins SO36 zum Konzert von Blurt, einer neuen Band, die so eine Mischung aus Jazz und Punk spielten. Tristan hatte seine alte Lederjacke an, weil klar war, dass er im Gewühle vor der Tribüne Pogo tanzen würde. Er entdeckte dann später, dass er trotz der dicken Lederjacke blaue Flecken hatte, aber Spaß hat es gemacht.

      Nach dem Konzert ging Diotima auf Rachel zu, aber diese rastete sofort aus, was das soll und rauschte ab in die eine Richtung und Diotima in die andere. Tristan rief noch Diotima hinterher. Die meinte aber er soll sich da raushalten. Alle fuhren dann noch ins Morgenrot am Paul-Linke-Ufer und redeten mit Anne über die Situation vorhin. Als sie um 2 Uhr nach Hause kamen, war die Tür zu Frauen-WG abgeschlossen. Tristan rief an, und eine der Frauen machte auf. Er ging in Diotimas Zimmer, legte sich zu ihr, gab ihr kleine Küsse, bis sie aufwachte. Sie schliefen miteinander und unterhielten sich bis 5 Uhr. Dann ging er nach oben, wo ihn um 6 Uhr sein Wecker gleich wieder aus dem Bett warf.

      Irgendwann im April merkte er, dass Diotima nicht so ganz bei der Sache ist. Sie schliefen zwar regelmäßig miteinander, aber sie schien weit von ihm entfernt. Sie war weiterhin sehr zärtlich, aber die Leidenschaft fehlte.

      Dann, am 27. April, rückte sie mit der Wahrheit heraus. Sie war sich die ganze Zeit nicht sicher,

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